Markt in El Alto - La Paz

28. Februar 2016
von Steffi
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Lost in El Alto

Es regnet, die Wolken hängen tief. Aber heute, Donnerstag, ist doch Markt in El Alto!

El Alto ist quasi die Oberstadt von La Paz, 4100m hoch in der riesigen Hochebene Altiplano gelegen. Der Flughafen dort ist der höchstgelegene der Welt. In der dünnen Luft hoch oben leben die, die sich La Paz nicht leisten können: Die Indigenen. Wer Geld hat, zieht so tief hinunter wie möglich, in die „dicke“ Luft.

Ich persönlich finde, dass El Alto gegenüber La Paz einen großen Vorteil hat: Es ist eben, außerdem ist die Luft unten zwar Sauerstoff- aber auch Abgasreicher!

La Paz N (2)

Wir aber gehen erst mal steil bergab ins Alexander, unserem Stammcafé. Dort gibt es leckere heiße Schokolade, ein Schokoriegel, der in heißer Milch schmilzt. Und Internet, mit dem sich sogar mein altes Notebook verbindet. Dann geht es wieder steil hinauf zu unserer Unterkunft. Von dort ist nicht weit bis zur Station der gelben Linie der Teleférico.

Teleferico La Paz - El Alto

Teleferico La Paz – El Alto

In ein paar Jahren wird La Paz/El ALto das weltweit größte urbane Seilbahnnetz der Welt haben, erbaut von einem österreichischen Unternehmen. Seit 2014 verbinden drei Linien die beiden Städte, die von steilen Felswänden getrennt werden. Es gibt nur wenige Straßen, die hinauf führen, und die sind oft verstopft, es dauert bis zu einer Stunde mit dem Auto. Die gelbe Linie verkürzt die Fahrzeit auf 17 Minuten, zumindest, wenn man ganz unten anfängt.

Wir steigen im unteren Drittel zu, schweben über Baustellen, Wäscheleinen, Ziegelbauten und einer endlosen Treppe nach oben. Wir folgen rechts der Panoramica bis wir zu den ersten Groß-Marktständen kommen.

Himmel, wer kauft diese Unmengen an Kartoffeln?

Markt in El Alto - La Paz

Kartoffeln!

Andrerseits sitzen manche Frauen vor einer Handvoll Zwiebeln, die sie verkaufen möchten.

Wir lassen uns treiben, sind erstaunt über die unglaubliche Vielfalt und Qualität des Angebotes: Äpfel, Weintrauben, Melonen, Ananas, Feigen, Birnen, Pfirsiche, Kürbisse, Kräuter, Salat, rote Zwiebeln, Stangensellerie, Knoblauch, Bananen, weißer Mais, Bohnen, Paprika, Zucchini, Auberginen, Chili, Tomaten, Möhren…

Marktfrau in El Alto

Marktfrau in El Alto

Auch gar manches, das wir nicht kennen: Papalisa zum Beispiel oder Pacay. Und etwas Weißes, das aussieht wie Marshmallows und Tongo oder so heißt. Was es ist, weiß ich nicht.

Papalisa, El Alto

Papalisa

Wir suchen eigentlich immer noch den berühmten Markt von El Alto, auf dem es alles geben soll, ob Fahrrad oder Kleidung. Aber irgendwie werden wir die Gemüseverkäuferinnen nicht los. Immerhin finden wir den echten Hexenmarkt: Stände mit Lamaföten, die in die vier Ecken von neuen Häusern eingemauert werden, Weihrauch, Opfergaben und Kerzen. Und säckeweise Kokablätter.

Hexenmarkt in El Alto, Bolvien; Witchmarket

Hexenmarkt in El Alto

No Foto.

Ich werde sehr streng angesehen.

Dies rechte Dame wollte nicht fotografiert werden

Dies rechte Dame wollte nicht fotografiert werden

Die Männer lassen sich gerne fotografieren, sie fordern uns sogar dazu auf. Die Frauen schütteln böse dreinblickend den Kopf, drehen sich weg. Nur wenige lassen Fotos zu. Dabei sind alle sehr freundlich, beantworten meine Fragen, lachen mit mir – solange ich die Kamera unten lasse.

