21. Januar 2015
von Steffi
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Weißt du, wo das westlichste Ende der Welt liegt?

Wo fängt die Welt an, wo hört sie auf? In der Antike war zumindest letzteres den Menschen klar: Richtung Westen endet die Welt in El Hierro, weiter westlich kamen die Schiffe nicht!

Die EU sieht das heute anders: Wie sonst kam sie dazu, die Hafenmole und die Strandanlagen von La Restinga mit zu finanzieren? Prinzipiell finde ich es ja richtig, wenn die Starken den Schwachen unter die Arme greifen. Doch sobald ein Projekt nicht mehr aus eigener Kraft finanziert werden muss, fällt es um einiges größer, breiter, massiver und aufwendiger aus, als notwendig. Das ist westlich des Festlandes besonders und immer wieder auffällig. Hier in La Restinga ist die Hafenmole mit Leuchttürmen und Wellenmotiven geschmückt, dabei sind die Leuchttürme allein fast schon so massiv, dass sie den Ansturm der Wellen auch ohne Mauer dahinter trotzen könnten.

Und zu Hause weiß keiner, woher das Geld für die Sanierung der Leverkusener Brücke und hunderter Brücken mehr kommen soll!

Verrückt!

Und trotzdem ist die EU das Beste, was Europa je hervorgebracht hat. Jetzt muss sie nur noch besser werden. Oder wir alle bescheidener.

La Restinga ist ein Fischerdorf, heute gibt es hier ein Hotel, ein paar Tauchbasen, einen Anleger für 8 Schiffe bis 14m, einen Kran, um Schiffe behutsam aus dem Wasser zu heben, einige neue Häuser, eine Handvoll Bars und Restaurants, ein Bankerl, auf dem die älteren Männer in der Sonne sitzen. Viel mehr Menschen sieht frau nicht, der Ort ist zurzeit windgepeitscht und wirkt tatsächlich wie das Ende der Welt.

La Restinga

La Restinga

Wir nehmen den Bus um nach Valverde, dem Hauptort der Insel, zu fahren und einen kleinen Eindruck zu bekommen. Wieder einmal fällt uns die unglaubliche Freundlichkeit der Menschen auf, ihr Glück, wenn sie oder ihr Hund beachtet werden oder um Hilfe – Wo ist die Bushaltestelle? – gefragt werden.

Buskranker Hund

Buskranker Hund

Von La Restinga schlängelt sich die neue (EU lässt grüßen) Straße durch eine karge Vulkanlandschaft nach oben. Links kleine Kegel, rechts kleine Kegel, der letzte Ausbruch war 1793. Ich habe hier das Gefühl, es kann jeden Moment wieder losgehen.

Tatsächlich fand 2011/2012  im Meer vor La Restinga der jüngste Vulkanausbruch der Kanaren statt, der Ort wurde evakuiert. Sieben Kilometer vor der Küste war der erste Ausbruch, dann nur zweieineinhalb Kilometer entfernt brodelte das Wasser, viele Erdbeben erschütterten die Insel.

Das Land wird auf der Höhe fruchtbarer, Mandelbäume blühen, dazwischen weiden Schafe und Ziegen, dann wachsen Kiefern, schließlich weiden Kühe. Vor Valverde wird es wirklich grün. Am Meer unten stehen vier oder fünf gute deutsche Windmühlen: El Hierro bezieht seinen Strom ausschließlich durch Windenergie!

Deutsche Windräder

Deutsche Windräder

Gut, Industrie ist keine, viel ist nicht mit Strom zu versorgen, die Landwirtschaft wirkt immer noch sehr traditionell.

Mandelbäume

Mandelbäume

In Valverde steht eine hübsche Kirche auf einen ebenso hübschen Dorfplatz. Das war es dann. Wir trinken einen Kaffee und einen frischen Orangensaft und fahren mit dem nächsten Bus zurück.

Valverde

Valverde

Und das klingt jetzt so, als wäre El Hierro keine Reise wert, doch das stimmt so nicht.  Nicht umsonst ist El Hierro ein Biosphärenreservat! Wäre ich vorher nicht auf La Palma oder La Gomera gewesen, wäre ich hin und weg von der Vegetation, der Landschaft, den Mandelbäumen, den Wäldern und und und…

Doch so wirkt es auf mich nicht mehr neu und aufregend, ich finde meinen Enthusiasmus gerade nicht. Bestimmt hat ihn der Wind weggeblasen!

