Dagmar Aaen

5. Juni 2016
von Steffi
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5 Segel-Abenteurer, die du in Jacare treffen kannst

Das Schönste an unserem Lebensstil sind die Menschen, die wir unterwegs treffen.
Das Traurigste sind die unweigerlichen Abschiede von ihnen, auch wenn wir immer von einem Wiedersehen ausgehen.

Anfangs fiel es mir sehr schwer, mich auf Jacare und die Seglergemeinde hier einzulassen: Die Marina liegt am Ende der Welt, die Segler hier leben in einer Yachtie-Blase – nichts von beiden hat mit meinem geliebten Brasilien zu tun! Und auch nicht viel von meiner Vorstellung von einem Abenteuer. Mein Abenteuer ist nicht deines, ich weiß…

Doch Abenteurer, echte und solche, die es werden wollen, treffen wir hier genug!

Franzosen

Die kennen nichts – die fahren überall hin. Es ist ihnen völlig egal, ob ihr Schiff einem segelnden Flohmarkt ähnelt, ob es Seekarten gibt, ob jemand ihre Sprache spricht, auch kümmern sie sich nicht um Nationalitäten- oder Gastlandflaggen – sie segeln überall hin, wo das Wasser tief genug sein könnte. Leider ist es schwierig, sich mit ihnen zu unterhalten, denn außer Französisch können die nichts. Dabei bin ich sicher, sie hätten jede Menge Tipps!

Die von Seint Hiliena kommen

Dachte ja immer, die Insel hieße St. Helena, also Seint Helena, so wie die Helen mit einem A am Schluss, aber Muttersprachler sprechen das anders. Jedenfalls, wer über St. Helena kommt, hat schon ein ganzes Stück der Weltmeere gesehen:

MINNIE B war jahrelang unterwegs, unter anderem über New York hinauf bis Kanada. Jetzt sind sie auf dem Weg in die Karibik, um mal langsam zu machen.

Michael war sechs Jahre Einhand unterwegs, auch er ist auf dem Weg über die Karibik nach Hause. Im Juli 2017, so hat er seiner Frau versprochen, ist er wieder daheim.

Die Crew der INISH kommt aus Hoorn, auch sie waren jahrelang unterwegs. Sie mussten lang ein Südafrika pausieren, weil ihr Mast kurz nach Simonstown brach. Im Moment sind sie in Europa, im Herbst wollen sie in die Karibik – und dann wieder in die geliebte Irische See. Die beiden sehen wir also vielleicht wieder.

Meistens wollen übrigens die Frauen endlich nach Hause zu ihren Enkelkindern.

Die Unangenehmen und die Unscheinbaren

An einen der Grill-Abende traf ich auf einen Segler, dessen Horizont sich nicht erweitert: Die Menschen sind Bestien, bumsen die Erde zu Tode, die Überbevölkerung ist die Ursache allen Übels, oder waren es doch die faulen Afrikaner und Araber? Genug Geld zum Leben soll nur der haben, der auch in seine Ausbildung investiert hat und wenn es für ihn keine Arbeit gibt – selber Schuld. Gelebt und gearbeitet habe er schon überall auf der Welt und überall ist es das Gleiche – ich solle ihm doch glauben. Ich glaube ja! Nämlich dass er am liebsten die Hälfte der Erdbevölkerung verrecken lassen würde. Als ich andeutete, dass in Europa Tonnen von Lebensmittel, vernichtet werden, bevor sie überhaupt den Verbraucher erreichen, glaubte er mir nicht…

Es gibt mehr von seiner Sorte, normalerweise treffe ich nicht auf sie – hie und da zwickt das Krokodil doch noch, ich fühle mich hier immer noch nicht rundum wohl und dann kann so etwas schon mal passieren.

Andere wieder, so wie unseren Nachbarn, merken wir gar nicht: Morgens trainiert er im Fitnessraum und den Rest des Tages repariert er sein Schiff. Es ist übrigens ein Russe und spricht nur wenig Englisch.

Edward, der ein Schiff nach Europa überführen soll, freut sich hingegen immer, wenn er mit uns ein paar Worte Deutsch sprechen kann. Er kommt aus Uruguay, hat aber auch österreichische und holländische Vorfahren, unter anderem natürlich.

Familien mit (kleinen) Kindern

In den ersten Wochen hier war Jacare ein Kinderparadies:

Die beiden Cousins Gabriel und Gabriela wachsen hier auf. Sie entern gerne mal die Schiffe und rauben sie aus…
Sie haben Hausrecht – und ein Pool, in dem sich alle Kinder tummeln.

Die Piraten

Vor diesen beiden Piraten ist keine Beute sicher!

Fast alle: Tiara ist zu klein, sie ist erst drei Monate alt. Dafür turnt ihre große Schwester wie ein Affe in der Takelage ihres Schiffes herum, ebenso der Bruder. Ihre Eltern kommen aus Mexiko, haben deutsche, französische und slawische Wurzeln und sind schon jahrelang unterwegs. Sie sind sehr entspannt. Ihr Schiff, RUSALKA OF THE SEAS, lag zehn Monate hier. Vor ein paar Tagen legten sie ab, Richtung Heimat. Und das sah so aus:
Der Vater am Ruder, die Mutter vorne um die Festmacher einzuholen. Uma, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, am Mastfuß zwischen Dinghi und einer festgezurrten Kiste sitzend, hielt das Baby fest, Palli, noch keine fünf Jahre alt, holte die Spring ein: Konzentriert zog er das bestimmt vier Zentimeter dicke Tau nach und nach an Bord.

Abschied von der Rusalka of the Seas

Abschied von der Rusalka of the Seas

Auch die EVITA mit drei Kindern an Bord, das älteste vielleicht dreizehn, legte vor ein paar Tagen Richtung Azoren und in weiterer Folge Spanien (Mutter) oder England (Vater) ab. Nach drei Jahren auf See sollen die Kinder wieder in eine richtige Schule gehen, mit anderen Kindern und so. Übrigens auch eine sehr entspannte Crew! Ihr Blog ist auf Englisch, wird aber auch von den Kindern geschrieben, ist also vielleicht für Familien interessant.

