San Antonio

31. Oktober 2014
von Steffi
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Teneguia – Puder, Schlacke und Felsen

Ich hab euch in Facebook ein wenig an der Nase herumgeführt. Die Spanier haben nämlich eine Vorliebe dafür, Örtlichkeiten nach Palmen zu benennen – und übrigens auch nach heiligen Kreuzen, Santa Cruz. Wenn frau da nicht ganz genau ist, etwas weglässt, oder auch statt „in“ „auf“ schreibt…

Ich könnte auch sagen, ich wollte mal sehen, wer den Blog so aller liest!

Also wir sind in Santa Cruz de La Palma, nicht wundersamerweise quasi über Nacht in Palma de Mallorca, und nein, auch nicht im derzeitigen Mittelpunkt der Fahrtenseglerwelt in Las Palmas auf Gran Canaria. Dort geht bald die ARC los, dort tummeln sich die Barfußroutler, Langzeitaussteiger, und Nie-Wegsegler, in, wie wir hören, bunter Weise. Die Stimmung muss großartig sein, doch wir genießen die Ruhe auf La Palma.

Bunt sind hier nur die Häuser. Santa Cruz, die Hauptstadt, mit dreizehneinhalb tausend Einwohnern wirkt von See aus niedlich. Zwar besteht sie auf den ersten Blick aus quaderförmigen Mehrfamilienhäusern mit vielleicht 6 oder 7 Stockwerken – also nichts für spanische Verhältnisse – doch die Farbe macht sie fröhlich! Unwiderstehlichen Charme entfaltet Santa Cruz dann beim Flanieren durch die alten Gassen.

Santa Cruz de La Palma

Santa Cruz de La Palma

Einst zählte diese Stadt gemeinsam mit Antwerpen und Sevilla zu den drei großen spanischen Häfen, die Handel mit den Kolonien betreiben durfte. So spazieren wir staunend über das Kopfsteinpflaster und bewundern die reichverzierten Holzbalkone, die Alkoven, den kolonialen Charme dieses Ortes. Hübsch ist er, südlich warm und ruhig, zumindest jetzt Ende Oktober. Es ist ein Ort zum Verweilen, zum Genießen.

LP Santa Kirche LP Santa Cruz LP Santa 2

Wir mieten ein Auto für 9 Tage um 219 Euro, inklusive Versicherung, Klimaanlage und Navi. Wir sind uns nicht sicher, wofür wir letzteres brauchen: Diese Insel ist sehr überschaubar! Aber wer weiß, welche Geheimnisse sie noch birgt?

Am blauen Himmel ziehen erste Wolken auf, hängen sich in den Bergen fest: Dort wandern wird heute nicht viel Sinn machen, also fahren wir in den Süden. Ich hoffe, dass die Wolken von den hohen Bergen im Norden aufgehalten werden.

Gewundene Straßen und enge Kurven schlängeln sich an den steilen Hängen entlang. La Palma wirkt runder und vulkanischer als Madeira, vielleicht weil hier überall schwarze Lavaasche durchschimmert. Uns begeistern die Häuser: Rein weiß sind nur wenige, wer auf La Palma einen Farbtopf in die Finger bekommt, malt damit sein Haus an: manchmal nur mit ein paar Ornamenten unter den Fenstern, manchmal als bunte Absätze um die Fenster, Türen und an den Ecken und Kanten, doch meistens gleich das ganze Haus, in sanften pudrigen Farben, in allen Schattierungen von zartgelb, über gesättigtes Ocker bis hin zu tief gebrannter Siena, mit Ausbrüchen zu grellem Orange, aber auch in allen rosa Tönen, von Haut bis Magenta, Zartlila und Veilchenfarben, sanften oder auch einem kräftigen, dunkeln Grün, hervorgehoben und betont durch die Häuser in Blau…
Davor und rundherum liegen die schönsten Sukkulenten Gärten mit all jenen Pflanzen, die Hitze und wenig Wasser lieben oder zumindest aushalten.

Meine Hoffnung erfüllt sich: in Los Canarios scheint die Sonne! Wir ziehen die Wanderschuhe an, um die jüngste Landschaft Spaniens zu erkunden! Erst geht es durch das Besucherzentrum auf den Vulkan San Antonio, der bei dem Ausbruch 1677 entstand. In seiner Caldera, der eingestürzten Kratermitte, wachsen Kiefern mit birkengrünen Nadeln. Oben schweift der Blick nach Nordwest über Weinberge und Bananenplantagen auf Lavafeldern hinauf nach Tazacorte. Im Süden liegt eine bizarre, dunkelgraue und unwirtliche Vulkanlandschaft vor uns: Der jüngste Vulkan der Insel, der Teneguia, entstand bei einem Ausbruch 1971.