Ich konnte der Veruchung nicht widerstehen - und durfte dann auch fotografieren

Ich konnte der Veruchung nicht widerstehen – und durfte dann auch fotografieren

Kinder zu fotografieren, da traue ich mich gar nicht erst fragen! Die ganz Kleinen werden am Rücken getragen, im bunten Tuch, doch nur eine Mütze sieht heraus, wenn überhaupt. Sie werden übrigens durchaus in der Öffentlichkeit gestillt, nur muss frau schon sehr genau hinsehen, um das überhaupt zu merken. Ich hab‘ auch noch keines weinen gehört. Die älteren sitzen neben den Frauen zwischen dem Gemüse. Oder spielen neben der Kassa im Schuhgeschäft. Es sind wunderschöne Kinder, mit großen dunklen Augen und roten Bäckchen.

Dafür erwische ich den echten Leoparden sehr gut:

El Alto (10)

Ich esse eine sehr heiße und scharfe Nudelsuppe, die eine Frau am Straßenrand verkauft. Alle Umstehenden lächeln wohlwollend. Der Suppe fehlt Salz, sonst ist sie gut und sättigend, schließlich ist sie so dick, dass der Löffel drin stehen bleibt.

Suppenkaspar

Suppenkaspar

Tomy lässt diesen Kelch an sich vorübergehen.

Mittlerweile haben wir die Orientierung gründlich verloren. Selbst Tomy mit seinem verschluckten Kompass weiß nicht, ob geradeaus oder doch rechts? Wir glauben, das eine oder andere von unserer Taxifahrt vom Flughafen wiederzuerkennen, aber wir finden weder die berühmte Feria, noch den Gemüsemarkt noch die Teleférico-Station. Just als es wieder zu schütten beginnt, steht ein Taxi vor uns, von dem lassen wir uns zur Station bringen – so falsch waren wir gar nicht!

DEN Markt haben wir zwar nicht gefunden, der große  findet wohl doch nur sonntags statt, aber der Gemüsemarkt war sehenswert!

Markt in El Alto - La Paz, Bolivien

Wer mehr über den Sonntags-Markt in El Alto lesen und sehen will schaut am besten bei flocutus vorbei.

INFO

Angeblich ist donnerstags und sonntags großer Markt in El Alto. Wir waren Donnerstag und fanden nur Gemüse!

Besser früh gehen, um 9 solltet ihr oben sein, denn mittags machen viele  zu.

Anfahrt über die gelbe Linie (wir sind in Sopocachi eingestiegen) und oben nach rechts. Nach ca. 15 bis 20 min kommt der Kartoffelmarkt,  der in den Gemüsemarkt übergeht.

Wie wir den Hexenmarkt fanden, weiß ich nicht mehr.

Dennoch: Eine Tour (Teleferico und Markt), wie sie oft angeboten wird, braucht ihr dafür nicht! Nur einen Stadtplan und oder Google-App

Mehr Info unter Downloads & Links

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26. Februar 2016
von Steffi
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La Paz

Der Taxifahrer sieht uns zweifelnd an: Hier wollen wir austeigen? In dieser kleinen Gasse vor dem verrammelten Haus?

La Paz N (7)

Sieht nicht einladend aus, ist einfach und nett und gut gelegen!

Damit sind wir quitt. Führt der Weg vom Flughafen El Alto runter durch La Paz doch erst mal so kreuz und quer durch Nebenstraßen voller Löcher und Indio-Frauen in bunten Tüchern, dass mir kurz Zweifel kommen, ob wir nicht doch entführt werden. Doch plötzlich tut sich die Gasse auf, vor uns liegt La Paz in einem Talkessel, Serpentinen führen hinunter.

Uns stockt der Atem.

La Paz N (3)

Dieser Blick ist ein grandioser Traum mit ein wenig Alb darin.

Vor dem Haus ruft der Taxler die Telefonnummer auf unserer spanischen Wegbeschreibung an und schon winkt von oben ein Lockenschopf. „Ich komme“ ruft Ryck.

Wie?

Auch diesmal hatte ich über Airbnb gebucht, ich mochte Lage, Preis und Fotos des Angebots. Dass Ryck jahrelang in Köln, also quasi in der Nachbarschaft, gewohnt hat und fließend deutsch spricht, habe ich jetzt nicht erwartet.