Der peitschende, heulende Wind, der mir hierro so auf die Nerven geht!

Toilettenhaus der Marina und des Strandes La Restinga

Toilettenhaus der Marina und des Strandes La Restinga

20. Januar 2015
von Steffi
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Macht nix kaputt!

Das legten uns Manni, Silvi und Miri von der Lady S ans Herz, als wir in La Gomera die Leinen los machten. Dummerweise haben wir uns nicht daran gehalten!

Um ein Uhr legten wir ab, setzten vorm Hafen Segel, Groß und Genua. Der Wind fuhr erst mal Achterbahn: Langsam quälte er sich mit zwei Knoten hinauf auf die Spitze, um dann mit 20 Knoten hinunter in den Loop zu sausen. Das allerdings in der Horizontale, nicht wie eine echte Achterbahn in der Vertikale. Wenn er kam, kam er aus allen Richtungen. Wenigstens war keine Welle, so konnten wir den Blick auf den Teide genießen und uns etwas an das Geschaukle gewöhnen. Dachten wir.

Relaxed sailing. El Teide, Spsin's highest mountain in the behhind

Relaxed sailing. El Teide, Spsin’s highest mountain in the behhind

Um sechs gab es Abendessen, Gemüse mit Couscous. Warum ich den ersten Tag auf See esse, weiß ich nicht so genau, es bleibt ja eh nicht drinnen…

Wind war keiner, es wurde dunkel, ich zog mir schon mal mein schweres Ölzeug für die Nacht an, mit dicker Unterwäsche.

Wind war immer noch keiner.

„Ich glaube, wir sind in dem windlosen Band, das sich auf unseren Weg schmal nach unten zieht.“
„Ich glaub‘ auch. Wir rollen die Genua ein und fahren mit Motor raus.“

Kaum war die Genua eingerollt, der Motor an, legte der Wind von jetzt auf gleich los: Erst zwei Knoten, dann zwanzig – und das praktisch aus der Richtung in die wir wollten!

„War das angesagt?“
„Die Stärke schon, die Richtung nicht! Komm, lass uns reffen!“

Und dabei machten wir einen Fehler.

Den wir allerdings lange nicht bemerkten.

Mittlerweile war es dunkel, es ist ja auch hier Winter. So konnten wir nicht erkennen, ob die rote oder die blaue Leine für das erste Reff zuständig war und Tomy nahm die falsche, das korrigierten wir allerdings bald. Außerdem wollte er es besonders gut machen und band das Segel mit Reffbändseln fest, etwas, das wir bisher noch nie gemacht hatten. Und wie Tomy so ist, band er sie richtig fest.

Nach fest kommt kaputt, sagt er immer…

Der Wind blies um die 20 Knoten, genauso, wie Yemanja es gerne mag. Die Windsteueranlage tat ihren Dienst, nur den Kurs konnten wir nicht halten, denn der Wind kam aus Südwest. Wir fuhren also fröhlich Richtung Westafrika. Oder zurück, je nachdem. Na, irgendwann würde der Wind schon drehen, schließlich kommt er hier so gut wie immer aus Nordost bis Ost.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich Tomy, der zwar in der Koje lag, aber nicht schlafen konnte, weckte, weil Sissi, die Windsteueranlage, aus dem Ruder lief und ich sie nicht eingestellt bekam. Und von da an verschwimmt in meinem Kopf alles, ich habe keine genaue Erinnerung mehr.

Tomy steuerte von Hand, irgendwie wollte Sissi nicht. Der Wind drehte, so fuhr Tomy eine oder zwei Patenthalsen. Sicher, die tun dem Rigg nicht gut, allerdings war das Segel dabei recht dicht geholt, weil wir ja eigentlich immer noch gegen an segelten. Doch das Seltsame war, dass wir danach nicht wieder wenden konnten. Yemanja drehte einfach nicht durch den Wind, wir fuhren mit Motor herum.

Das hätte uns zu denken geben können, tat es aber nicht. Wir hatten ja auch Sissi noch im Wasser, und nehmen immer noch an, dass es daran lag. Was ja vielleicht auch stimmt.