Noch nicht so gut loslassen können die Eltern von Sophie und Erik, sie trauen ihren Kindern noch nicht so viel zu, haben noch nicht genug Vertrauen in das Leben. Gerade deshalb macht es Spaß zu sehen, wie der knapp vierjährige Junge, der anfangs die Hand der Mutter nicht los lies, immer selbstsicherer über den Steg läuft. Die Crew der MANGO wird von hier aus am Landweg Brasilien erkunden und in etwas sechs Wochen Richtung Karibik aufbrechen.
Ob wir die Familien wiedersehen werden? Es wäre schön!

Polarforscher

An einem dieser Tage hier, als Wolkenbruch auf Wolkenbruch folgte, nutzt Tomy einen kurzen trockenen Moment um etwas Brötchenähnliches fürs Frühstück zu holen. Das wird nämlich hier nachmittags gebacken. Ein altes, großes Holzschiff hätte angelegt, ein deutsches.

„Welcher Verrückte fährt mit einem alten Holzboot über die Meere!“, schießt es mir durch den Kopf.
Der Verrückte stellt sich abends bei dem schon erwähnten Grill-Event vor, Arved hieße er…

Nun, so viele deutsche Arveds mit altem Schiff gibt es ja nicht auf der Welt – da hatte also tatsächlich ein Pionier der Polarforschung, ein echter Abenteurer, ein harter Hund, eben ein Ver-Rückter an unserm Steg festgemacht!

Jacare-0949

Polarforscher und Warmduscher

Und er ist dabei so etwas von erfrischend normal!

Am nächsten Tag scheint die Sonne und wir können die DAGMAR AAEN, einen alten dänischen Haifischkutter, der für den extremen Einsatz in kalten und stürmischen Gewässern umgebaut wurde, besichtigen.

Ganz schön beeindruckend!

Drei Eingänge in den Bauch des Schiffes gibt es, in alle drei führen steile Treppen. Vorne, dort wo früher die Fischer schliefen, sind immer noch vier Kojen, besser Wandschränke mit Türen. Beim Gedanken daran, darin schlafen zu müssen, bekomme ich akute Atemnot…
Der Ofen, der in dem Raum steht, hält ihn zwar sicher muckelig warm, verstärkt aber mein Gefühl der Enge…

In der Mitte, dort wo früher die Fische gelagert wurden, sind weitere Einbauschlafschränke, der Aufenthaltsraum und die Kombüse.

Hinten ist die Navi-Ecke, ausgestattet mit modernster Elektronik und einigen Bildschirmen. Dahinter ist der Motorraum mit Wassermacher, zwei Generatoren, dem Motor und den Tanks.
In diese Tanks passen über 4000 l Diesel.

2000 müssen getankt werden – in Jacare, wo es keine Tankstelle gibt. Nur einen Lieferservice.
Der stellt 100 Kanister an den Steg.

Die Crew ist nicht amüsiert: 100 Kanister wollen erst mal zum Schiff geschleppt werden! Und müssen dann einzeln in die Tanks gefüllt werden.

Und siehe da, da kann die kleine, wärmeliebende und vergleichsweise gar nicht mutige YEMANJA der großen DAGMAR helfen:

Tomy hat nämlich eine Onanier-Pumpe. Richtig gelesen. Die daran angeschlossenen Schläuche werden in den Tank und den Kanister gesteckt. Dann wird die Pumpe durch die entsprechende Handbewegung angeworfen: Sobald der Diesel rinnt, läuft er von alleine in den Tank, nur der letzte Rest muss per Hand und Trichter umgefüllt werden.

Damit ist die Crew ein paar Stunden schneller, einen ganzen Tag braucht sie trotzdem, bis die Tanks der Dagmar Aaen wieder gefüllt sind.

Und dann legt sie auch ab, zu den Azoren, nach Brest und zurück nach Deutschland. Ein Wiedersehen is fraglich – oder vielleicht bei einem Von Arved Fuchs’ Vorträgen?

Dagmar Aaen und Yemanja - Polarforscher und Warmduscher an einem Steg

Dagmar Aaen und Yemanja

 

Und dann sind da noch solche wie wir – in welche Abenteurer-Schublade würden uns wohl andere Segler stecken? Rentner auf  Tour?

1. Juni 2016
von Steffi
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SY-Yemanja ist seit 2 Jahren unterwegs im Atlantik!

Erster Juni 2014, Katwoude, Holland – wir werfen die Leinen los, vergießen ein paar (viele) Tränen und winken unseren Kindern: Unsere Weltumseglung hat begonnen!

Anfangs ist alles neu und aufregend, durchdrungen von dem berühmten Zauber, der allen Anfängen innewohnt.

Zwei Jahre später liegen viele Häfen, Freunde, Abschiede und Erfahrungen hinter uns: Zeit für Dankbarkeit, Zeit zu feiern, Zeit zurückzublicken!

Ich befrage uns da einfach mal selbst. Das Besondere dabei: Tomy kommt (auch) zu Wort!

Was war der bisherige Höhepunkt eurer Reise?
Tomy: Zwei Dinge: Das erste Mal, also die erste längere Fahrt, über die Biskaya. Dann die Atlantiküberquerung und Ankommen in Salvador, auch wenn es seglerisch keine große Herausforderung war.
Steffi: Die Biskaya, das war bisher auch das tollste Segeln. Und Bolivien. Da sind wir natürlich mit dem Flugzeug hin. Wir wären aber ohne die vielen Reiseblogs, mit denen ich durch diesen Blog verbunden bin bzw. ohne die Notwendigkeit alle 90 Tage aus Brasilien auszureisen vermutlich nicht auf die Idee gekommen, dorthin zu reisen.