Wir haben Hunger und machen uns auf den Weg in die Stadt. Von der Höhe merken wir erst mal nichts. Wir haben allerdings auch die hier erhältlichen Sorochi-Pills genommen. Beim Rückweg keuche ich dann doch etwas: Ich habe null Kondition und es geht ganz schön bergauf. Die Autos qualmen auch nicht schlecht!

Ich bin außer Atem, ja, ’s Herzerl klopft, aber oben angekommen ist alles wieder gut, ich merke nichts von der Höhe.

Tomy schon. Die erste Nacht kämpft er mit einem beklemmenden Gefühl, wie auf zu kleinem Raum eingesperrt sein. Doch die Tabletten helfen, den nächsten Tag ist er fit genug für eine ausgiebige Stadtbesichtigung:

Nein, La Paz ist nicht schön. Alte Minibusse blasen stinkende Abgase in die Luft, die Taxis nicht weniger. Beide zusammen beherrschen den Verkehr, die wenigen Privatautos sind japanischer Herkunft. An jeder Ecke sitzt eine Chola – eine Frau mit indianischen und spanischen Vorfahren – und verkauft etwas: Elektronik, Zeitungen, Hefte, Obst, Gemüse, Süßigkeiten, Bananenschips, Mützen… Alte Villen verkommen zwischen modernen Hochhäusern. Die Kaffeehäuser auf der Hauptstraße können es mit denen in Wien aufnehmen, die Restaurants mit denen in Berlin und die Schuhgeschäfte mit denen in Mailand. Die Kinder gehen in den englischen Kindergarten oder werden am Rücken in einem bunten Tuch getragen. Die Damen sind schick gekleidet wie in Paris oder sie tragen die Tracht der Cholas, weite Röcke, Schultertuch, Hütchen, Schühchen.

La Paz

La Paz ist eine Weltstadt mit indigenen Flair.

Höher als dort, wo bei uns allenfalls noch ein paar Bakterien im ewigen Eis gerade so nicht erfrieren, wachsen hier Palmen und Kiefern. In gepflegten Parks blühen Löwenmäulchen und Stiefmütterchen. Hinter den Hochhäusern wachsen schroffe Felswände empor. Die Brötchen schmecken wie daheim, das Bier wird nach deutschem Reinheitsgebot gebraut, es gibt frisches Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Die Schuhputzer haben fast immer etwas zu tun, auch die Autowäscher, und die Polizisten gehen freundlich lächelnd Streife.

Nachts ist es kühl, vielleicht fünf, vielleicht acht Grad, doch mittags heizt eine gnadenlos brennende Sonne die von ihr beschienenen Stellen auf 20 bis 25 Grad. Nur im Schatten bleibt es kühl. Diese Stadt auf über 3200m Höhe, weiß einfach nicht, ob sie alpin oder mediterran sein soll!

Wir machen einen Stadtrundgang. Erst laufen wir den „Prado“, die Prachtstraße mit den teuren Geschäften und schönen Kaffeehäusern, entlang bis zur Kirche San Franciso, in die sich der gute alte Franz bestimmt nicht verirrt: Viel zu viel Gold innen drinnen. Hübsch ist sie.

La Paz (4)

Dahinter soll der Hexenmarkt sein, aber nur mehr zwei Stände und das schicke Cafe das Brujas erinnert daran: Mit Souvenirs lässt sich offensichtlich mehr verdienen. Außer den typischen bunten Tüchern, Püppchen und Kram, gibt es auch ein paar Geschäfte, die bei uns durchaus tragbare Kleidung aus Alpaka verkauft.

Dann gehen wir hinauf in die Altstadt, in die Calle Jean Irgendwas, die unter Denkmalschutz steht. Immerhin gibt es ein überraschend liebevoll gestaltetes Museum für Musikinstrumente dort. Tomy wartet, ich sehe es mir an und spiele mit einem Flaschenxylophon und anderen Instrumenten. Danach gehe ich ins Folklore Museum und erwarte Trachten, doch Fehlanzeige. Die Masken in dem dunklen Raum sind beeindruckend, der Federschmuck hübsch, auch die Ausstellung über die verschiedenen Indigenen Gruppen wäre interessant, doch leider ist alles nur auf Spanisch.

