7. September 2013
von Steffi
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Sichtbarkeit auf See

Wie weit kann ich auf See sehen? Wie weit kann ich wahrnehmen und wahrgenommen werden?

Wer das im Internet googled, bekommt jede Menge Erklärungen über Krümmungswinkel, Höhe, Wellenlängen des Lichts oder des Schalls, Hindernisse…* Und in der Praxis?

Gestern versuchte die Sonne immer wieder durch die Schleier der Wolken zu leuchten, Schleier, die kaum sichtbar bis zum Wasser reichten. Es war diesig. Obwohl wir nur ein paar wenige Seemeilen vom Land entfernt segelten, war um uns nur Wasser. Eine Weile schwebten rechts von uns ein paar leuchtende Punkte oder sonnenbeschienene Rechtecke über dem Horizont: Wir segelten entlang des Abschlussdeiches des IJsselmeeres, auf dem die Straße von Den Oever nach Makkum verläuft.

Viele Menschen erzählen mir, dass sie Angst hätten, wenn sie nur von Wasser, ohne Sicht auf das Land wären. Obwohl ich das schon erlebt habe, hier – bei diesigem Wetter- oder in Kroatien, habe ich es noch nie so empfunden: Das Land ist in mir. Ich weiß, dass es da ist, um mich herum.

Ich nehme das Land wahr, ohne es zu sehen. Verrückt!

Die grenzenlose See ist nicht hier. Auch wenn ich nur Wasser sehe. Die Grenze ist in meinem Kopf – ich schwimme in einer Badewanne… Bin neugierig, wie weit ich wirklich vom Land weg sein muss, bis dieses Gefühl aufhört!

Seltsamerweise haben wir beide den Eindruck, dass es heute noch diesiger ist als gestern. Doch als wir den Hafen in Hindeloopen verlassen, liegt in der Ferne vor uns eine Insel: Wo war die gestern?

Sicher, es kann nur die kleine “Insel” am Deich sein – doch fest steht, dass wir gestern viel näher dran waren und sie gerade mal erahnen konnten!

Wir sehen heute Morgen auch nicht, wo wir sind: Keines unserer Geräte empfängt ein GPS-Signal. Erst nach 20 Minuten sind wir wieder “da”.

Wer Funken lernt, lernt auch, dass Ultrakurzwellen nur ein paar Kilometer weit zu empfangen sind, schon allein deshalb, weil sie auf Landmassen, Häuser, Berge und Schlechtwetter treffen. Doch das gilt hier nicht, Holland ist einfach nur flach:

Auf Kanal 16 hören wir Oostende Radio, Dover Coastgard (two Tow-and-Tug ships sind wo genau?), Wetterwarnungen für Lincolnshire und the Wash und die deutsche Küstenwache. Nur die Niederländer melden sich selten. Außer um einen falschen Distress-Alarm zu korrigieren.

Und unser AIS-Signal ist zu schwach, um auf marinetraffic.com gefunden zu werden. Von anderen Schiffen werden wir auch erst wahrgenommen, wenn sie uns gefährlich nahe sind. Wie genau lässt sich das verbessern? Weiß einer Rat?

 

* Wenn man hinterm Steuer eines Segelbootes, rund drei Meter über dem Meeresspiegel, dann kann man bei guter Sicht den Horizont in rund 6 km Entfernung sehen. Hohe Schiffe, Leuchttürme, oder Berge kann man schon von weiter her sehen – sie ragen ja über die Erdkrümmung hinaus. Berechnung hier!

PS: Am nächsten Morgen schüttete es. Danach war die Luft glasklar, diese Sicht! Marken und Volendam leuchteten gülden im warmem September-Nachmittagslicht! Unvergleichlich!

 

6. September 2013
von Steffi
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Makkum

Was für ein herrlicher Spätsommertag! Während wir darauf warten, dass unsere Sprayhood repariert wird, verholen wir Yemanja in den schöneren und näheren Fischereihafen.

Wir erkunden Makkum: Ein weiterer entzückender holländischer, besser:  friesischer Ort!

Wir wundern uns über die Meerjungfrauenkostüme vor zwei Häusern, doch dann bemerken wir, dass das Makkumer Wappen eine Meerjungfrau ist!  Wie konnten wir das nur übersehen!

Wir liegen in der Sonne, lesen, stricken. Am Nachmittag holen wir unsere Sprayhood, die hier von der Firma De Vries hergestellt und nun nach Ablauf der Garantie kostenlos repariert wurde, ab – toller Service!

Dann noch ein kaltes Wieckse Witte und frisch in dünnem Teig frittierte Kibbelinge mit Knofloksauce im warmen Licht der September-Abend-Sonne!

Das Leben meint es wieder gut mit uns! Danke!