Irgendwann, als der Wind endlich aus der richtigen Richtung kam, wollte Tomy umdrehen.
Ich zeigte ihm einen Vogel – gegen 25 Knoten Wind zurück?
Also weiter.

Ich glaube, zu dem Zeitpunkt, war mein Abendessen schon bei den Fischen.

So gegen vier Uhr früh bemerkte Tomy bei seinem Rundumblick, dass die Lazy Jacks, die Führung der Segel zum einfacheren Bergen der Segel, auf der Steuerbordseite gerissen waren. Und da sah er auch das Loch: Das Großsegel war an einem Reffauge eingerissen, nicht dramatisch, wie ich glaube, aber kaputt ist es doch. Wären die Lazy Jacks  nicht gerissen, hätten wir es erst bei Tag entdeckt – zu spät, um umzukehren.

Mittlerweile waren wir südlich von El Hierro. An der Stelle trieben wir uns etwa vier Stunden herum, versuchten zurück zu kommen. Hätten wir das windlose Band erreicht, das laut Wetterbericht immer noch südlich von Teneriffa lag, hätten wir es vielleicht auch geschafft. Doch es war nicht möglich in absehbarer Zeit dahin zu kommen.

Also auf nach El Hierro, nach La Restinga am Südkap, dem einzigen Hafen mit Steganlagen, allerdings ohne Segelmacher. Notfalls müssten wir dann eben mit der Fähre unser Segel zum Segelmacher bringen, aber zumindest wären wir dort in Sicherheit.

Allerdings lag vor El Hierro ein Starkwindband von 30 bis 35 Knoten. Dazu kommt die Düsenwirkung an den Inseln. Fünf Meilen vor El Hierro hatten wir dann Böen bis 47 Knoten, Windstärke 9, mit entsprechender Welle von der Seite. Wir liefen mit Motor und kaputtem, minimiertem Großsegel dagegen an, handsteuernd, mit den Bedingungen war Franz, der Autopilot überfordert, Sissi versuchten wir, warum auch immer, gar nicht. Wir wechselten uns alle 20 Minuten mit dem Steuerradfesthalten ab, einfach weil das Sitzen unbequem wurde.

Tatsächlich klappte das ganz gut: Ich hing mit dem Gurt an Steuerbord fest, benutzte ihn quasi als Trapez, damit konnte ich halbwegs bequem an Backbord sitzen und mit der rechten Hand das Steuer unten festhalten. Das kostete kaum Kraft, ich döste sogar vor mich hin. Gelegentlich erschreckte mich eine Salzwasserdusche, doch dick im Ölzeug war mir das egal. Nur einmal lief mir eine den Rücken hinunter – ich hatte gerade aufgesehen. War aber nicht schlimm.

Derweil tanzte Yemanja schön brav die Wellen rauf und runter, gelegentlich knallte sie auch hart auf, oder geriet in gute Schräglage. Nie fühlte ich mich unsicher, nur müde und erschöpft. Tomy hat es schlimmer getroffen, er war wohl mehr in Sorge ums Schiff. Oder stärker seekrank, er kotze erst jetzt. Vielleicht auch desillusioniert. Vielleicht hat er nie geglaubt, dass uns das passieren würde.

Ich schon.

Und ich weiß, dass Ent-Täuschung das Leben langfristig schöner macht. Und sicherer.

Das Beste an allem war, dass ich nicht fror! Manchmal kam ich mir vor, wie im Frühling in der Ramsau: Der Schnee schmilzt, alles tropft um mich herum, doch ich liege dick eingepackt in der warmen Frühlingsonne…

Um ein Uhr Mittag lagen wir sicher in La Restinga und fühlten uns etwas gestrandet: Die Häuseransammlung sahen verlassen aus, im Hafen lagen vielleicht 10 Segler, nur zwei davon Fahrtensegler, Franzosen. Die einzige und öffentliche Toilette ist in einem windschiefen Hütterl, dessen Tür nicht schließt. Der Marineiro sieht so finster drein, als wollte er uns gleich fressen. Ich traute mir gar nicht, ihm die Leinen anzugeben. Unser Bett war nass, irgendwie hat das überkommende Wasser den Weg da hinein gefunden, ebenso in vier Schapps. Einige Bücher sind feucht, ein paar CD’s lösen sich im Salzwasser auf. Beim Prüfen, ob das Wasser in den Stauraum unter dem Bett geflossen ist, stellten wir fest, warum es in unserem Schlafgemach so seltsam roch: Ein paar Bierdosen waren ausgelaufen, Wasserflaschen und Dosen lagen in einer schmierigen, bräunlichen und ekelhaften Soße…

Nicht unser Tag!