Vor dem Regierungsviertel sind Straßensperren, die wohl kaum einen Wahnsinnigen abhalten können. Immerhin erinnern sie daran, dass das Land gepalten bleibt: In Oben und Unten, indigener und europäischer Abstammung, arm und reich, Si und No – und so ziemlich alles, was dazwischen liegt.

La Paz (6)

Die Häuser um den Plaza Murillo sind sehr hübsch, die Tauben ein Albtraum. Und die Irren füttern sie auch noch! Vor dem Regierungssitz stehen ein paar Colorados in roten Uniformen herum – und das war es mit den Sehenswürdigkeiten!

La Paz (1)

Doch täuscht euch nicht: Der Zauber dieser Stadt liegt in ihrem Flair! Oder in ihren Märkten.

Denn eigentlich ist das Zentrum von La Paz ein einziger riesiger Markt: Der Souvenirmarkt geht in den Blumenmarkt in der Calle Illampu über – in der sind übrigens auch jede Menge Hostels, Touranbieter und Trekkingausrüster mit Markenware. Auf der anderen Seite der San Franciso Kirche ist ebenfalls ein großer Markt, verbunden werden die beiden durch vereinzelte Kioske. Und das geht weiter bis zum Markt an der Calle Comacho. Dort gibt es alles, schön in Sektionen aufgeteilt.

Blumenmarkt am Beginn der Calle Illampu

Blumenmarkt am Beginn der Calle Illampu

Und überall gibt es etwas zu essen: köstliche Bananenchips und geröstete Bohnen, Nüsse, geschälte Kaktusfrüchte, Suppen, Fleisch mit Reis, weißes Popcorn (schmeckt nach Pappendeckel), Obstsalate und Säfte, Empanadas, Brot und gefüllte Teigtaschen.

Frau mit der typischen Haltung eines Menschen, der auf sein Handy starrt

Frau mit der typischen Haltung eines Menschen, der auf sein Handy starrt

La Paz kann man nicht besichtigen, La Paz muss man erleben!

INFO

LA PAZ

Im touristischen Zentrum rund um die Kathedrale San Francisco ist La Paz am wenigsten interessant. Dort sind die Hostels, Touranbieter, Ausrüster und Souvenierverkäufer, sprich Touristen, aber nicht La Paz.

TIPP Übernachten: Hostel in Sopocachi suchen, z.B. das A la Maison. Man bekommt sehr viel mehr von der Stadt mit, wenn man von dort ins Zentrum schlendert. Außerdem ist dort die Teleferico Amarello, mit der man nach El Alto fahren kann oder ins Vallee de la Luna.

Sehenswert:

Markt in EL Alto: Der große Markt ist sonntags, aber auch an den anderen Tagen ist bis mittags Gemüsemarkt

Markt Comache: In La Paz, riesiger Markt, auch morgens hingehen

Vallee de La Luna: bunten Microbus Nr 43 vor der Kathedrale nehmen, oder die Sicherheitskräfte nach den kleinen Bussen fragen; Fahrzeit eine gute Stunde; oder mit der Teleferico Amarello zur Talstation fahren und dort in den 43er einsteigen.

Fahrt mit der Teleferico (Amarello) nach El Alto: toller Blick, lässt sich mit dem Markt verbinden

Den Prado rauf und runterspazieren bis zum Plaza Avanca, um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Mutige können sich mit dem Mountainbike die Death Road hinunterstürzen, es gibt Angebote zum Paragliden, Bergsteigen oder man fährt ins ehemals höchste Schigebiet der Welt. Die

Touranbieter sind fast alle hinter der Kathedrale in der Calle Illampu. Dort gibt es auch Ausrüstung

Busse nach Copacabana: Diana Tours im Hotel Sagaranga in der Straße, die neben der Kathedrale hinauf geht (Calle Sagaranga). Abfahrt etwa 8 Uhr morgens, Fahrtzeit 4 Stunden, Ticket am Vortag kaufen

Busse nach Oruro: von 4:30 morgens an praktisch stündlich den ganzen Tag im Busterminal, Tickets am gleichen Tag kaufen

Zug von Oruro nach Uyuni/Tupiza/Villazon: Im Büro der FCA in der Sanchez Lima zwischen, Ticket im Voraus kaufen. Die Züge gehen viermal in der Woche, der Wara Wara Dienstag und Donnerstag, der Espreso del Sur Freitag und Sonntag. Info unter www.fca.com.bo

Alle Bolivieninfos unter Downloads & Links

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25. Februar 2016
von Steffi
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Santa Cruz de la Sierra – Erster Eindruck

„Smile!“

Der Grenzpolizist lächelt ebenfalls, als er mich auffordert lächelnd in die Kamera zu schauen.

