24. Januar 2015
von Steffi
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Was kotzen wir heute?

Tomy entscheidet sich für chinesische Instant-Nudeln mit Hühnergeschmack vom Aldi, ich für mein geliebtes Cousous.*

Wir legen mittags in La Restinga ab, quälen uns eine Stunde, um das Segel ins zweite Reff zu binden: Ich setze mich mit meinem ganzen Körper ein, um Yemanja im Wind zu halten, während Tomy auf dem Vordeck vor mir mit den Wellen zwei oder mehr Meter auf und ab schwingt. Dabei sieht er völlig entspannt aus. Nur bekommt er das Reff nicht gespannt, das Segel steht nicht, so kommen wir nicht weiter.

Außerdem deutet er mir immer wieder, ich soll das Boot im Wind halten.

Es bringt mich zur Weißglut – als ob ich das weder wüsste, noch mit all meinen Kräften tun würde! Die Wellen schmeißen mich immer wieder raus.

Genugtuung erlange ich später, als es ihm nur schwer gelingt Kurs zu halten…

Erst mal segeln wir wieder zurück, darin sind wir ja jetzt geübt.
Am Anleger in La Restinga kommt der Wind von vorne, wir können also gemütlich unser Segel trimmen. Der alte Franzose von nebenan zeigt uns, wie wir es besser machen können: Jetzt ist uns auch klar, warum das Segel zerrissen ist, eine Leine durchs richtige Auge und nichts wäre passiert!

Danach geht es hoch am Wind Richtung Gran Canaria.

Und wir kotzen nicht!

Wir hatten der schmerzlichen Wahrheit ins Auge geblickt:
Auch wir werden seekrank.

Wenn auch nicht richtig, also nur so ein bisschen flau im Magen, einmal kotzen, einen Tag keinen Appetit und gut isses. Also solange wir nicht in die Kajüte gehen, nicht auf die Toilette, nicht umziehen, nichts nachsehen oder holen. Allein der Gedanke daran, macht mir schon Bauchweh!

Diesmal also kauen wir Kaugummi gegen Reiseübelkeit**. Ob das Zeug auch gegen Zahnschmerzen hilft? Es betäubt den Mund wie die Spritze des Dentisten vor der Wurzelbehandlung. Ich spüre meinen Speichel nicht, ich weiß nicht, was ich schlucken soll – aber das Zeug hilft!

Wir klettern entspannt hinein und hinaus, haben Hunger, essen was wir in die Finger bekommen. Wir fühlen uns großartig!

Was folgt, ist eine Stunde Segeln vom Feinsten.

Irgendwann lässt der Wind nach, wir sind im Windschatten des Teide, der Dieselwind bringt uns brav durch. Doch der Teide lenkt den Wind auch ab: Kaum kommt er wieder, kommt er uns heftig auf die Nase, aus einem Winkel der es uns weder erlaubt, nach Puerto do Mogan auf Gran Canaria zu gelangen, noch nach San Miguel auf Teneriffa.

Wir kommen gegen 25 Knoten Wind und drei Meter Welle nicht gegen an. Oder schon: Mit einem oder zwei Knoten in der Stunde.

Wir haben noch 50 Seemeilen vor uns. Also 25 bis 50 Stunden in der Geschwindigkeit.

Der Wind ist günstig für La Gomera.
Was folgt, ist eine Stunde Segeln vom Feinsten.
Dann ist wieder der Teide im Weg.
Und dann kommt der Wind – von vorne!
Zu guter Letzt mal wieder mit 25 Knoten, wenigstens mit etwas weniger Welle. Für die letzten 5 Meilen brauchen wir zwei Stunden!

Als uns die Maya, die sympathischen, jungen Schweizer mit zwei kleinen Jungs an Bord, auf dem Weg zu den Kap Verden entgegenkommt, könnte ich doch kotzen. Oder heulen.

Verdammt, die schaffen das doch auch! Die sind in einer Woche da, wo wir schon sein könnten, stattdessen quälen wir uns hier herum und sind keinen Schritt weiter!

Noch schlimmer ist: Ich hab mich auf ein aufmunterndes Wort gefreut, auf Menschen, die ich kenne und mag…

Die Lady S nehme ich beim Anlegen nicht wahr.