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4. September 2013
von Steffi
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Kein Wind, Mücken und algengrünes Wasser

Man muss nicht vor Afrika segeln, um in einen Schwarm Ungeziefer zu kommen: Das IJsselmeer im September tut es auch. Gut, es sind keine stinkenden Würmer, keine grünen, schleimigen Heuschrecken, sondern nur Millionen kleiner Stechmücken. Stechen tun sie noch nicht, aber sie überziehen alles mit schwarzem Gewimmel: Meine Beine sind paniert, ich kann die Seiten meines Buches nicht schnell genug leerpusten und umblättern und wenn ich mit Tomy reden will, so geht das nur mit der Hand vorm Mund,  andernfalls würde ich einige davon verschlucken.

Zwei Stunden dauert der Spuk, dann kommen keine neuen mehr nach…

Und wir sind bald in Makkum, nach 7 Stunden Fahrt unter Motor: Das algengrüne IJsselmeer ist beinah spiegelglatt, so mitten in der Woche sind auch nur wenige Schiffe unterwegs. Tomy schließt den Autopiloten an: Er steuert uns wunderbar über die glatte See, genau dorthin, wo wir hinwollen. Tomy tauft ihn Fred.

Wir legen im Sailcentre Makkum an, weil es nah am Ort ist und WiFi hat. WiFi funktioniert nicht, und nah ist relativ. Tessa jedenfalls ist froh, laufen zu können!  Bis auf eine winzige Pinkelpause in der Schleuse – diese blieb lange offen, weil  noch ein Schiff weit hinter uns in die Schleuse fuhr – hielt sie die ganze Zeit brav durch.

Jetzt schnarcht sie.

Und Tomy saugt die  Mücken von Bord.

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You do not have to sail Africa’s shores to encounter swarms of insects: Crossing the Ijsselmeer in September does the same. We had no stinky wurms, no slimy grashoppers, but millons of  smal moskitos. Too small to bite, but everything is covered with a black swarms: My legs are coated with tinny insects, I can’t turn the pages of my book quickly enough after blowing all off and if I want to talk Tomy I have to cover my mouth with my hand, otherwise I would swallow some. After two hours no new ones are coming.

It takes us 7 hours to Makkum. There is no wind, and in the middle of the week hardly any ships. Tomy turns on the autopilot, for the first time.  It takes us exactly where we want to go. Tomy calls it Fred.

We find a berth at Sailcentre Makkum, which is pretty close to the village and has WiFi. Pretty close is relative,  and WiFi does not work. Tessa is happy to walk! She had a short break to wee while we were in the lock to the IJsselmeer.

Now she is snoring next to me.

Tomy is vacuuming the boat.

24. August 2013
von Steffi
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So was wie Weihnachten im August

Am Nachbarsteiger wurde ein Schiff, ausgerüstet mit allem, was für eine lange Fahrt notwendig ist, verkauft. Zufällig kam Tomy ins Gespräch mit dem Eigner:

“Wir waren im Mittelmeer, haben dort alle Inseln umrundet. Gut, in Griechenland wurde das dann schwierig, außerdem war es mir da zu eng. Wir sind dann nach Senegal, Gambia, runter nach Rio. Von Rio bin ich dann allein in die Karibik gesegelt…”

“Ah, von Rio in die Karibik – dann warst du sicher auch in Salvador?”

“Salvador ist meine zweite Heimat, da wohne ich!”

So lernten wir Jochen kennen. Am Freitag lauschten Tomy und ich staunend seinen Abenteuern:

Vom Fahren in Afrikas Flüssen, ohne Karten versteht sich; vom Aufsitzen auf Sandbänken; von korrupten Beamten; von deutschsprechenden schwarzen Generälen, von bis an die Zähne bewaffneten Soldaten – inklusive Ray Ban Sonnenbrillen und Maschinengewehren im Anschlag; von Seeräubern; von fliegenden, stinkenden Würmern vor Afrika; vom Hochseeangeln; wenn der Angelhaken im Daumen steckt, während er einhand auf ein Riff zufährt; von Kuba und Belize; den ABC-Inseln, die holländisch geordnet sind; wie man Schaps und Schubladen sichert und sich gegen Moskitos schützt; von…

Am nächsten Tag brachte er dann all das bei uns vorbei, was er nicht mehr brauchte, aber auch nicht den Käufern überlassen wollte – schließlich hatte er ihnen ja schon fast sein Schiff schenken müssen!

Nun sitzen wir wie kleine Kinder mit roten Backen vor Aufregung vor all den Tüten und Kisten:

Da sind Beschläge; ein brasilianischer HP Drucker; ein Transformator von 12V auf 19V, nur nutzbar, wenn wir einen Steckeradapter finden; eine Sackkarre; jede Menge CDs mit Musik aus aller Welt – ich glaube man braucht ein Segelleben, um die alle zu hören; diverse DVDs; Seekarten, die eigentlich unerhältlich sind; elektronische C-Maps; die besagte Angelausrüstung (ohne Fleisch daran); Tupperdosen – eben Weihnachten!

Fehlt nur noch Stille Nacht und Ihr Kinderlein kommet:

Die (Montag) Nacht war eher lang als still, doch am Morgen lag er da, wohlig entspannt auf dem Bauch seines Vaters.

Wer?

Unser Engelchen Lian!