Welche Orte eurer bisherigen Route sollten Weltbesegler unbedingt anlaufen?
Tomy: Rias in Spanien, Madeira, La Palma, Salvador
Steffi: A Coruna, Combarro, Aveiro, Porto, Madeira, La Palma, Mindelo/Santo Antao, Salvador

Aveiro

Gondeln in Aveiro

Was war die herausforderndste Situation?
Tomy: Bei 40 Knoten Wind Segel reffen vor La Restinga
Steffi: Es gab ein paar herausfordernde Situationen: Seekrankheit, die uns im Atlantik zwar leicht, aber doch befällt; als das Segel riss und wir bei Windstärke 8 gegen an nach La Restinga segelten.

Gibt es eine Situation, die ihr nicht nochmal erleben wollt, wenn ja, welche?
Tomy: Wüsste ich jetzt keine.
Steffi: Gewitter, dem fühle ich mich ohnmächtig ausgeliefert. Und ehrlich: 22 Tage übers Wasser schippern ist einfach langweilig. Brauch ich nicht wirklich nochmal, auch wenn ich dem nicht entgehen werde.

Wo gefiel es euch am besten?
Tomy: Madeira und Salvador, Camamu
Steffi: Bretagne, A Coruna, Combarro, in Portugal, Madeira, La Palma, Santo Antao, Camamu und Bolivien: Die Welt ist an vielen Flecken schön!

Was würdet ihr heute anders machen?
Tomy: Ich würde mir mehr Zeit lassen für die französische und spanische Atlantikküste.
Steffi: Ich auch! Ich würde ein oder sogar mehrere Saisons in der Bretagne und in den Rias Galiciens verbringen.

A Coruna

A Coruna

Wie hat euch die Reise verändert?
Tomy: Ich habe Geduld, Achtsamkeit und Respekt vor der Natur gelernt. (Kommentar von Steffi: Er ist unterwegs viel kontaktfreudiger und unternehmungslustiger als zu Hause)
Steffi:  Ich weiß nicht, ob sie mich verändert hat. Vielleicht bin ich noch dankbarer geworden, dass ich all diese tollen Dinge erleben darf, für meine wunderbare Familie, meine Freunde und all die Menschen, ohne deren Unterstützung diese Reise nicht möglich wäre. Ich vertraue noch mehr, in mich, die Menschen und das Leben. Ich vergebe noch leichter und kann fünf besser gerade sein lassen, wenn es hilfreich ist. Gelernt habe ich viel, aber das kommt in einem anderen Bericht. Segeln ist nicht darunter ;-)

Was waren die schönsten Naturerlebnisse?
Tomy: Die Delfine, die zu meinen 60. Geburtstag auf der Biskaya vorbeikamen und Delfine im Allgemeinen
Steffi: Delfine und die Sterne auf See und im Altiplano in Bolivien

An welche Begegnungen denkt ihr am liebsten zurück?
Tomy: An die mit meiner Frau während 22 Tagen Atlantiküberquerung ;-) Ich finde es schön, unterwegs Leute kennen zu lernen und immer wieder mal zu treffen.
Steffi: Ach, da sind viele: Martin und Violetta, Heinz und Christine, Walter und Elke, Leentje und Patrick, Marisa in Oeiras und andere tolle Marinastaff,  Milan und Ilse, Jaqueline und Mischa, Anja und Thomi, Tom, Jochen und Hanna, die Crew dere Chulugi, meine Freundinnen, die zu Besuch kamen, unsere Freunde in Salvador und viele kleine Momente und kurze Begegnungen, zu viele, um hier Platz zu finden, aber dennoch in meinem Herzen.

Unser Freund Nico

Unser Freund Nico

Euer peinlichster Hafenkinomoment?
Tomy: Als sich die Leine des Dinghis beim Ankern um die Schraube wickelte, weil ich das Dinghi nicht beigeholt hatte.
Steffi: Der war noch vor unsere Abreise: Als wir das Vorsegel verkehrt herum einzogen… Unter Langzeitseglern gibt es die nicht wirklich: Alle wissen, dass sie mal Scheiß bauen und sind viel zu beschäftigt, ihr Schiff seetüchtig zu erhalten und einander zu helfen und zu unterstützen, als schadenfroh Filme zu drehen und auf Facebook zu stellen.

Welchen Rat habt ihr an Menschen, die von einer Weltumsegelung träumen, und hundert „Aber“ im Kopf haben?
Tomy: Losfahren! Man muss sich schon vorbereiten, aber dann auch losfahren. Unterwegs trifft man viele Leute, die keine Profis sind, kaum Erfahrung haben, teils mit beschränkten finanziellen Mitteln, auf winzigen Schiffen, manche Einhand oder auch mit zwei bis vier kleinen Kindern unterwegs sind und den Atlantik überqueren oder gar um Kap Horn fahren – da werden die eigenen Bedenken schnell klein!
Steffi: Bevor wir losfuhren, hatte ich eine genaue Vorstellung davon, wie eine Weltumsegelung auszusehen hat: Man kratzt genug Geld und Zeit zusammen, fährt im Mai, Juni in Europa los, spätestens im August über die Biskaya, im November in die Karibik, man kann Abstecher nach Gambia machen, aber im Großen und Ganzen ist man dann drei oder mehr Jahre unterwegs, kommt höchstens einmal dazwischen heim… Da bekommen viele Bedenken!
Inzwischen weiß ich, dass es so viele Arten einer Weltumsegelung gibt, wie es Menschen gibt. Ich spreche daher auch lieber von einer WeltBEsegelung: Manche dingeln die Atlantikküste entlang, bleiben jahrelang in der Bretagne, andere sind erst mal im Sommer in den Rias und im Winter daheim, weil Kinder und alte Eltern – Ansprüche haben? Nein, geliebt werden! Manche zieht es dann doch ins Mittelmeer, andere auf die Kanaren, wo sie bleiben. Wieder andere, so wie wir, finden immer wieder Wege, um nach Hause zu fliegen. Es gibt auch die, die in einem Jahr um die Welt stürmen.  Die einen fahren ganz alleine, andere lassen ihre Frau oder die Familie immer wieder einfliegen, andere segeln als Paar. Es gibt auch “betreutes Segeln” (ARC) und die, die kein eigenes Boot haben, fahren per Anhalter. Manchmal ergibt sich erst unterwegs, was für dich richtig ist. Leg dich nicht fest: Wichtig ist nur das Loslassen des Alten, Vertrauten und auch das ruhig nach und nach. Mach einnfach den für dich ersten Schritt. Alles andere kommt von selbst. Einen schönen Beitrag dazu gibt es auf Fortgeblasen.