Ich bin enttäuscht und mutlos, frag‘ mich, ob wir zu früh aufgegeben haben, zu unerfahren oder seglerisch dumm, zu ungeduldig sind, nicht den Mumm haben…

Da klopft es, Mannis fröhliches Gesicht grinst über die Bordwand.
Selten war ich so froh, ein freundliches Lächeln zu sehen!
Danke, Manni, Miri, Silvi und Elke, ihr habt mir mein Vertrauen und meinen begeisterten Blick auf unser Abenteuer wiedergegeben!

Heute Morgen läuft mir Lian, mein Engelchen fröhlich kreischend entgegen und gibt mir einen dicken Kuss.

Ich träume nicht.

Ich halluziniere nicht.

Ich skype.
Dem Universum sei Dank für Skype, das Internet und alle fröhlichen, positiven Menschen!
Hätten wir einen anderen Kurs nehmen oder uns durchbeißen sollen?

Ich rufe die Situation noch mal vor meinem inneren Auge auf:

Wir hatten um die 25 Knoten Wind und drei Meter Welle gegen uns. Kurze Schläge brachten uns in der Stunde vielleicht 2 Meilen weiter, obwohl wir den Motor zu Hilfe nahmen und so höher an den Wind kamen. Direkt gegen an, mit Motor, war noch langsamer, auch war der Autopilot mit der Wellenkraft gegen ihn überfordert. Wir hatten 50 Meilen vor uns. Auch ein langer Schlag hätte daran nichts geändert, und vielleicht sogar noch mehr abgetrieben. Wir hätten weiterhin per Hand steuern müssen, um überhaupt hoch genug für die 2 Meilen am Wind fahren zu können. Sicher, das Band mit dem Wind auf die Nase war vielleicht nur 5 oder 10 Meilen breit, auch dafür hätten wir Stunden gebraucht, ohne zu wissen, was danach kommt, wie wir durchs beginnende Verkehrstrennungsgebiet kommen. Denn die Containerschiffe, die von Afrika aus hochkommen fahren vor oder hinter Gran Canaria durch. Wir waren bereits relativ erschöpft, weil wir ja schon viel per Hand gesteuert hatten. Vor uns lagen mindestens 15 Stunden weitere Anstrengung, sowohl Richtung San Miguel als auch Puerto de Mogan. San Miguel lag genau dort, wo der Wind herkam. Außer San Sebastian auf La Gomera war kein anderer Hafen in absehbarer Zeit erreichbar.

Unser Fehler war, das Revier zu unterschätzen und unsere Kräfte nicht gut genug eingeteilt zu haben.

Abdrehen war die richtige Entscheidung.
Punkt.

We got stuck at the black point

We got stuck at the black point, rigth between small El Hierro, left and big round Gran Canaria, middle

*Cousous a la Yemanja

2 Karotten, 1 Zucchini, 1 Aubergine, alles bissgroß schneiden, Auberginen zuerst in Olivenöl anbraten, Karotten dazu, bis fast gar, Zucchini dazu, mit Kreuzkümmel, Vegeta (Gemüsebrühe), Salz und Pfeffer würzen, eventuell einen Hauch Zimt dazu.

Das Gemüse kann jetzt gekühlt aufbewahrt werden.

Eine Handvoll Rosinen und eine normale Kaffeetasse feines Bulgur/Couscous mit heißem Wasser übergießen, nochmals Salz oder Vegeta dazu und quellen lassen. In der Zwischenzeit das Gemüse erwärmen.

Oder alles zusammen in einer Auflaufform im Ofen erwärmen. Oder Gemüse kalt ins Cousous mischen, je nach Seegang! Oder gleich essen, solange alles warm und frisch ist.

An Land schmeckt es auch mit fleischlicher Beilage, Lamm, zum Beispiel.

**Biodramina Chicle, erhältlich in spanischen Apotheken

21. Januar 2015
von Steffi
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Weißt du, wo das westlichste Ende der Welt liegt?

Wo fängt die Welt an, wo hört sie auf? In der Antike war zumindest letzteres den Menschen klar: Richtung Westen endet die Welt in El Hierro, weiter westlich kamen die Schiffe nicht!