Bolivien ist schon dabei, mein Herz zu erobern.

Die Einreise ist recht gut organisiert und auf dem neuesten Stand der Technik. Die Zollkontrolle ist strikt, jede Familie muss eine Zollerklärung abgeben und dann auf ein Knöpfchen drücken: Leuchtet es grün, darf man durch, leuchtet es rot, wird der Koffer durchsucht. Gesucht werden landwirtschaftliche Produkte wie Milchprodukte, Fleisch, Samen und Früchte. Ich meine, Drogen nach Bolivien zu schmuggeln wäre ja auch irgendwie blöd.

Der Flughafen von Santa Cruz de La Sierra ist klein, aber anständig, die Taxifahrt in die Stadt entlang der üblichen Einfallsstraßen sieht aus, wie es diese Straßen eben tun. Wirklich einladend sind sie selten, doch sie wirkt aufgeräumt und sauber.

Schnell sind wir in der Calle Bolivar, wo ich über Airbnb ein Zimmer gemietet habe. Sagen wir, es erfüllt seinen Zweck. Das Kiwi Cafe-Restaurant zu dem es gehört und seine Besitzerin sind allerdings bezaubernd:

Lucia war mit einem Diplomaten verheiratet, spricht fließend Englisch und kennt die Welt. Vor einigen Jahren entschied sie sich, nach Bolivien zurückzukehren und gemeinsam mit ihrer Schwester ein Restaurant zu eröffnen, um damit ihre Leidenschaft leben zu können: Kochen und Tanzen.

Die mexikanisch angehauchten Gerichte hier sind eine Offenbarung: Viel frisches, kurzgebratenes Gemüse, Salat und gut gewürzt! So sehr ich Brasilien liebe, auch die Küche mag – nach so langer Zeit kann ich die ewig gleichen Speisekarten in Bahia voller Frittiertem, Fleisch und Dende-öl nicht mehr sehen!

Lucia erzählt von ihrem Enkel in Paris, den sie Weihnachten besuchte. Sie brachte ihm einen großen Tukan aus Stoff mit, dessen erstes Reiseabenteuer sie fotografierte und in einem liebevoll gestalteten Fotobuch für den kleinen Max festhielt. Ihre Kinder leben alle in Paris, ein überlebensgroßes Foto von ihrer Tango tanzenden Tochter ziert die Wand hinter der Tanzfläche: Lucia lehrt den Tango.

Auch ihren Angestellten.

Santa Cruz S (2)

Es dauert nicht lange, da hat sie ihre goldenen Schuhe an, mit Absätzen, auf denen ich nicht mal stehen, geschweige denn tanzen könnte. Da gewöhnt man sich dran, sagt sie, steht auf und tanzt mit sich selbst. Später am Abend kommt ihre Freundin und gemeinsam legen sie mit den Kellnern ein paar Tänzchen auf die roten Fliesen.

Santa Cruz N (7)

Ich mag diese südamerikanische Atmosphäre, die Musik, sie berührt etwas tief in mir, eine Seite meiner Lebenslust, die ich so noch nicht kenne.

Und ich mag die familiäre Stimmung hier!

Den Nachmittag an unserem Ankunftstag verbrachten wir mit der Besichtigung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten: Santa Cruz ist überschaubar. Sehr überschaubar. Sie stehen alle um den Platz des 24. Septembers und passen samt Platz locker viermal auf den Schlossplatz vor der Hermitage in St. Petersburg. Also für die, sie schon mal dort waren.

Santa Cruz N (5)

Der Park auf dem Platz ist einladend: Unter Palmen, blühenden Frangipanis und großen tropischen Bäumen verweilen junge und alte Menschen auf den schattigen Bänken. Tische mit Schachbrettern stehen in buschigen Nischen. Rundherum haben Schuhputzer ihre Stände. Weiß livrierte Männer verkaufen Kaffee aus Thermoskannen, die sie auf kleinen Wägelchen mitführen.