Saveiros im Sonnenuntergang

Saveiros im Sonnenuntergang

Was inspiriert euch zu der Reise und der Route?
Tomy: Bücher, Erzählungen, da ist der Wunsch gereift, mit eigenen Mitteln, also mit dem Schiff aus eigener Kraft Orte zu erreichen, von denen ich gelesen habe.
Steffi: Ähm, zu segeln? Tomy. Ich muss nicht aus eigener Kraft irgendwohin, das weiter als einen Tagesmarsch auf eigenen Füßen entfernt ist. Ich nehme gerne den Bus, das Auto oder ein Flugzeug.
Aber ja, irgendwohin zu gelangen, wo „normale“ Touristen nicht hinkommen, hat bei beidem, Wandern und Segeln, seinen Reiz. Wohin genau es gehen soll, das lese ich in Büchern oder auf Reise- und Segelblogs oder durch Gespräche mit anderen Abenteurern

Traumbucht im Channel: Sark

Traumbucht im Channel: Sark

Was sind die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände an Bord?
Tomy: Windsteueranlage, AIS, Funk, eigene Stromversorgung
Steffi: Außer Segeln, einem Bett und einer Kochgelegenheit? Motor, Windsteueranlage und AIS. Und natürlich das Modem und die WLan Verstärker Antenne!

Hattet ihr schon mal Angst an Bord? Wie seid ihr damit umgegangen?
Tomy: Nein
Steffi: Regelmäßig, wenn Tomy an Deck rumtanzt! Ich weiß, dass ich, wir Hier und Jetzt sicher sind. Das ermöglicht mir, nicht die Nerven zu verlieren. Aber nein, richtig Angst hatte ich noch nie.

Wohin wollt ihr als Nächstes und was ist euer langfristiges Ziel?
Tomy: Im Herbst nach F. Guyana, Surinam und die Karibik, und jetzt gerade: Mücken töten. Langfristig? Weiß ich nicht, möglicherweise zurück nach Europa. Das wird dann in der Karibik entschieden.
Steffi: Ich bin immer zwischen Fern- und Heimweh hin- und hergerissen. Ich möchte in die Karibik, nach Kolumbien, Kuna Yala, Guatemala, vielleicht Kuba; Ich will nach Vancouver und dort segeln; Ich will aber auch nach Afrika, eine Safari machen. Und zurück nach Europa, in die Rias, nach England, da werde ich dann spätestens segeln lernen; durch den Caledonian Canal, den Götha Kanal, also in die Ostsee, die Donau bis ins Schwarze Meer, oder noch besser, auf die Wolga. Ich will vor der Einschulung unseres ältesten Enkelkindes zurück sein und mit ihm einen Sommer auf dem Boot verbringen. Viele Sommer und nicht nur mit ihm. Und mit dem Flugzeug reisen… Und Nähen, nähen, nähen. Unkraut jäten, mit meinen Kindern plaudern und den Engelskindern beim Wachsen zusehen.
Ach so, es waren die Pläne gefragt: Die werden den jeweiligen Gegebenheiten angepasst. Wunder warten an jeder Ecke!

Und was sagt Gustav dazu?Gustav-0373

Bei der Begleitung? Das Schwein von Welt schweigt und genießt!

 

Danke dir, lieber Leser, dass du uns in den vergangenen zwei Jahren immer wieder auf dem Blog besucht hast. Bitte bleibe uns die nächsten Jahre treu! Wir freuen uns auch immer über Fragen, Kommentare oder einem “Like” der Facebookseite. Bis bald!

 

Oficina Brennand, Recife

26. Mai 2016
von Steffi
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Die Brennand Museen: Genies oder Wahnsinnige?

Hast du schon jemals den Namen Brennand gehört? Francisco Brennand? Ricardo Brennand? Nein?
Du hast etwas versäumt!

1820 kam der Gründer der Dynastie, der Ingenieur Edward Brennand, nach Brasilien um am Eisenbahnnetz zu arbeiten und blieb. In den folgenden zwei Jahrhunderderten entwickelten sich die Brennands zu einer der reichsten Familien Brasiliens. Heute versorgen sie das Land mit Energie, Zement und anderen Baustoffen und mit –
Kunst, Kultur und nationaler Identität.

Francisco ist der Künstler, Ricardo der Sammler, beide Cousins und 1927 geboren. Beide Genies und Wahnsinnige zugleich.

Francisco interessierte sich für Literatur, wandte sich dann der Malerei zu und hielt nicht viel von Keramik, die er nur als praktisch ansah. Erst als er in Europa auf die Arbeiten Picassos, Gaudis und anderer Künstler traf, wandte er sich dem Ton zu. Da kam es gerade recht, dass der Vater eine Ziegelei und Keramikfabrik hatte, verfallen zwar, doch Francisco baute sie wieder auf. Und machte einen verwunschenen Ort daraus: Mit hunderten Skulpturen, Alleen von Tonvögeln, Springbrunnen und Wasserflächen. Er muss ein Besessener sein, nicht nur was die Anzahl seiner Werke, viele zwischen 1980 und 2005 entstanden, betrifft, sondern auch ihr Aussehen betreffend:  Seine Männer haben Riesenbrüste, er hat eine Vorliebe für runde Frauenhintern, und doch sehen seine Frauenfiguren eher phallisch aus. Vogelhälse winden sich wie Würmer oder Penise, Münder öffnen sich zum stillen Schrei.

Ich mache mir ernsthaft Gedanken über sein Kindheitstrauma.

