Dagmar Aaen
Dagmar Aaen

5 Segel-Abenteurer, die du in Jacare treffen kannst

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Das Schönste an unserem Lebensstil sind die Menschen, die wir unterwegs treffen.
Das Traurigste sind die unweigerlichen Abschiede von ihnen, auch wenn wir immer von einem Wiedersehen ausgehen.

Anfangs fiel es mir sehr schwer, mich auf Jacare und die Seglergemeinde hier einzulassen: Die Marina liegt am Ende der Welt, die Segler hier leben in einer Yachtie-Blase – nichts von beiden hat mit meinem geliebten Brasilien zu tun! Und auch nicht viel von meiner Vorstellung von einem Abenteuer. Mein Abenteuer ist nicht deines, ich weiß…

Doch Abenteurer, echte und solche, die es werden wollen, treffen wir hier genug!

Franzosen

Die kennen nichts – die fahren überall hin. Es ist ihnen völlig egal, ob ihr Schiff einem segelnden Flohmarkt ähnelt, ob es Seekarten gibt, ob jemand ihre Sprache spricht, auch kümmern sie sich nicht um Nationalitäten- oder Gastlandflaggen – sie segeln überall hin, wo das Wasser tief genug sein könnte. Leider ist es schwierig, sich mit ihnen zu unterhalten, denn außer Französisch können die nichts. Dabei bin ich sicher, sie hätten jede Menge Tipps!

Die von Seint Hiliena kommen

Dachte ja immer, die Insel hieße St. Helena, also Seint Helena, so wie die Helen mit einem A am Schluss, aber Muttersprachler sprechen das anders. Jedenfalls, wer über St. Helena kommt, hat schon ein ganzes Stück der Weltmeere gesehen:

MINNIE B war jahrelang unterwegs, unter anderem über New York hinauf bis Kanada. Jetzt sind sie auf dem Weg in die Karibik, um mal langsam zu machen.

Michael war sechs Jahre Einhand unterwegs, auch er ist auf dem Weg über die Karibik nach Hause. Im Juli 2017, so hat er seiner Frau versprochen, ist er wieder daheim.

Die Crew der INISH kommt aus Hoorn, auch sie waren jahrelang unterwegs. Sie mussten lang ein Südafrika pausieren, weil ihr Mast kurz nach Simonstown brach. Im Moment sind sie in Europa, im Herbst wollen sie in die Karibik – und dann wieder in die geliebte Irische See. Die beiden sehen wir also vielleicht wieder.

Meistens wollen übrigens die Frauen endlich nach Hause zu ihren Enkelkindern.

Die Unangenehmen und die Unscheinbaren

An einen der Grill-Abende traf ich auf einen Segler, dessen Horizont sich nicht erweitert: Die Menschen sind Bestien, bumsen die Erde zu Tode, die Überbevölkerung ist die Ursache allen Übels, oder waren es doch die faulen Afrikaner und Araber? Genug Geld zum Leben soll nur der haben, der auch in seine Ausbildung investiert hat und wenn es für ihn keine Arbeit gibt – selber Schuld. Gelebt und gearbeitet habe er schon überall auf der Welt und überall ist es das Gleiche – ich solle ihm doch glauben. Ich glaube ja! Nämlich dass er am liebsten die Hälfte der Erdbevölkerung verrecken lassen würde. Als ich andeutete, dass in Europa Tonnen von Lebensmittel, vernichtet werden, bevor sie überhaupt den Verbraucher erreichen, glaubte er mir nicht…

Es gibt mehr von seiner Sorte, normalerweise treffe ich nicht auf sie – hie und da zwickt das Krokodil doch noch, ich fühle mich hier immer noch nicht rundum wohl und dann kann so etwas schon mal passieren.

Andere wieder, so wie unseren Nachbarn, merken wir gar nicht: Morgens trainiert er im Fitnessraum und den Rest des Tages repariert er sein Schiff. Es ist übrigens ein Russe und spricht nur wenig Englisch.

Edward, der ein Schiff nach Europa überführen soll, freut sich hingegen immer, wenn er mit uns ein paar Worte Deutsch sprechen kann. Er kommt aus Uruguay, hat aber auch österreichische und holländische Vorfahren, unter anderem natürlich.

Familien mit (kleinen) Kindern

In den ersten Wochen hier war Jacare ein Kinderparadies:

Die beiden Cousins Gabriel und Gabriela wachsen hier auf. Sie entern gerne mal die Schiffe und rauben sie aus…
Sie haben Hausrecht – und ein Pool, in dem sich alle Kinder tummeln.

Die Piraten

Vor diesen beiden Piraten ist keine Beute sicher!

Fast alle: Tiara ist zu klein, sie ist erst drei Monate alt. Dafür turnt ihre große Schwester wie ein Affe in der Takelage ihres Schiffes herum, ebenso der Bruder. Ihre Eltern kommen aus Mexiko, haben deutsche, französische und slawische Wurzeln und sind schon jahrelang unterwegs. Sie sind sehr entspannt. Ihr Schiff, RUSALKA OF THE SEAS, lag zehn Monate hier. Vor ein paar Tagen legten sie ab, Richtung Heimat. Und das sah so aus:
Der Vater am Ruder, die Mutter vorne um die Festmacher einzuholen. Uma, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, am Mastfuß zwischen Dinghi und einer festgezurrten Kiste sitzend, hielt das Baby fest, Palli, noch keine fünf Jahre alt, holte die Spring ein: Konzentriert zog er das bestimmt vier Zentimeter dicke Tau nach und nach an Bord.