Die EU sieht das heute anders: Wie sonst kam sie dazu, die Hafenmole und die Strandanlagen von La Restinga mit zu finanzieren? Prinzipiell finde ich es ja richtig, wenn die Starken den Schwachen unter die Arme greifen. Doch sobald ein Projekt nicht mehr aus eigener Kraft finanziert werden muss, fällt es um einiges größer, breiter, massiver und aufwendiger aus, als notwendig. Das ist westlich des Festlandes besonders und immer wieder auffällig. Hier in La Restinga ist die Hafenmole mit Leuchttürmen und Wellenmotiven geschmückt, dabei sind die Leuchttürme allein fast schon so massiv, dass sie den Ansturm der Wellen auch ohne Mauer dahinter trotzen könnten.

Und zu Hause weiß keiner, woher das Geld für die Sanierung der Leverkusener Brücke und hunderter Brücken mehr kommen soll!

Verrückt!

Und trotzdem ist die EU das Beste, was Europa je hervorgebracht hat. Jetzt muss sie nur noch besser werden. Oder wir alle bescheidener.

La Restinga ist ein Fischerdorf, heute gibt es hier ein Hotel, ein paar Tauchbasen, einen Anleger für 8 Schiffe bis 14m, einen Kran, um Schiffe behutsam aus dem Wasser zu heben, einige neue Häuser, eine Handvoll Bars und Restaurants, ein Bankerl, auf dem die älteren Männer in der Sonne sitzen. Viel mehr Menschen sieht frau nicht, der Ort ist zurzeit windgepeitscht und wirkt tatsächlich wie das Ende der Welt.

La Restinga

La Restinga

Wir nehmen den Bus um nach Valverde, dem Hauptort der Insel, zu fahren und einen kleinen Eindruck zu bekommen. Wieder einmal fällt uns die unglaubliche Freundlichkeit der Menschen auf, ihr Glück, wenn sie oder ihr Hund beachtet werden oder um Hilfe – Wo ist die Bushaltestelle? – gefragt werden.

Buskranker Hund

Buskranker Hund

Von La Restinga schlängelt sich die neue (EU lässt grüßen) Straße durch eine karge Vulkanlandschaft nach oben. Links kleine Kegel, rechts kleine Kegel, der letzte Ausbruch war 1793. Ich habe hier das Gefühl, es kann jeden Moment wieder losgehen.

Tatsächlich fand 2011/2012  im Meer vor La Restinga der jüngste Vulkanausbruch der Kanaren statt, der Ort wurde evakuiert. Sieben Kilometer vor der Küste war der erste Ausbruch, dann nur zweieineinhalb Kilometer entfernt brodelte das Wasser, viele Erdbeben erschütterten die Insel.

Das Land wird auf der Höhe fruchtbarer, Mandelbäume blühen, dazwischen weiden Schafe und Ziegen, dann wachsen Kiefern, schließlich weiden Kühe. Vor Valverde wird es wirklich grün. Am Meer unten stehen vier oder fünf gute deutsche Windmühlen: El Hierro bezieht seinen Strom ausschließlich durch Windenergie!

Deutsche Windräder

Deutsche Windräder

Gut, Industrie ist keine, viel ist nicht mit Strom zu versorgen, die Landwirtschaft wirkt immer noch sehr traditionell.

Mandelbäume

Mandelbäume

In Valverde steht eine hübsche Kirche auf einen ebenso hübschen Dorfplatz. Das war es dann. Wir trinken einen Kaffee und einen frischen Orangensaft und fahren mit dem nächsten Bus zurück.

Valverde

Valverde

Und das klingt jetzt so, als wäre El Hierro keine Reise wert, doch das stimmt so nicht.  Nicht umsonst ist El Hierro ein Biosphärenreservat! Wäre ich vorher nicht auf La Palma oder La Gomera gewesen, wäre ich hin und weg von der Vegetation, der Landschaft, den Mandelbäumen, den Wäldern und und und…

Doch so wirkt es auf mich nicht mehr neu und aufregend, ich finde meinen Enthusiasmus gerade nicht. Bestimmt hat ihn der Wind weggeblasen!

Der peitschende, heulende Wind, der mir hierro so auf die Nerven geht!

Toilettenhaus der Marina und des Strandes La Restinga

Toilettenhaus der Marina und des Strandes La Restinga

20. Januar 2015
von Steffi
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Macht nix kaputt!

Das legten uns Manni, Silvi und Miri von der Lady S ans Herz, als wir in La Gomera die Leinen los machten. Dummerweise haben wir uns nicht daran gehalten!

