27.02.2015 Fr Atlantic Crossing Tag 4
“Von hier drei Tage Richtung Sueden!” war Milans Antwort auf meine verzweifelte Frage, wann denn endlich die Barfussroute beginnt. Ich bin geneigt ihm zuzustimmen.
Tagsueber hat es so 25 bis 30 Grad, aber solange der Wind von achtern ins Cockpit blaest, bleibt der Bikini im Schapp! Pulli und lange duenne Hose, im Schatten eine Decke sind durchaus angebracht. Fuer gestern Nacht ueberlegte ich ernsthaft, ob ich eine meiner sieben dicken Zwiebelschalen durch eine duennere ersetzen keonnte – vielleicht die duenne Segelunterwaesche oder die leichtere Segelhose?
Ich entschied mich fuer die Leichtvariante und fror nicht!
Der Wind blaest aus Nordost mit 13 bis 15 Knoten, auch heute weichen wir tagsueber etwas nach Westen aus. Morgen soll der Wind mehr aus oestlicher Richtung kommen, dann kaemen wir ganz gut Richtung 190 Grad.
Manchmal laest der Wind nach, oder dreht um 60 Grad, das ist laestig, aber bisher kommen wir ganz gut und relativ bequem weiter. Und mittlerweile auch warm!
Nach wie vor funken wir zweimal taeglich mit der Robusta und sind per Email in Kontakt mit den anderen: Die Robusta will weiter in den Westen, hofft dort auf besseren Wind, Sailor Moon und wir meinen, da ist er auch nicht viel anders…
28.02.15 Sa Atlantic Crossing Tag 5
Wir spielen Windfangen. Zwischen 9 und 13 Knoten bewegt er sich jetzt, meinst aus ENE – Ostnordost, manchmal konstant und oft von Nord auf Ost drehend. Das Grossegel ist weit ausgebaumt, mit Bullenstander gesichert. Tomy rollt mal ein wenig Vorsegel aus, dann schlaegt es wieder zu viel, dann rollt er es wieder ein. Fuer den Blister meint Tomy, ist zuviel Wind, fuer Schmetterling zu wenig: Unsere schwere Genua wuerde einfach nicht stehen bleiben. Sissi schafft es bei dem wenigen Wind einfach nicht immer auf Kurs zu bleiben – entweder sie luvt zu stark an, oder der Wind kommt ploetzlich von der falschen Seite. Also korrigieren wir staendig den Kurs. Damit schaffen wir es im Moment die angestrebten 190 Grad zu fahren, manchmal sogar schneller als 4 Knoten. 100 Meilen betrug unser heutiges Etmal, bisher durchschnittlich 113 pro Tag. Streckenmaessig haben wir nach fuenf Tagen ein Viertel hinter uns.
Wir werden wohl einen Langsamkeitsrekord fuer die Ueberfahrt nach Salvador aufstellen.
Gut, dass wir waehrend des Heimurlaubes unsere Ebook Reader vollgeladen haben!
Heute Morgen erwachten wir mit einer milchigen Sonne und komischen Dunst um uns herum: Der oestliche Wind weht feinen Sand uebers Meer. Alles ist mit einer feinen Schicht Sand bedeckt.
Wellen sind ja nicht viele, trotzdem wackelt staendig alles. Nichts geht ohne sich oder etwas festzuhalten. Ich koennte mein Familienbuch weiterschreiben, oder einen kleinen Salvadorfuehrer fuer die anderen drei Schiffe weit hinter und neben uns – wenn Schreiben und gleichzeitig Laptop festhalten etwas einfacher waeren!
Aber wisst ihr was mich am meisten nervt?
Ich spreche das jetzt aus, schwarz auf weiss, einer muss es tun: Auf einer winzigen Kloschuessel zu hocken und – mit beiden Armen und beiden Beinen irgendwie verkeilt und sich festkrallend – zu kacken. Ich sag’ euch, das ist echt besch…
01.03.15 So Atlantic Crossing Tag 6
Wo kommt nur dieses Kaeuzchen her? Huuut! Huuut macht es!
Ich liege im Cockpit, schaue hinauf in die Nacht: Im Norden liegt noch der Grosse Wagen, der Orion steht hoch ueber mir, doch das war es schon: Die Sterne sind mir fremd. Der Mond steht wie eine Glasschuessel am Himmel, in die die Milch der Milchstraße fliesst.*
Ich lausche dem leisen Huuut Huuut, versuche herauszufinden woher es kommt. Es klingt genauso wie die Kaeuzchen in Kroatien:
Meine Gedanken reisen zurueck, sehen unsere drei kleinen blonden Maedchen mit den Schwimmfluege-ln am Strand von Mali Losinj – wie schoen ist doch der Blick nach Norden in der Cikat Bucht, mit dem azurblauen Meer und dem Televrina im Hintergrund! Immer noch ist das fuer mich einer der schoensten Flecken dieser Erde, viele Male im Hier und Jetzt für die Ewigkeit festgehalten. Tomy schnitzt mit den Maedchen aus der Rinde der Pinien Boote und Delphine – und nachts singt mich das Kaeuzchen in den Schlaf. So wie frueher in Umag, als ich noch ein Kind war, oder spaeter, als Tomy und ich mit unserer kleinen Jemanja, einer Etap 21i, in Rovinj liegen.