Andrerseits: Der Mann steht kurz vor seinem 90. Geburtstag und wird der Welt einst einen Zaubergarten wie Niki Sankt Phalle hinterlassen. Nur in den Farben der Erde. Und relativ unbekannt. Es lebe sein Trauma!

Ricardo, sein Cousin muss an einem Trauma einer anderen Art leiden. Mit 12 bekam er sein erstes Taschenmesser geschenkt und sammelte von da an Blank- oder Handwaffen. Also Waffen, die ihre Wirksamkeit durch Muskelkraft entfalten im Kampf Mann gegen Mann. Seine Sammlung ist eine der größten der Welt, umfasst mittelalterliche Rüstungen, asiatische Dolche und eine beeindruckende Sammlung von Taschenmessern, das größte davon gute 15 cm breit!

Instituto Ricardo Brennand - O Castello, Recife

Rüstungen

Instituto Ricardo Brennand - O Castello, Recife

Taschenmesser

Um diese Sammlung auszustellen, baute er 2002 ein Schloss im Tudorstil. Genau, in Brasilien. Wenn das nicht genial wahnsinnig ist…

Zu allem Überfluss werden in dem Schloss nicht nur Waffen und Rüstungen ausgestellt, nein, die Wände zieren alte und neue Bilder von mehr oder weniger angezogenen Damen in verschiedenen Epochen.

Instituto Ricardo Brennand - O Castello, Recife

Waffen- und Bildersammlung

Es hat etwas von einem Gruselkabinett, aber eines, in dem du den Mund vor Staunen nicht mehr zubekommst!

Wenn du sein Museum besuchst, wirst du erst mal von einer riesigen Kopie von Michelangelos David begrüßt. Im Gebäude dahinter findest du das bunteste Sammelsurium an Gemälden, die dir je außerhalb des Wohnzimmers deiner Urgoßmutter begegnet sind: Blumen neben Landschaften neben nackten Frauen, neben angezogenen Frauen, neben abstrakten Blumen, Gärten und Schiffen. Das musst du gesehen haben!

Instituto Ricardo Brennand, Recife

David vorm Schloss

Instituto Ricardo Brennand, Recife

Bildersammelsurium – durch die Glasplatten davor konnte ich leider nicht den ganzen Umfang der Sammlung fotografieren…

In einem weiteren schlossartigen Gebäude ist der Kern der Kunstsammlung untergebracht, die Bilder des holländischen Malers Frans Post. Sie zeigen Brasilien in historischen Ansichten. Ergänzt wird diese Sammlung von anderen Bildern und Artefakten aus der Zeit, in der die Holländer in Brasilien Fuß fassen wollten, aber auch von alten Ansichten Rio de Janeiros (war noch Anfang des letzten Jahrhunderts ein Dorf!), Wandteppichen und anderen Objekten. Insofern ist ein Besuch dieses Museums für Brasilianer ein Muss! Geschichtsunterricht pur, auch für Fremde!

Ricardo, auch er lebt noch, hat außerdem eine Vorliebe für barbusige Frauenstatuen und allem, was er so in die Sammlerfinger bekam. Wirklich beeindruckt, weil ich so etwas noch nie vorher gesehen habe, war ich von einer chinesischen Schnitzerei: ein Buddhagarten aus dem Stoßzahn eines Mammuts mit feinsten Details.

Instituto Ricardo Brennand, Recife

Geschnitzt aus einem Mammutzahn

Instituto Ricardo Brennand, Recife

In einem Punkt allerdings sind die Cousins von allen guten Geistern verlassen: Die Museen liegen im gleichen Waldgebiet, nur durch einen Fluss getrennt, etwa zwei Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Von dem einen zum anderen zu spazieren oder mit einem kleinen Bähnchen zu fahren, wäre eine wunderbare Möglichkeit auch gleich die Natur zu genießen. Ich könnte mir unterwegs noch einen Spielplatz vorstellen, ein Kaffeehaus oder einen kleinen Tierpark…

Aber nein, es fehlt eine Brücke. Wohl auch zwischen den beiden. So liegen mindestens 10 km Fahrt mit dem Taxi dazwischen. Und unterschiedliche Öffnungszeiten.

Oficina Francisco Brennand, Recife

Es gab durchaus mal eine Brücke…

Aber vielleicht denke ich einfach zu europäisch…

Eines ist sicher, sowohl die Oficina Brennand als auch das Instituto Ricardo Brennand hinterlassen einen unvergesslichen Eindruck! Oder was meinst du?

INFO Brennand Museen

Anfahrt mit dem Bus von Olinda nach CDU (Universität) oder von Recife nach Varzea. Den Schaffner nach der Haltestelle zum Aussteigen fragen, Instituto Brennand oder O Castello verstehen sie. Dort ein Taxi finden, das zum Eingang bringt. Jeweils mit Taxi hin- und herfahren.
Keramik Werkstätte und Garten Oficina Brennand hat von 8:00 (wochentags) oder 10:00 (Wochenende) bis 17:00 geöffnet, Eintritt 15 Reals, Kaffeehaus
Kunstsammlung Instituto Ricardo Brennand nachmittags von 13:00 bis 17:00 Uhr, Eintritt 25 Reals, Kaffeehaus und Restaurant vor Ort
Beide MONTAGS geschlossen

Dieser Beitrag ist einer von dreien, in denen ich von Recife und Olinda berichte. Sie entstanden außerdem im Rahmen unseres Aufenthaltes in Jacare und Joao Pessoa.

Olinda, Sao Bento, Bonfim, Pernambuco -

22. Mai 2016
von Steffi
2 Kommentare

Oh, linda! Olinda – lohnt sich ein Besuch der schönen Stadt?

„Oh, linda!“ soll der Stadtgründer ausgerufen haben, als er den Ort sah, an dem Olinda entstand. „Welch‘ schöner Platz um eine Stadt zu gründen!“

Ich bezweifle das: Damals, 1535, waren hier mit Atlantischem Regenwald bewachsene Berge – sicherlich wunderschön, aber auch ziemlich unübersichtlich. Zumindest von oben.