Heute scheint die Sonne, der Wind brüllt nicht mehr, auch wenn er noch nicht leise ist. Unsere Wunden sind geleckt, wir haben 12 Stunden gut geschlafen. Der Marineiro schaut immer noch grimmig, ist jedoch sehr nett. Der Ort ist immer noch extrem beschaulich, eine Hotelanlage, ein kleiner, aber feiner Supermarkt, zwei Kneipen, eine schöne Strand- und Hafenanlage. Und vor allem: Frisches, warmes Baguette! Das mit leckerem Olivenöl und Salz, eine Tasse Tee und meine Welt ist wieder in Ordnung. Termin mit dem Segelmacher steht, auch wenn wir immer noch nach Gran Canaria dafür müssen: Am Donnerstag lässt der Wind nach, dann kommen wir gut gegen an. Wir können dann immer noch ausweichen nach Teneriffa oder so.

Bleibt die Frage, was tun, wenn das Segel so am halben Weg über den Atlantik reißt, in Wind und Welle. Wir haben keine Antwort. Doch ich bin sicher, dass uns etwas einfallen würde.

Heute Abend machen wir Party. Das Bier in den rostigen Dosen muss weg.

 

Ach ja, und alle die es jetzt besser wissen sind eingeladen – es besser zu machen! Ich gönn es euch!

19. Januar 2015
von Steffi
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Segel gerissen

Für alle, die sich fragen, warum wir jetzt auf El Hierro statt Richtung Kap Verden: Das Großsegel ist gerissen, warum müssen wir noch analysieren. Weiß jemand einen Segelmacher hier?

Ausführlicher Bericht folgt!

 

17. Januar 2015
von Steffi
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Der hillige Basti – San Sebastian

hat am 20. Januar Namenstag, Grund genug für die Einwohner von San Sebastian ihren Namenspatron schon heute groß zu feiern. Und für uns, unsere Abfahrt nach den Kap Verden noch einen Tag zu verschieben.

Schon heute Morgen kommen die ersten Gäste und Folkloregruppen mit der Fähre an. Die Straßen sind bunt geschmückt, das Festzelt aufgebaut. Alt und Jung sind festlich in Trachten gekleidet, mischen sich mit den Touristen. Gruppen junger Mädchen stehen lachend, ins Handy tippend am Straßenrand. Alte Frauen lehnen sich erwartungsvoll aus dem Fenster, Kinder ebenso.

Die Parade beginnt am oberen Ende der Hauptstraße. Dem Fahrzeug der Polizei folgen tanzend und singend etwa 10 Folkloregruppen, allen voran die Romera Mayor mit ihren Hofdamen. Was es genau damit auf sich hat, hab ich nicht herausgefunden: Die erste Gruppe tanzt zum Rhythmus von riesigen Kastagnetten, es folgen Sängerinnen und Gitarren Spieler, urige Typen, schöne Frauen und süße Kinder. Vor der Kirche bringt jede Gruppe dem geschmückten Patron im knappen Lendenschurz ein Ständchen dar.

Danach ziehen sie weiter, gestärkt mit gekochten Kartoffeln, beträufeld mit roter Mojo, Soße, Schafskäse und etwas, das wie Mandelgebäck ausieht. Mitgeschleppt wird das alles im Baggagewägelchen, wie in Kölle im Karneval sind das verzierte Kinder- oder Leiterwagen.

Ihr Ziel ist das Festzelt, in dem bis spät in die Nacht getanzt wird: Väter wirbeln ihre Kinder herum, wie überall auf der Welt breiten diese die Arme aus, genießen das Fliegen und die Fliehkraft. Mütter wiegen sanft ihre Babies im Takt. Betagte Herren tanzen mit ihren betagten Frauen, Familien halten sich tanzend an den Händen. Eine lebensfrohe Dame, Touristin oder Althippie, tanzt sich auf die Bühne und ist von dort nicht mehr zu vertreiben…

Das Fest geht weiter, bis weit nach Mitternacht. Für uns geht es morgen weitern nach Cabo Verde!