Um ein Uhr legten wir ab, setzten vorm Hafen Segel, Groß und Genua. Der Wind fuhr erst mal Achterbahn: Langsam quälte er sich mit zwei Knoten hinauf auf die Spitze, um dann mit 20 Knoten hinunter in den Loop zu sausen. Das allerdings in der Horizontale, nicht wie eine echte Achterbahn in der Vertikale. Wenn er kam, kam er aus allen Richtungen. Wenigstens war keine Welle, so konnten wir den Blick auf den Teide genießen und uns etwas an das Geschaukle gewöhnen. Dachten wir.

Relaxed sailing. El Teide, Spsin's highest mountain in the behhind

Relaxed sailing. El Teide, Spsin’s highest mountain in the behhind

Um sechs gab es Abendessen, Gemüse mit Couscous. Warum ich den ersten Tag auf See esse, weiß ich nicht so genau, es bleibt ja eh nicht drinnen…

Wind war keiner, es wurde dunkel, ich zog mir schon mal mein schweres Ölzeug für die Nacht an, mit dicker Unterwäsche.

Wind war immer noch keiner.

„Ich glaube, wir sind in dem windlosen Band, das sich auf unseren Weg schmal nach unten zieht.“
„Ich glaub‘ auch. Wir rollen die Genua ein und fahren mit Motor raus.“

Kaum war die Genua eingerollt, der Motor an, legte der Wind von jetzt auf gleich los: Erst zwei Knoten, dann zwanzig – und das praktisch aus der Richtung in die wir wollten!

„War das angesagt?“
„Die Stärke schon, die Richtung nicht! Komm, lass uns reffen!“

Und dabei machten wir einen Fehler.

Den wir allerdings lange nicht bemerkten.

Mittlerweile war es dunkel, es ist ja auch hier Winter. So konnten wir nicht erkennen, ob die rote oder die blaue Leine für das erste Reff zuständig war und Tomy nahm die falsche, das korrigierten wir allerdings bald. Außerdem wollte er es besonders gut machen und band das Segel mit Reffbändseln fest, etwas, das wir bisher noch nie gemacht hatten. Und wie Tomy so ist, band er sie richtig fest.

Nach fest kommt kaputt, sagt er immer…

Der Wind blies um die 20 Knoten, genauso, wie Yemanja es gerne mag. Die Windsteueranlage tat ihren Dienst, nur den Kurs konnten wir nicht halten, denn der Wind kam aus Südwest. Wir fuhren also fröhlich Richtung Westafrika. Oder zurück, je nachdem. Na, irgendwann würde der Wind schon drehen, schließlich kommt er hier so gut wie immer aus Nordost bis Ost.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich Tomy, der zwar in der Koje lag, aber nicht schlafen konnte, weckte, weil Sissi, die Windsteueranlage, aus dem Ruder lief und ich sie nicht eingestellt bekam. Und von da an verschwimmt in meinem Kopf alles, ich habe keine genaue Erinnerung mehr.

Tomy steuerte von Hand, irgendwie wollte Sissi nicht. Der Wind drehte, so fuhr Tomy eine oder zwei Patenthalsen. Sicher, die tun dem Rigg nicht gut, allerdings war das Segel dabei recht dicht geholt, weil wir ja eigentlich immer noch gegen an segelten. Doch das Seltsame war, dass wir danach nicht wieder wenden konnten. Yemanja drehte einfach nicht durch den Wind, wir fuhren mit Motor herum.

Das hätte uns zu denken geben können, tat es aber nicht. Wir hatten ja auch Sissi noch im Wasser, und nehmen immer noch an, dass es daran lag. Was ja vielleicht auch stimmt.

Irgendwann, als der Wind endlich aus der richtigen Richtung kam, wollte Tomy umdrehen.
Ich zeigte ihm einen Vogel – gegen 25 Knoten Wind zurück?
Also weiter.

Ich glaube, zu dem Zeitpunkt, war mein Abendessen schon bei den Fischen.

So gegen vier Uhr früh bemerkte Tomy bei seinem Rundumblick, dass die Lazy Jacks, die Führung der Segel zum einfacheren Bergen der Segel, auf der Steuerbordseite gerissen waren. Und da sah er auch das Loch: Das Großsegel war an einem Reffauge eingerissen, nicht dramatisch, wie ich glaube, aber kaputt ist es doch. Wären die Lazy Jacks  nicht gerissen, hätten wir es erst bei Tag entdeckt – zu spät, um umzukehren.