Und von oben hat man den besten Ausblick auf die unzweifelhaft schöne Stadt. Von ganz oben. Von der Caixa d’Agua. Dem Wasserturm. Besser übersetzt: Dem Wasserkasten.

Es ist mit Abstand das hässlichste Gebäude in der Altstadt von Olinda. Es ist so unglaublich hässlich und so entsetzlich fehl am Platz, dass ich darüber ausführlich schreiben muss: Dieses Gebäude schmerzt in meinen Augen!

Aber gemach, gemach – noch sind wir gerade erst angekommen. Sebastian, unser Gastgeber begrüßt uns mit einem fröhlichen „Servus“: Er kommt aus Wien. Da hab ich mal wieder einfach so und rein zufällig die richtige Unterkunft gebucht. Mir gefielen die bunt-fröhlichen Fotos auf der Website – es sah nach einem Ort aus, an dem wir uns wohlfühlen würden.

Und so war es dann auch.

Sebastian kam noch vor der Matura zum ersten Mal nach Brasilien, schlug sich im altersschwachen öffentlichen Bus gemeinsam mit Hühnern und ohne Sprachkenntnisse bis nach Olinda durch. Das gefiel ihm, es schmeckte nach Abenteuer.
Wieder daheim, lag der Vater dem Sohn in den Ohren: „Du musst deinen Weg finden!“
Sebastian erzitterte.
Instinktiv spürte er wohl, dass der Vater in dem Satz ein d mit einem m verwechselt hatte…
Er machte Matura, lernte Tischler, übte Cello, besuchte die Hotelfachschule und flog immer wieder nach Brasilien. Und eines Tages blieb er. Heute ist er Musiker und Gastgeber.
Ich behaupte, er hat seinen Weg gefunden!

Während wir nett mit Sebastian plauderen, Luni, die Straßenhündin, die mit seiner Familie ein Rudel gefunden hat, streicheln und mit seiner entzückenden Tochter „Drei gewinnt“ spielen, verwöhnt uns seine Frau mit dem besten Frühstück Brasiliens, all das mit traumhaften Blick über Olinda und Recife.

Dermaßen gestärkt machen wir uns auf den Weg, die Schöne zu erkunden, erst mal hinauf zur Praca da Se und zur Kirche des Bischofssitzes. Auf dem Platz davor tummeln sich die Souvenierverkäufer und die Tapioca Bäckerinnen. Tapioca sind so etwas wie Palatschinken oder Crepes aus Maniokmehl, kann süß gefüllt mit Früchten oder salzig, gefüllt mit Gemüse oder Käse gegessen werden. Sie gelten als Spezialität Olindas und sind lecker.

Auf der Praca da Se, links davon und nicht mehr im Bild der Kasten

Auf der Praca da Se, links davon und nicht mehr im Bild der Kasten

Und darüber wacht der Wasserkasten.

Schon 1936 entstand dieses Monstrum, wobei sein Architekt in einem Atemzug mit Le Corbusier und Oskar Niemeyer genannt wird. Das macht ihn nicht schöner. Von außen ist er mit sogenannten Cobegos verziert. Das sind quadratische Elemente aus Keramik oder Beton zum Bau von Wänden, die Luft und Licht durchlassen. Sie kommen aus Pernambuco, dem Bundestaat in dem Olinda liegt, finden aber in ganz Brasilien Einsatz. Gekonnt eingesetzt, in einem Set von – sagen wir vier bis zehn Stück, oder sogar als Zaun oder Trennwand können sie durchaus den Eindruck von feiner Spitze erwecken – ja, so könnten sie sogar schön sein.

Dieses Bild kursiert im Internet, ich kann den Urheber nicht herausfinden

Nur werden sie meist dazu verwendet, Trennwände oder direkt Kuben oder Quader zu bauen.
Kästen eben, einer Caixa do Isopor, jenen Kisten aus Styropor, in denen hier oft Getränke gekühlt werden, nicht unähnlich.
Und jetzt seht selbst:

Olinda, Caixa d'Agua

Olinda, Caixa d’Agua – hässlicher geht es kaum

Der Rest des historischen Olindas, Weltkulturerbe, besteht aus unzähligen Gassen mit bunten Häuschen im Kolonialstil und einer Menge barocker Kirchen. Die meisten Häuser sind renoviert, viele auch mit tollen Grafitti oder Wandbildern geschmückt. Ich fotografiere jedes Einzelne, da Joanna von der Chulugi mich beauftragt hat, kunsthistorische Fotos zu machen: Nun, in meinen Augen sind diese Murals Kunst, und historisch sind sie, weil sie nicht lang halten ;-) . Außerdem ist in Olinda der Übergang zwischen Kunst und Vandalismus fließend.

Graffiti in Olinda

Kunst und Vandalismus nebeneinander

Mich stören die beschmierten Wände allerdings weniger als der Müll: Die Wände bleiben in der Stadt, der Abfall endet im Meer. Nicht nur dass der Park der Misericordia-Kirche eher einer Gstätten, einem vernachlässigten Stück Land, gleicht, nein der Abfall liegt dort überall verteilt, die Treppen hinauf, vor der Türschwelle der Kirche. Ja, der liegt auch in meinem geliebten Salvador – aber nicht vor Bonfim, nicht in den Parks, nicht in Barra oder Rio Vermelho. Nicht dort, wo sich die Stadt der Welt präsentiert. Ich begreife einfach nicht, wie Menschen ihre Stadt einerseits so schmücken und auf der anderen Seite die öffentlichen Flächen verdrecken und verkommen lassen! Kann mir das mal einer erklären?

(Siehst du Joanna, auch ich finde mal ein Haar in der Suppe!)