Kiefern in der Caldera des Vulkans San Antonio

Kiefern in der Caldera des Vulkans San Antonio

Dorthin wollen wir als Nächstes. Der steile Weg bergab über Vulkanasche ist anstrengend, wir geben schnell auf und fahren mit dem Auto etwas näher heran. Jetzt können wir gemütlich zwischen den herbstlich roten Weinbergen wandern. Und was für Weinberge! Malvasia, aus Kreta stammend, ist es, der hier auf der Erde kriechend wächst. Die Ernte, gebückt in der rutschigen Vulkanasche stehend muss fürchterlich anstrengend und frustrierend mager sein!

kriechender Wein

Kriechender Wein

Bald schon wächst nur mehr wenig: ein paar kleine Drachenbäume, niedriges ledriges Gestrüpp, ein paar Flechten, dazwischen wie hingeworfen Rosetten von Hauswurz. Lava ist fruchtbar, doch die Hänge sind steil, das Wasser läuft davon…

Hauswurz

Hauswurz

Und dann erstreckt sich vor uns nur mehr ein Lavafeld, wie kürzlich erkaltet, nichts wächst mehr, nicht mal Flechten sind da. Der Weg hinauf auf den Teneguia ist kaum erkennbar. Tomy hebt einen kleinen Brocken auf, porös und glasig ist er, und überraschend leicht!

Bald wissen wir nicht mehr weiter: Da sind doch eben Leute hochgegangen! Aber wie? Ich erkenne links einen Weg, schreite forsch voran – und wäre fast in einem Abgrund gestürzt! Plötzlich geht es vor mir senkrecht in die Tiefe! Ich bin verwirrt – ich stehe doch eindeutig auf einem Weg!
Tomy geht rechts weiter, dort endet der Pfad an schroffen Felsen, über die wir wohl klettern müssen – diesmal geht es rechts steil bergab.
Nein, wir haben keine Lust auf Kraxelei über einen schmalen Grat! Wir kehren um. Schade!

Beim Zurückblicken beobachten wir die Wanderer die von der Spitze zurückkommen: Alle suchen mehr oder weniger verzweifelt nach dem besten Weg nach unten… Und noch etwas erkenne ich: Die Stelle, an der ich fast in die Tiefe gestürzt wäre, ist abgerutscht, die Abbruchkante noch frisch. Und darunter klaffen bereits neue Spalten…

Der Vulkan Teneguia entstand 1971

Der Vulkan Teneguia entstand 1971

Später lese ich nochmal die Beschreibung der Wanderung: Von einer Kletterpartie über einen Grat ist nicht die Rede, der ursprüngliche Weg muss tatsächlich erst vor Kurzem abgerutscht sein!

Zum Abendessen verzehren wir köstliche Tapas, ich schreibe noch schnell den Bericht – ha, schön wäre es, das dauert! Um Mitternacht fallen wir beide müde ins Bett und hoffen, dass wir die laufenden Motoren der Fähren ausblenden können…

29. Oktober 2014
von Steffi
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Licht und Schatten – Kanaren, wir kommen!

Nach einem Monat auf Madeira wird es Zeit Abschied zu nehmen von dieser bezaubernden Insel, von guten Freunden und den Mitarbeitern der Marina Quinta do Lorde: Danke, schön, wir haben uns hier rundherum wohl gefühlt!

Ein strahlend blauer Himmel lässt Tomy erahnen, welches Panorama sich unter den Wolken am Pico Ruivo verbarg – vom Meer aus gesehen ist der Blick heute frei auf die Berge. Langsam versinkt der wilde östliche Zipfel Madeiras im Meer. Ebenso langsam aber sicher trübt sich der Himmel. Bald liegt eine bleierne, graue Schwere über uns. Die Zeit scheint still zu stehen, sie will nicht vergehen, sie ist träge und wir mit ihr. Das Meer ist ruhig, der Wind gerade genug, um ein wenig zu segeln. Doch die Schwere will nicht gehen.