Santa Cruz N (3)

Die haben Stil, die Bolivianer!

Und ein österreichisches Kaffeehaus mit einer ansehnlichen Tortenauswahl, Wiener Kaffee, geschmolzener Schokolade, die in heiße Milch gegossen wird. Dort gibt es auch einen Liter Limonensaft für 4 Euro.

Mehr ist am Samstag nicht los. Am Sonntag schon gar nicht, denn da wird gewählt. Ja oder nein?

Hat nicht geholfen: Ging ganz knapp No aus

Hat nicht geholfen: Ging ganz knapp No aus

Evo Morales, der erste indigene Präsident des Landes möchte eine dritte Amtszeit dranhängen, dafür müsste die Verfassung geändert werden. Er hat viel für sein Land getan: Das durchschnittliche Jahreseinkommen stieg von rund 800 auf über 3000 Dollar, der Anteil der Armen ging von über 50% auf unter 30% zurück. Vor allem die Indios lieben ihn. Wie viele dieser charismatischen Führungspersönlichkeiten scheint er sich allerdings in letzter Zeit von seinen eigenen Idealen zu entfernen – Das Land ist gespalten, die eine Hälfte sagt Si, die andere No! Vor ein paar Tagen gab es sogar Tote in La Paz, also dürfen am Sonntag keine Autos fahren und kein Alkohol ausgeschenkt werden.

Die Stadt ist so tot, da kannste gleich auf den Friedhof gehen!

Das tun wir auch. Er ist überraschend hübsch, die Gräber sind liebevoll gepflegt und manch eines ist luxuriöser als die Hütten der Armen…

Santa Cruz N (8)

Wir treffen dann doch noch Menschen: Radfahrer, und zwar top-ausgerüstete, mit modernsten Rädern, Helmen und Kleidung sowie Rollerbladefahrer haben die Stadt leise übernommen.

Am Abend wacht die Stadt auf: Autos fahren hupend durch die Straßen, Menschen singen, Böller werden abgefeuert. Da hat jemand gewonnen. Nur wer? Das wird erst in ein paar Tagen sicher feststehen. Es bleibt spannend.

Am Montag gehen wir auf den Markt.

Santa Cruz S (24)

Auf dem gibt es alles. ALLES! Teils fein säuberlich in Abteilungen oder Straßen geordnet, teils komplett durcheinander: Es gibt eine Zeile der Garküchen, eine mit Gemüse, Nudeln, Käse und Fleisch, eine für Haushaltswaren. Und dahinter eine Gasse, in der Nähmaschinen repariert werden.

Fußgetriebene.

Strom gibt es offensichtlich nicht überall in diesem Land!

Santa Cruz S (35)

Die Sehenswürdigkeiten von Santa Cruz haben wir also hinter uns. Morgen geht es weiter nach La Paz.

INFO

Es gibt nur zwei Gründe, um nach Santa Cruz zu fahren: Hin-und Rückflug.

Geldautomat: Am Flughafen Viru Viru im ersten Stock vor den Gates, gibt auch Dollar, und an der Plaza 24 de Sept/Calle 24 de Sept.

Die Stadt ist heiß und schwül, die Sehenswürdigkeiten beschränken sich auf einen kleinen Platz.

Essen: Kiwi-Cafe, Calle Bolivar 208, mexikanisch angehaucht, hübsch. Samstagsabend wird Tango getanzt.

Kaffeehaus Picolo, Calle 21 de Mayo, Ecke Junin; mit guten Kuchen, auch Frühstück, Mittag- und Abendessen

Alle Bolivien Info unter Downloads & Links

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19. Februar 2016
von Steffi
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Es gibt immer ein Erstes Mal…

Der obige Satz hat Tradition in unserer Familie, es ist unser geflügelter Satz.

Schuld daran ist mein Frauenarzt.

Ich war schwanger. Nein, nicht zum ersten Mal.

Ich war auch nicht zum ersten Mal beim Ultraschall. Allerdings beschrieb mir der Arzt jetzt so in der 5. oder 6. Woche zum ersten Mal mein Kind:

„Sehen Sie, hier ist das Köpfchen. Es ist ganz deutlich zu erkennen.“

Stimmt.

Er maß es aus.