Verrueckt – da stecke ich mitten im tollsten Abenteuer und habe Sehnsucht nach Kroatien! Oder nach Holland, dieses schnucklige, schoene kleine Land! Ich werde immer Sehnsucht haben: Nach den Bergen der Ramsau, den Marillen meiner Kindheit, meiner Herkunftsfamilie, meinen Freunden, meinem Garten, meinem Hundchen, nach Salvador, nach St. Petersburg, nach Vancouver, nach Laos, nach meinen Kindern und meinem Engelchen, nach all den schoenen Zeiten, die ich einst erlebte und jetzt gestalte, hier und jetzt für immer – welch reiches Leben ich doch lebe! Dankbarkeit durchflutet mich, spuelt die Sehnsucht weg.
Und das Kaeuzchen?
Es reiht sich ein in die Geraeusche des Schiffes:
Das Klacken des Geraetetraegers
Das Klicken des Baumniederholers
Das Knarren und Knarzen der Schapps
Das Klirren des Bestecks
Das Klappern des Geschirrs
Das Rauschen der Wellen
Das Gurgeln und Glucksen des Wassers
Das Schwirren des Windgenerators
Das Pfeifen des Windes
Welche Leine, welches Reiben, welche Spannung, welches Schaben hier Huut! Huut macht – das finde ich nicht heraus!
Sicher ist nur, dass es uns schon seit Amsterdam begleitet.
*Das hab’ ich schon vor ein paar Tagen geschrieben. Mittlerweile ist die Mondschuessel voll mit einem Gupf Milchsternen – und der Wind auch nicht mehr als gestern!
02.03.15 Mo Atlantic Crossing Tag 7
Rings herum nur Meer. Auf dem schwimmen ein paar Saragossa Algen, genauer jede Menge. Soviel, dass wir bisher keine Angel ausgeworfen haben – so einen Teppich wollen wir nicht fangen! Angeblich kann frau das Zeug auch essen, aber Anja meinte sie hätten es probiert und lieber sein lassen.
Statt dessen fangen wir weiterhin den Wind, gestern Morgen versuchten wir es mit einem Schmetterling als Köder: Grosssegel rechts mit Bullenstander raus, kleines Vorsegel links ausgebaumt – abgesehen davon, dass wir Sissi dazu nicht eingestellt bekamen, waren wir auch nicht schneller. Also liessen wir den Schmetterling wieder frei…
Der Wind drehte weiter auf oestlich, wir konnten auch so den Kurs ganz gut halten, nur Fahrt machten wir wenig: 92 Seemeilen war unser gestriges Etmal.
Ein wenig Sorgen bereitete uns nur der Windgenerator. Auch wenn er nicht immer laedt, so dreht er sich doch auch bei leichtem Wind etwas, doch gestern blieb er stehen. Tomy fürchtete schon, dass der Laderegler hinueber sei. Oder konnte es am Sand liegen? Immer noch lag dieser feine, rote Saharastaub in der Luft und klebte sich ueberall fest, wo er auch nur ein wenig Halt fand: Die Leinen sind rot, die Reelingsdraehte haben eine weisse und eine rote Seite, die Wndschutzscheibe ist staubig. Auch auf den Rotorblaettern des Silentwind klebt ein feiner roter Streifen.
Tomy warf ihn immer wieder mit dem Bootshaken an, das half fuer fuenf Minuten, dann stand er wieder.
Abends dann spinnt wie immer der Wind: Wir haben beaobachtet, dass der Wind eine Stunde vor bis eine Stunde nach Sonnenuntergang und -aufgang, nicht nur nachlaesst sondern auch wie wild dreht. So auch diesmal und zu allem Ueberfluss beginnt es zu regnen.
Tomy, der seit ein paar Tagen auch waehrend meiner Wache im Cockpit schlaeft, weil er unten kein Auge zutut, fluechtet.
Regen? Etwa 150 Troepflein treffen die Windchutzscheibe, vielleicht fuenfeinhalb den Windgenerator, dann ist der Spuk vorbei.
Doch es reicht: Der Silentwind schwirrt wieder sanft vor sich hin.
Heute Morgen ueberholt uns ein riesiges Containerschiff in etwa vier Meilen Abstand. Vor ein paar Tagen hielt Tomy nachts eine schwimmende japanische Fischfangfabrik im Atem, beleuchtet wie eine Bohrinsel – auch diese fuhr im Abstand von vier Meilen um uns herum.
Ob mir mittlerweile warm genug ist, fragt Tom per Email: Ja, ich bin barfuss, aermellos und heute sogar mal für ein, zwei Stunden alleslos.
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