Liegt es am Wetter? Daran, dass wir so lange nicht auf See waren? An der Jahreszeit? Im südlichen Herbst haben wir um drei Uhr nachmittags das Gefühl, es sei sieben am Abend: In Wahrheit überwiegt um sieben schon die Dunkelheit. Im Westen erhebt sich das sagenumwobene Atlantis aus der dunklen See: Ein schmaler Streifen oranger Sonnenstrahlen zwischen Schichten von dunklen Wolken erweckt den Anschein einer großen, hell erleuchteten Insel.

Die Nacht verläuft unspektakulär im gewohnter Manier: Ich wache von acht bis eins, dann ist Tomy dran. Er lässt mich bis sieben Uhr schlafen! Ein Stündchen will er sich noch vor dem Frühstück hinlegen, doch der Wind verlangt Handlung: Im Logbuch steht welche, ich weiß es nicht mehr! Zu oft haben wir in den vergangenen Stunden in der Hoffnung auf Wind die Segel gesetzt, eingeholt, festgezurrt, als Unterstützung für den Motor eingesetzt!

Sonnendurchflutete Wolken, schneeweiße Schäfchen vor verhangenen Himmel, sind es, die mir von diesem Morgen in Erinnerung bleiben.

Der zweite Tag auf See verläuft weniger träge, es mag die Sonne sein, die den Unterschied macht. Sie scheint fast den ganzen Tag, nur in der Ferne fallen einzelne Wolken nass bis auf den Horizont. Abends erwischt uns eine dieser Regenwolken peripher: Es fallen gerade genug winzige Tropfen um über uns einen bunten Baldachin aus irisierenden Farbbändern zu zaubern. Wir fahren unter ihm gegen Süden – ich weiß schon, warum er mit uns mitreist, und doch ist es wundervoll! So einen leuchtenden, vielschichtigen und vollständigen Regenbogen habe ich seit unserer Zeit in Salvador nicht mehr gesehen!

Regenbogen auf der Fahrt nach La Palma

Regenbogen auf derr Fahrt nach La Palma

Nachts versinkt rechts von mir eine übergroße, sichelförmige Mondin fast liegend im Meer, während links Orion mit den drei charakteristischen Sternen, die seinen Gürtel formen, aus dem dunkle Wasser empor steigt. Auch zu Hause ist er im Winter sichtbar, dort steht er über den Bungalows neben unserem Haus.

Ich liege im Cockpit und starre hinauf auf die Windfahne. Sie dreht sich munter im Kreis, mal links herum, mal rechts herum. Der Motor schnurrt. Nur Franz, der Autopilot, ist vor La Palma verwirrt. Immer wieder piepst er verwirrt, weil er den Kurs nicht halten kann. Woran es liegt? Sind es die magnetischen Anomalien hier? Oder ist etwas kaputt?

Tagsüber bleibt der Wind mau, das Gute daran ist: Die See bleibt es auch. Selbst in der Düse vor La Palma, dort wo der Wind angeblich immer 10 bis 15 Knoten stärker weht, lässt er sich bitten, immerhin zu 15 Knoten. Eine halbe Stunde holen wir noch die Fock raus, dann sind wir da, etwas müde, hungrig, reif für eine Dusche und neugierig auf Santa Cruz de la Palma, dessen bunte Häuschen sich an die runden Hügel zwischen tiefen, grünen Schluchten schmiegen…

25. Oktober 2014
von Steffi
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Maderia vom Feinsten: Queimadas und Caldeiro Verde

Eigentlich sind wir reif. Überreif. Wir wollen weiter, doch ist diesmal nicht nur der Wind ungünstig, mir steckt der Abschied von meinen Kindern in den Knochen, im Hals und im Kopf. Je nach Blickwinkel nennt sich das auch dicke Erkältung.

Die hält mich zwar davon ab, 48 Stunden durch zu segeln, aber nicht davon 4 Stunden zu wandern. Annemarie und Ritchi, die Schwiegereltern unserer Tochter, sind auch gerade auf Madeira, sie haben ein Auto und nahmen uns mit auf eine der schönsten Wanderungen hier:

Stockdunkle Tunnels, eine gewundene Levada, ein Zauberwald, majestätische Bäume, herrlicher Meerblick, atemberaubende Berge, hohe Wasserfälle und strohgedeckte Hütten!

Und ein Friedhof, auf dem die Toten in Beeten liegen!