Mittlerweile waren wir südlich von El Hierro. An der Stelle trieben wir uns etwa vier Stunden herum, versuchten zurück zu kommen. Hätten wir das windlose Band erreicht, das laut Wetterbericht immer noch südlich von Teneriffa lag, hätten wir es vielleicht auch geschafft. Doch es war nicht möglich in absehbarer Zeit dahin zu kommen.

Also auf nach El Hierro, nach La Restinga am Südkap, dem einzigen Hafen mit Steganlagen, allerdings ohne Segelmacher. Notfalls müssten wir dann eben mit der Fähre unser Segel zum Segelmacher bringen, aber zumindest wären wir dort in Sicherheit.

Allerdings lag vor El Hierro ein Starkwindband von 30 bis 35 Knoten. Dazu kommt die Düsenwirkung an den Inseln. Fünf Meilen vor El Hierro hatten wir dann Böen bis 47 Knoten, Windstärke 9, mit entsprechender Welle von der Seite. Wir liefen mit Motor und kaputtem, minimiertem Großsegel dagegen an, handsteuernd, mit den Bedingungen war Franz, der Autopilot überfordert, Sissi versuchten wir, warum auch immer, gar nicht. Wir wechselten uns alle 20 Minuten mit dem Steuerradfesthalten ab, einfach weil das Sitzen unbequem wurde.

Tatsächlich klappte das ganz gut: Ich hing mit dem Gurt an Steuerbord fest, benutzte ihn quasi als Trapez, damit konnte ich halbwegs bequem an Backbord sitzen und mit der rechten Hand das Steuer unten festhalten. Das kostete kaum Kraft, ich döste sogar vor mich hin. Gelegentlich erschreckte mich eine Salzwasserdusche, doch dick im Ölzeug war mir das egal. Nur einmal lief mir eine den Rücken hinunter – ich hatte gerade aufgesehen. War aber nicht schlimm.

Derweil tanzte Yemanja schön brav die Wellen rauf und runter, gelegentlich knallte sie auch hart auf, oder geriet in gute Schräglage. Nie fühlte ich mich unsicher, nur müde und erschöpft. Tomy hat es schlimmer getroffen, er war wohl mehr in Sorge ums Schiff. Oder stärker seekrank, er kotze erst jetzt. Vielleicht auch desillusioniert. Vielleicht hat er nie geglaubt, dass uns das passieren würde.

Ich schon.

Und ich weiß, dass Ent-Täuschung das Leben langfristig schöner macht. Und sicherer.

Das Beste an allem war, dass ich nicht fror! Manchmal kam ich mir vor, wie im Frühling in der Ramsau: Der Schnee schmilzt, alles tropft um mich herum, doch ich liege dick eingepackt in der warmen Frühlingsonne…

Um ein Uhr Mittag lagen wir sicher in La Restinga und fühlten uns etwas gestrandet: Die Häuseransammlung sahen verlassen aus, im Hafen lagen vielleicht 10 Segler, nur zwei davon Fahrtensegler, Franzosen. Die einzige und öffentliche Toilette ist in einem windschiefen Hütterl, dessen Tür nicht schließt. Der Marineiro sieht so finster drein, als wollte er uns gleich fressen. Ich traute mir gar nicht, ihm die Leinen anzugeben. Unser Bett war nass, irgendwie hat das überkommende Wasser den Weg da hinein gefunden, ebenso in vier Schapps. Einige Bücher sind feucht, ein paar CD’s lösen sich im Salzwasser auf. Beim Prüfen, ob das Wasser in den Stauraum unter dem Bett geflossen ist, stellten wir fest, warum es in unserem Schlafgemach so seltsam roch: Ein paar Bierdosen waren ausgelaufen, Wasserflaschen und Dosen lagen in einer schmierigen, bräunlichen und ekelhaften Soße…

Nicht unser Tag!