Viele der Häuser zieren die riesigen Puppen, die im berühmten Karneval von Olinda und Recife durch die Straßen getragen werden. Ja, richtig gelesen: Berühmt. Der Karneval von Recife wird in Brasilien gemeinsam mit dem in Rio oder Salvador genannt. Es gibt auch einen eigenen Tanz, den Frevo, ursprünglich auch ein Kampftanz mit Elementen des Capoeira. Früher wurde er mit großen, schwarzen Schirmen getanzt, die sich auch als Waffe verwenden ließen. Heute drehen und schwenken die Tänzer bunte Schirmchen. Sie dienen auch außerhalb der Karnevalszeit quasi als Logo von Olinda.

Wir schlendern durch die bunten Gassen, lassen uns von allerlei schmucken Häusern und bunten Gärten verzaubern. Das historische Zentrum Olindas lebt, anders als das Pelourinho in Salvador: Hier leben Menschen, hier wachsen Bäume, hier gehen Kinder in die Schule, studieren junge Leute und alte ziehen jeden Freitag ab zehn Uhr abends musizierend von einer Kirche zur anderen.
Sie sind irgendwie rührend.
Und jetzt verrate ich dir ein Geheimnis: Tomy übt Ukulele spielen. Ich habe ihm vorgeschlagen, er sollte die Gruppe fragen, ob er mitspielen darf: Happy Birthday kann er, wenn er das immer wieder wiederholt, so fiele sein Mitspielen gar nicht auf…

Den Sundowner am nächsten Abend verbringen wir in einer unspektakulären Bar etwas unterhalb des Bischofsitzes mit Blick auf Recife. Neben uns sitzen drei Musiker, die angenehm leise auf ihren Gitarren klimpern und dazu singen. Sie laden uns ein mitzusingen, doch wir kennen die Texte nicht. Außerdem spielt Tomy weitaus besser Ukulele, als er singt. Später erzählt uns Sebastian von der jeden zweiten Mittwoch stattfindenden Chora de Roda, einer Art Kreissingen: Jeder fällt mal ein, spielt ein Lied an, alle singen mit, denn die Lieder sind bekannt. Gemeinsam musizieren, in kleinem Kreis, nicht für die Touristen, sondern weil es Spaß macht – auch das ist Leben!Olinda-0776

Die Menschen sind von natürlicher Offenheit. Sie erkennen selbstverständlich sofort, dass wir Ausländer sind, fragen woher wir kommen, rufen zur Antwort „Alles klar“, weisen uns ungefragt den Weg, vertreiben Bettler, setzen uns in den richtigen Bus und zeigen uns, wo wir austeigen müssen.

Ich mag auch die Schwingung des Ortes: Wir können abends flanieren, es gibt ruhige Gassen und solche mit Bars und Musik, wir fühlen uns sicher. Apropos Musik: Am Samstag werden wir mit Trommeln beschallt: Von unten und von oben, die ganze Nacht bis vier Uhr früh. Am Sonntag verstummen sie um zehn Uhr abends, es folgt Totenstille bis der Bem-te-vi und andere gefiederte Sänger uns sanft aufwecken.

Okay, der Hahn nebenan war noch etwas früher.

Dann folgen die Kirchenglocken und die klingen… Wie daheim in den Alpen!

Sao Bento, Olinda

Sao Bento

Kühe gibt es keine, aber Pferde.Olinda-0920

Ja, Olinda, zwischen Pferdekarren und Luxuskarossen, zwischen bunten Häuschen und modernen Hochhäusern lohnt den Besuch, durchaus auf für ein paar Tage.

INFO Olinda

Anreise von Jacare/Joao Pessoa
Öffentlich
Mit dem Zug nach Joao Pessoa, zu Fuß zum gegenüberliegenden Rodoviaria, Busbahnhof, Busse nach Recife gehen halbstündlich von verschiedenen Busgesellschaften. In Abreu e Lima austeigen (sollte der erste Stop nach etwa eineinhalb Stunden Fahrzeit sein). Dort ein Taxi nach Olinda nehmen. Es gibt auch einen Bus.
Kosten: Bus nach Recife zwischen rund 28 und 32 Reals, zurück ist etwa 5 Reals preiswerter, weil die Busteiggebühr entfällt. Taxi von Abreu e Lima nach Olinda 50 bis 70 Reals. Fahrzeit insgesamt etwa drei Stunden.

Mietauto
Localiza ist ein guter Mietwagen-Anbieter in Brasilien, die Autos können online reserviert werden, nur portugisisich. Es gibt eine Niederlassung in Intermares, dort sind die Autos aber teils signifikant teurer als in Joao Pessoa.

Anreise von Recife
Mit dem Bus Richtung Rio Doce. Dem Schaffner bitten, vor der Haltestelle Bescheid zu sagen. Aber eigentlich ist die Haltstelle zu erkennen. Mietauto macht von Recife aus keinen Sinn, weil in Olinda ist es sinnlos bis hinderlich, wegen enger Gassen und fehlenden Parkplätzen.

Unterkunft:
Cama e Cafe Olinda

Ich erhalte von keiner der verlinkten Firmen irgendwlche Vergütung, sondern empfehle sie, weil ich sie aus persönlicher Erfahrung für gut halte.

Zugfriedhof in Joao Pessoa

17. Mai 2016
von Steffi
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Joao Pessoa – Hans Mensch

Salvador und Bahia verwöhnt. Wer dort war, tut sich schwer mit Joao Pessoa und Paraiba…

Dabei gibt es in Paraiba etwas, das in Brasilien Seltenheitswert hat: Eine Bahnlinie! Gut, es gibt auch eine in Salvador, es wird dort sogar eine neue gebaut, die Metro (nebenbei seit ca. 20 Jahren, doch seit Ende letzten Jahres fahren dort tatsächlich Züge.)

Wie auch immer – das brasilianische Schienennetz ist schlecht ausgebaut und hat einige strukturelle Probleme, zum Beispiel verschiedene Spurweiten. Umso erstaunlicher ist es, dass zwischen Cabedelo und Santa Rita auf 30km eine moderne Straßenbahn fährt, mit Klimaanlage und Ansage!

Eine. Nein, zwei.

Es fahren zwei Züge hin und her – ein moderner und ein Dinosaurier.