„Ja, es ist gut entwickelt. Und hier schlägt schon das Herz.“

Das Pulsieren war deutlich zu erkennen.

Etwas schien den Arzt zu verwirren. Er rutschte weiter mit dem glitschigen Teil auf meinem Bauch herum. Klingt unanständig, so eine Ultraschalluntersuchung, ist es aber nicht.

Und auch ich war verwirrt: Wenn das da oben der Kopf war, was war dann DAS da unten?

„Gibt es in ihrer Familie Zwillinge?“

„Nein“

„Es gibt immer ein erstes Mal!“

Seitdem gab es noch viele weitere erste Male in meinem Leben. Relevant für unsere Segelreise waren:

Unser erster langer Auslandsaufenthalt in England, denn er lehrte uns loszulassen.
Unser erster langer Auslandsaufenthalt in Brasilien, denn er gab unserem Schiff den Namen und bestimmte sozusagen den Kurs.
Unser erster langer Auslandsaufenthalt in Russland zeigte uns, was uns wirklich wichtig ist.
Mein erster Segelschein.

Mein quasi erster Segelversuch

Mein quasi erster Segelversuch

Unser erstes Segelboot, eine Etap 21i mit Namen Jemanja.

Jemanja in Veli Rat

Jemanja in Veli Rat

Das erste Mal Großmutter werden, denn es verzögerte unsere Reise um ein Jahr.
Unser erstes Mal im Ärmelkanal, vor Zeebrügge, lehrte mich mit meiner Angst umzugehen.
Unsere erste Nachtfahrt über die Biskaya, machte Mut.
Die ersten Delfine.
Mein erster Kopfsprung.

JAAAAAAAAA!

JAAAAAAAAA!

Das erste Mal in Windstärke 9.
Die erste Atlantiküberquerung.

Und jetzt liegt wieder ein erstes Mal vor uns:

Das erste Mal mit dem Rucksack, zum ersten Mal einfach drauflos, nach Bolivien, zum ersten Mal in diesem Land.

Die Crew der Yemanja backpacking in Bolivien.

Morgen geht es los. Ich werde euch davon erzählen. Demnächst hier auf diesem Blog. Und auf Facebook unter SailingWithYemanja. Oder unter sy_yemanja auf  Instagram

Huch – da war doch noch ein erstes Mal, letztes Jahr – mein erster Joint! Echt! Der allererste!

Ein paar Jahre später haben wir dann die ersten Zwillingseinhörner

Die ersten Zwillingseinhörner in der Familie – das liegt am Karneval, nicht am Joint!

Weitere „Erste Male“ findet ihr bei der Blogparade von Karin unter sweetsixty.de

17. Februar 2016
von Steffi
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Ein paar Gründe, um Bahia zu lieben

Ein vielleicht fünfjähriger Junge in Badehose und Flipflops geht mit seinen Eltern an der Bar vorbei, vor der wir sitzen. Eine Art weiße Duschhaube mit einem roten Federchen vorne drauf identifiziert ihn als Aladdin. In Salvadors Karneval verkleiden sich die Kinder.
Vor dem Wirt bleibt er stehen, offensichtlich kennen sie sich. Der Wirt wünscht sich ein Auto…
Am nächsten Tag ist das Kind als Superman verkleidet.

In Ribeira

Unser brasilianisches Alter Ego vor türkiser Wand – dort sitzen oft wir.

Wir sitzen in einer kleinen Gasse in Ribeira, dort, wo die Einheimischen ihr Bier trinken. Straßenhunde suchen ihr Futterglück. Ein Pärchen setzt wechselt sofort auf seinen Stammplatz unter dem Straßenschild „Rua Clovis de Almeida Maia“, als er frei wird.. Ein, zwei Bars weiter tanzt eine zwergwüchsige Frau, Bierdose in der Hand. Ihr Kittel ist alt, braun, mehr als ihn hat sie wohl kaum zum Anziehen. Doch vom Tanzen kann sie nichts abhalten.

Tanz in Ribeira

Ein Vater sitzt auf einem Surfbrett, vielleicht ist es ja auch ein spezielles Stehpaddelbrett. Neben ihm schwimmt sein Sohn, hält sich immer wieder fest, wird von seinem Vater immer liebevoll korrigiert und ermuntert weiter zu schwimmen. Schwimmunterricht vor Itaparica.