Heute scheint die Sonne, der Wind brüllt nicht mehr, auch wenn er noch nicht leise ist. Unsere Wunden sind geleckt, wir haben 12 Stunden gut geschlafen. Der Marineiro schaut immer noch grimmig, ist jedoch sehr nett. Der Ort ist immer noch extrem beschaulich, eine Hotelanlage, ein kleiner, aber feiner Supermarkt, zwei Kneipen, eine schöne Strand- und Hafenanlage. Und vor allem: Frisches, warmes Baguette! Das mit leckerem Olivenöl und Salz, eine Tasse Tee und meine Welt ist wieder in Ordnung. Termin mit dem Segelmacher steht, auch wenn wir immer noch nach Gran Canaria dafür müssen: Am Donnerstag lässt der Wind nach, dann kommen wir gut gegen an. Wir können dann immer noch ausweichen nach Teneriffa oder so.

Bleibt die Frage, was tun, wenn das Segel so am halben Weg über den Atlantik reißt, in Wind und Welle. Wir haben keine Antwort. Doch ich bin sicher, dass uns etwas einfallen würde.

Heute Abend machen wir Party. Das Bier in den rostigen Dosen muss weg.

 

Ach ja, und alle die es jetzt besser wissen sind eingeladen – es besser zu machen! Ich gönn es euch!

19. Januar 2015
von Steffi
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Segel gerissen

Für alle, die sich fragen, warum wir jetzt auf El Hierro statt Richtung Kap Verden: Das Großsegel ist gerissen, warum müssen wir noch analysieren. Weiß jemand einen Segelmacher hier?

Ausführlicher Bericht folgt!

 

17. Januar 2015
von Steffi
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Der hillige Basti – San Sebastian

hat am 20. Januar Namenstag, Grund genug für die Einwohner von San Sebastian ihren Namenspatron schon heute groß zu feiern. Und für uns, unsere Abfahrt nach den Kap Verden noch einen Tag zu verschieben.

Schon heute Morgen kommen die ersten Gäste und Folkloregruppen mit der Fähre an. Die Straßen sind bunt geschmückt, das Festzelt aufgebaut. Alt und Jung sind festlich in Trachten gekleidet, mischen sich mit den Touristen. Gruppen junger Mädchen stehen lachend, ins Handy tippend am Straßenrand. Alte Frauen lehnen sich erwartungsvoll aus dem Fenster, Kinder ebenso.

Die Parade beginnt am oberen Ende der Hauptstraße. Dem Fahrzeug der Polizei folgen tanzend und singend etwa 10 Folkloregruppen, allen voran die Romera Mayor mit ihren Hofdamen. Was es genau damit auf sich hat, hab ich nicht herausgefunden: Die erste Gruppe tanzt zum Rhythmus von riesigen Kastagnetten, es folgen Sängerinnen und Gitarren Spieler, urige Typen, schöne Frauen und süße Kinder. Vor der Kirche bringt jede Gruppe dem geschmückten Patron im knappen Lendenschurz ein Ständchen dar.

Danach ziehen sie weiter, gestärkt mit gekochten Kartoffeln, beträufeld mit roter Mojo, Soße, Schafskäse und etwas, das wie Mandelgebäck ausieht. Mitgeschleppt wird das alles im Baggagewägelchen, wie in Kölle im Karneval sind das verzierte Kinder- oder Leiterwagen.

Ihr Ziel ist das Festzelt, in dem bis spät in die Nacht getanzt wird: Väter wirbeln ihre Kinder herum, wie überall auf der Welt breiten diese die Arme aus, genießen das Fliegen und die Fliehkraft. Mütter wiegen sanft ihre Babies im Takt. Betagte Herren tanzen mit ihren betagten Frauen, Familien halten sich tanzend an den Händen. Eine lebensfrohe Dame, Touristin oder Althippie, tanzt sich auf die Bühne und ist von dort nicht mehr zu vertreiben…

Das Fest geht weiter, bis weit nach Mitternacht. Für uns geht es morgen weitern nach Cabo Verde!

 

Den Abend vor dem Fest verbringen wir mit Dietmar von der Summer mit leckeren Tapas, Kennenlernen und viel erzählen. Wir sind uns schon ein paar Mal über den Weg gelaufen, per Funk, bei Facebook und in der Marina, doch nie hat sich ein Gespräch ergeben. Am Heimweg kommen wir an einer Kneipe vorbei, an der die Einheimischen gemeinsam Gitarre spielen, rhythmisch unterstützt von einem Knochenbrett und einem Messer, an einer Flasche gewetzt.

Das ist es doch, was ich an dieser Welt so liebe: Die Kreativität, die Gemeinschaft, Schönheit und Freude!