Hier fahren tatsächlich Züge

Hier fahren tatsächlich Züge

Nachdem wir schon ein wenig vertraut mit dem Fahrplan sind, passen wir den klimatisierten Zug ab, um nach Joao Pessoa, der Hauptstadt des Bundestaates Paraiba, zu fahren. 35 Minuten dauert die Fahrt, vorbei an weidenden Pferden, Kühen, Ziegen und Eselskarren. Die Hütten entlang der Bahnstrecke sind kaum von Müllsammelstellen, Müllverwertungsstellen oder einfach nur Müllhalden zu unterschieden.

Ich will es positiv als einen Versuch, des Plastikmülls Herr zu werden, sehen…

Noch etwas Seltenes gibt es in Joao Pessoa: Hinweisschilder für Touristen! Manche sind verbeult und verrostet, aber immerhin weisen sie uns zur wichtigsten Kirche hier, der San Antonio und dem Klosterkomplex Sao Francisco. Dort kommen wir sogar in den Genuss einer Führung, auf Portugiesisch natürlich. Trotzdem ist das nett, denn so kommen wir auch in die Sakristei und hinauf in den Chor. Außerdem ist die Kirche, mal abgesehen von den Fledermäusen, die darin wohnen, gut in Schuss. Sie beherbergt das örtliche Kulturzentrum, eine Galerie und ein kleines Museum für sakrale Kunst.Joao Pessoa-0427 Joao Pessoa-0399 Joao Pessoa-0423

Daneben befindet sich die viel schlichtere Kirche der Nossa Senhora das Neves, der Schutzheiligen der Stadt. Sie war auch ihre erste Namensgeberin: Unter den Franzosen hatte sie keinen Namen, die Portugiesen benannten sie nach der Schutzheiligen, die Holländer Frederica oder Frederikstaad, dann kamen wieder die Portugiesen und gaben ihr den indianischen Namen Pahrayba, und schließlich nach der Ermordung des Gouverneurs dessen Namen: Joao Pessoa, auf gut deutsch: Johann Person. Oder Hans Mensch. Max Mustermann. Thomas Müller. Man kann hier Mensch sein, Joao Pessoa gilt als sicher. Als östlichste Stadt Amerikas trägt die Stadt außerdem den Titel:

„Stadt, in der die Sonne zuerst aufgeht“

Irgendwie haben wir das Gefühl, sie geht eher unter: Von vielen der alten Häusern stehen nur mehr die Fronten, schwarz vor Schimmel. Ich brachte es nicht mal über mich, sie zu fotografieren. Viele Gebäude sind mit Schmierereien bedeckt, selbst die Kirchen. Die Altstadt ist allerdings hübsch, auch wenn ihr Potenzial als Touristenmagnet völlig flach liegt: Keine Kneipen, keine Galerien, keine Souvenirs. Stattdessen beherbergt es die Orthopädie- und Sanitätsgeschäfte der Stadt. Also, falls du hier mal einen Rollstuhl brauchst, weißt du jetzt, wo du ihn bekommst.

Die ALtstadt von Joao Pessoa

Die Altstadt von Joao Pessoa

Joao Pessoa-0388

Oben Graffiti oder Murals, an der Mauer links Schmiererei…

Im Zentrum herrscht reges Treiben: Fliegende Händler verkaufen Obst, meist Acerola und Pinha, es gibt viele Geschäfte und Einkaufszentren, auch die Regierungsgebäude sind sehr hübsch. Der Park davor ist nett und beherbergt einen faszinierenden Baum mit wunderschönen Blüten und großen Früchten, beides wächst direkt aus dem Stamm.

Regierungsgebäude in Joao Pessoa

Regierungsgebäude

Wer kennt diesen Baum?

Wer kennt diesen Baum?

Wir haben Hunger und Durst und suchen ein Restaurant. Meine Ansprüche sind nicht hoch: Hell hätte ich es gerne, mit ganzen Plastikstühlen und sauberen Wänden. Wieso geben sich die Menschen hier mit einer dunklen Foodplaza im Einkaufszentrum und Kilorestaurants mit dem Charme einer Bahnhofswartehalle zufrieden? Ich beginne Anja von der Robusta zu verstehen, die genau das schon in Salvador störte. Dort kenn ich halt die Lokale, in denen es anders ist, das sind allerdings auch nicht die preiswerten Kilorestaurants.

Irgendwann werden wir fündig, das Essen ist gut, das Ambiente – hell ist es, die Stühle sind noch ganz und an der Wand hängt ein Foto von Elvis.

Ich spreche hier übrigens vom Zentrum zwischen Bahnhof und Stadtteich, nicht von den Randbezirken oder von den Stränden. Letztere müssen wir noch erkunden, vielleicht verliebe ich mich dann doch noch in den Hannes.

Der Rückweg führt wieder durch die Altstadt – und siehe da, ich finde doch noch zwei Schmankerln:

Das Haus der Freimaurerloge Weiße Tage, Dias Brancas, welches nicht nur mit esoterischen Symbolen geschmückt ist, nein auch zwei barbusige Sphinxen bewachen den Eingang. Die anderen barbusigen, anzüglichen Frauen finden wir in der Karmeliterkirche.

Eingang der Freimaurerloge in Joao Pessoa

Freimaurerloge Dias Brancas

Ich wäre gerne Mäuschen in den vergangenen Jahrhunderten um zu sehen, wer sich da gerne hinsetzt. Obwohl ich Pech haben könnte: Früher saßen die Frauen doch links in der Kirche, oder?

Wer hat sich daran erfreut?

Wer hat sich daran jeden Sonntag erfreut?

Warst du schon mal in Joao Pessoa? Wie hat es dir gefallen? Mischa und Jaqueline von der Sailor Moon gefiel es jedenfalls besser, wie du hier nachlesen kannst.

 

PS: Hab ich vor ein paar Tagen geschrieben – mittlerweile fährt der Zug nicht mehr bis Joao Pessoa. Irgendetwas ist kaputt. Man muss in Mandacru austeigen und mit dem Bus weiter…