Schwimmunterricht

Schwimmunterricht

Ein paar Tage später sind wir wieder in der Bar da Maria, hinter dem Restaurant Tijupa. Heute tanzt nicht die Zwergin, heute probt ein kleines Mädchen den richtigen Hüftschwung und den dramatischen Schlussakkord ihres zukünftigen Karnevalshits: In einer Hand hält sie ein imaginäres Mikrofon, die andere streckt sie theatralisch langsam von sich, der Kopf liegt im Nacken, die Augen geschlossen. Ist sie fünf? Oder sechs? Wie in jedem (kleinen) Mädchen steckt ein Superstar in ihr.

Ein Dosensammler hält den Bus an. Dieser stoppt mit den Hinterreifen genau vor dem Mann. Er wirft seine beiden großen, gefüllten Mülltüten unter dem Bus, vor die Räder. Der Bus rollt an, zerquetscht die Dosen – es ist wieder Platz in der Tüte für mehr.

In einer Seitengasse wäscht ein Mann sein Auto. Das Auto steht dicht am Haus auf dem Gehweg. Der Mann steht am Balkon oben drüber und spritzt mit dem Schlauch von oben das Auto ab.

Meine Freundin möchte die Hunde ausführen, ein kurze, schattige Runde, denn es ist schon sehr warm. Einkaufen will sie auch. Für beides nimmt sie erstmal das Auto.
„Ah, da ist mein Gemüsemann!“
Sie parkt unter einem großen Baum und inspiziert die Waren, die Benedito auf seinem Fahrrad anpreist: Alface Americano – Eissalat, Rucola, normaler Salat, getrocknete Garnelen und eine beachtliche Menge an Gewürzen führt er auf der kleinen Fläche mit.

Benedito und sein Fahrrad

Benedito und sein Fahrrad

Es sind Momente wie diese, die ich immer wieder beobachte, die mein Herz weit für die Menschen in Salvador und Umgebung öffnen. Ihr Lachen, ihr Strahlen, ihr Kampf ums tägliche Brot, die vertrauensvolle Hilfe, die Unkompliziertheit des Lebens und Leben lassen. Die Lebensfreude.

Oh ja, ich sehe den Müll auf den Straßen, die Junkies, jene, die kaum wissen, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollen. Ich sehe die Gleichgültigkeit, das Abwenden vom Bedürftigen, die Behinderten, die Kluft zwischen arm und reich. Ich nehme Sexismus und Rassismus wahr. Ich lese von der Korruption, der Ungerechtigkeit, der Hilflosigkeit der Massen. Das Leben in Salvador ist nur für wenige einfach. Und selbst für die Superreichen ist es in vielen Bereichen nicht so leicht und unbeschwert wie es für den Durchschnittsbürger in Deutschland ist.

Aber die Menschen hier berühren mich mit ihren Schwächen und Unzulänglichkeiten; mit der Kreativität und Grandiosität mit der sie beides meistern.

Es sind die Menschen, denen wir unterwegs begegnen, die süchtig nach mehr machen. Dabei frage ich mich natürlich: Wieso gelingt es mir zu Hause nicht, so offen auf Menschen zu reagieren? Sicher, in Deutschland wird nicht ganz so viel öffentlich gelächelt, gesungen und getanzt. Doch die Schranke ist in mir:
Zu Hause kann ich die Menschen einordnen, auf Grund von Sprache oder Aussehen in Schubladen stecken: Tourist, Türke, Snob, Obdachloser, Assozialer, Neonazi, Quatschtante, Oma, genervte Mutter, Tussi … seltsam, positive Bilder sind selten dabei.
Dabei sind die Menschen zu Hause genauso großartig!
Doch etwas ist anders:
Fürchte ich mich davor, in eine Schublade gesteckt, bewertet und für nicht gut genug befunden zu werden? Komisch, dabei dachte ich, ich hätte das längst hinter mir gelassen! Die Kultur der Abgrenzung in Deutschland  trifft daheim auf ihr Gegenstück, wie ein Schlüssel ins Schloss.
Und so baue ich eine Art virtuellen Zaun um mein Herz.

Verrückt! Ob es mir gelingen wird, das zu ändern?

Wird es dir unterwegs gelingen? Erzähle mir von deinen Erfahrungen!