Kurz –

Madeira vom Feinsten!

Tomy hat auch Höhlenangst

Tomy hat auch Höhlenangst

q 8

Herbst auf Madeira

q 7 Q tree

Q Meer

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Q 2

q 5

Queimadas

Queimadas

Auf Madeira liegen die Toten in Beeten

Auf Madeira liegen die Toten in Beeten

24. Oktober 2014
von Steffi
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Von schmelzendem Schnee

Das Eis schmilzt mit dem Aufgehen der warmen Frühlingssonne. Tropfen um Tropfen läuft das Wasser des schmelzenden Schnees entlang der Eiszapfen, die von der Dachrinne hängen, hinab. Es knistert und knackst.
Ich träume im Halbschlaf vor mich hin, denke an die magischen Tage meiner Kindheit in der Ramsau am Dachstein…

Nein, ich fantasiere nicht im Fieberwahn meiner Erkältung! Und ich meine auch nicht diesen menschlichen Putzerfisch:

Nein, diesen Putzerfisch meine ich nicht!

Nein, diesen Putzerfisch meine ich nicht!

Doch wie kommt es, dass die Fische, die den Bewuchs von Yemanjas Rumpf knabbern, genauso knistern wie schmelzendes Eis?

22. Oktober 2014
von Steffi
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Zurück auf Madeira

Die junge Frau neben mir umklammert fest die Hand ihres Partners. Laute des Erschreckens und der Angst erklingen hinter mir. Stille. Tobender Applaus!

Dabei wackelte das Flugzeug bloß ein wenig mit den Flügeln!

Da ich wusste, dass Madeira immer noch im Bereich eines Sturmtiefes lag, hatte ich nicht anderes erwartet. Landen auf Madeira, auf dieser kurzen, ins Meer gebauten, auf 120 Meter hohen Säulen – 60 Meter über der Erde, 60 darunter – Landebahn, die obendrein extremen Fallwinden von den Bergen ausgesetzt ist, ist nun mal nicht ohne! Das Flugzeug vor uns musste sogar durchstarten.

Tomy meinte, die Show hätte ich verpasst: Die aufpeitschenden Wellen, die die Hafeneinfahrt unpassierbar machten. Das Knarren und Knarzen der durch einen Sturm im vergangenen Dezember eh schon angegriffenen Pontons. Das Sichern der rostigen Pontons mit Seilen, nachdem er bemerkt hatte, dass eine Halterung kurz vorm Abreißen war. Nachts das Schaukeln des Schiffes „Ich dachte, ich wär in der Biskaya…“

Starkwind Madeira

Die Hafeneinfahrt von Quinta do Lorde im Starkwind (40 Knoten)

Mir fällt es immer noch schwer, nicht vom Schiff zu fallen! Ich bin das Schaukeln nicht mehr gewöhnt!

Während ich zu Hause Unkraut jätete, Laub kehrte, Verblühtes abschnitt, Brautkleid mit unserer liebsten mittleren Tochter* kaufte und mit Lian Nachkrabbeln um den Esszimmertisch spielte – meine Knie! – pflegte Tomy Yemanja:

Er zerlegte die Winschen, säuberte und schmierte sie.

Er erneuerte eine Dichtung an der Toilette und putze das Rundherum mit der Zahnbürste.

Er wusch die Sprayhood, die jetzt wie neu aussieht.

Er ließ das Holz in der Kajüte ein.

Er wechselte das Motoröl und wartete den Motor.

Er kontrollierte das Unterwasserschiff, säuberte die Logge und den Tiefenmesser.

Er baute ein Holzgräting als Unterlage für das Beiboot

Er brachte Reffbändsel an.

Und er riskierte sein Leben bei der halsbrecherischen Fahrt mit dem Bus nach und von Funchal.

Es ist wirklich so – die bisher gefährlichsten Situationen traten an Land auf!

Wann es weitergeht? Wir hätten heute fahren können, doch mir steckt eine Erkältung im Kopf und in den Knochen. Für Sonntag sieht es windmäßig wieder gut aus, bis dahin geht es mir bestimmt auch wieder gut! Das gibt Tomy auch Zeit, um die mitgebrachte Arbeit zu erledigen: Klampen am Mast, mehr Decksösen zum Einharken des Sicherheitsgurtes befestigen und eine Steckdose verlegen.

*Wir haben auch eine liebste älteste und eine liebste jüngste Tochter!