Abschied von der Rusalka of the Seas

Abschied von der Rusalka of the Seas

Auch die EVITA mit drei Kindern an Bord, das älteste vielleicht dreizehn, legte vor ein paar Tagen Richtung Azoren und in weiterer Folge Spanien (Mutter) oder England (Vater) ab. Nach drei Jahren auf See sollen die Kinder wieder in eine richtige Schule gehen, mit anderen Kindern und so. Übrigens auch eine sehr entspannte Crew! Ihr Blog ist auf Englisch, wird aber auch von den Kindern geschrieben, ist also vielleicht für Familien interessant.

Noch nicht so gut loslassen können die Eltern von Sophie und Erik, sie trauen ihren Kindern noch nicht so viel zu, haben noch nicht genug Vertrauen in das Leben. Gerade deshalb macht es Spaß zu sehen, wie der knapp vierjährige Junge, der anfangs die Hand der Mutter nicht los lies, immer selbstsicherer über den Steg läuft. Die Crew der MANGO wird von hier aus am Landweg Brasilien erkunden und in etwas sechs Wochen Richtung Karibik aufbrechen.
Ob wir die Familien wiedersehen werden? Es wäre schön!

Polarforscher

An einem dieser Tage hier, als Wolkenbruch auf Wolkenbruch folgte, nutzt Tomy einen kurzen trockenen Moment um etwas Brötchenähnliches fürs Frühstück zu holen. Das wird nämlich hier nachmittags gebacken. Ein altes, großes Holzschiff hätte angelegt, ein deutsches.

„Welcher Verrückte fährt mit einem alten Holzboot über die Meere!“, schießt es mir durch den Kopf.
Der Verrückte stellt sich abends bei dem schon erwähnten Grill-Event vor, Arved hieße er…

Nun, so viele deutsche Arveds mit altem Schiff gibt es ja nicht auf der Welt – da hatte also tatsächlich ein Pionier der Polarforschung, ein echter Abenteurer, ein harter Hund, eben ein Ver-Rückter an unserm Steg festgemacht!

Jacare-0949

Polarforscher und Warmduscher

Und er ist dabei so etwas von erfrischend normal!

Am nächsten Tag scheint die Sonne und wir können die DAGMAR AAEN, einen alten dänischen Haifischkutter, der für den extremen Einsatz in kalten und stürmischen Gewässern umgebaut wurde, besichtigen.

Ganz schön beeindruckend!

Drei Eingänge in den Bauch des Schiffes gibt es, in alle drei führen steile Treppen. Vorne, dort wo früher die Fischer schliefen, sind immer noch vier Kojen, besser Wandschränke mit Türen. Beim Gedanken daran, darin schlafen zu müssen, bekomme ich akute Atemnot…
Der Ofen, der in dem Raum steht, hält ihn zwar sicher muckelig warm, verstärkt aber mein Gefühl der Enge…

In der Mitte, dort wo früher die Fische gelagert wurden, sind weitere Einbauschlafschränke, der Aufenthaltsraum und die Kombüse.

Hinten ist die Navi-Ecke, ausgestattet mit modernster Elektronik und einigen Bildschirmen. Dahinter ist der Motorraum mit Wassermacher, zwei Generatoren, dem Motor und den Tanks.
In diese Tanks passen über 4000 l Diesel.

2000 müssen getankt werden – in Jacare, wo es keine Tankstelle gibt. Nur einen Lieferservice.
Der stellt 100 Kanister an den Steg.

Die Crew ist nicht amüsiert: 100 Kanister wollen erst mal zum Schiff geschleppt werden! Und müssen dann einzeln in die Tanks gefüllt werden.

Und siehe da, da kann die kleine, wärmeliebende und vergleichsweise gar nicht mutige YEMANJA der großen DAGMAR helfen:

Tomy hat nämlich eine Onanier-Pumpe. Richtig gelesen. Die daran angeschlossenen Schläuche werden in den Tank und den Kanister gesteckt. Dann wird die Pumpe durch die entsprechende Handbewegung angeworfen: Sobald der Diesel rinnt, läuft er von alleine in den Tank, nur der letzte Rest muss per Hand und Trichter umgefüllt werden.

Damit ist die Crew ein paar Stunden schneller, einen ganzen Tag braucht sie trotzdem, bis die Tanks der Dagmar Aaen wieder gefüllt sind.

Und dann legt sie auch ab, zu den Azoren, nach Brest und zurück nach Deutschland. Ein Wiedersehen is fraglich – oder vielleicht bei einem Von Arved Fuchs’ Vorträgen?

Dagmar Aaen und Yemanja - Polarforscher und Warmduscher an einem Steg

Dagmar Aaen und Yemanja

 

Und dann sind da noch solche wie wir – in welche Abenteurer-Schublade würden uns wohl andere Segler stecken? Rentner auf  Tour?

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