 

Den Abend vor dem Fest verbringen wir mit Dietmar von der Summer mit leckeren Tapas, Kennenlernen und viel erzählen. Wir sind uns schon ein paar Mal über den Weg gelaufen, per Funk, bei Facebook und in der Marina, doch nie hat sich ein Gespräch ergeben. Am Heimweg kommen wir an einer Kneipe vorbei, an der die Einheimischen gemeinsam Gitarre spielen, rhythmisch unterstützt von einem Knochenbrett und einem Messer, an einer Flasche gewetzt.

Das ist es doch, was ich an dieser Welt so liebe: Die Kreativität, die Gemeinschaft, Schönheit und Freude!

El Teide, Teneriffa von La Gomera aus gesehen

17. Januar 2015
von Steffi
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La Gomera

Stell dir vor, du würdest mit einem Heißluftballon über La Gomera fliegen. Ja, klar, du könntest auch ein Flugzeug nehmen, wäre aber längst nicht so romantisch. Also du stehst in diesem Korb unter dem Ballon und schaust in die Tiefe und erblickst –

Eine gigantische, leicht plattgedrückte und terrassierte Zitronenpresse!

An ihrer Spitze, dem Gipfel Garajonay, wird das Wasser aus den Passatwolken gepresst, Nebelwald heißt die Vegetation drum herum. Lorbeerbäume, Baumheiden, bewachsen mit Moos und meterlangen Flechten verzaubern den Wald. Auch Mitteleuropa war mal von diesen Wäldern bedeckt, doch sie überlebten dort nicht die letzte Eiszeit, auf Madeira und La Gomera schon. Ich könnte hier jetzt ein Foto vom Elfenwald in Rabacal auf Madeira einfügen und kein Mensch tät’s merken…

La Gomera

Blick über den Nebelwald auf den Teide

Dir aber, da oben unterm Ballon stechen die schwarzen Baumgerippe südlich vom Garajonay ins Auge. Traurig ist das schon, wenn 12km² Weltnaturerbe einfach so verbrennen. Doch wir sehen so mehr. Der Brand schlug nicht über den Grat, sodass nördlich der Straße der Wald immer noch wie in Urzeiten gedeiht.

La Gomera

Burned Forest on top of Garajonay

So, und jetzt habe ich dich angeschwindelt. Du da oben in deinem Ballon siehst nichts als Nebel!

Wenn du etwas tiefer gehst, bemerkst du, wie der stürmische Wind die Wolken über die Grate fetzt. Nicht nur dir da oben ist eisig kalt, auch den Menschen, die hier wandern oder einen Blick auf die tiefen, zerklüfteten Einschnitte werfen wollen.

La Gomera

Fog over La Gomera

Also gehst du tiefer, landest am Strand von Valle Gran Rei: Dort wirft dich die Wärme um! Kinder plantschen im Atlantik, die älteren Herrschaften suchen verzweifelt den Schatten vor einem Kaffeehaus mit hausgemachten, deutschen Torten oder einer Bar mit kühlem Bier. Tropische Pflanzen wachsen in den Gärten oder schmücken in allerlei Gefäßen liebevoll die Treppen und Höfe.

LaGomera (10)

Aber halt, da waren doch noch die Schluchten mit ihren Terrassen.

La Gomera

Valle Gran Rei

Es sind diese Terrassen, die mich bezaubern (Du kannst jetzt im Schatten oder vorm Kamin weiterlesen): Sie schmiegen und winden sich die Hänge hinauf und hinunter, gaben wohl einst dem Zuckerrohr Halt und Wasser, heute sind sie fast alle sich selbst überlassen. Doch das Seltsame daran ist: Sie sind nicht wie in La Palma von Schlinggewächsen oder Kakteen wild überwuchert, sie wirken kultiviert:

Manche erinnern an Reisfelder, in anderen wachsen Agaven, Aeonium, Margeriten oder kleine Drachenbäume. Dazwischen wachsen Palmen, einzeln oder in Gruppen. An anderen Stellen übernehmen nach und nach die Lorbeerbäume und Heiden. In den wenigen, die noch kultiviert werden, gedeihen Bananen oder Wein, seltener, im Hausgarten, auch Gemüse oder Obst.

La Gomera

Terrassen

Mir haben es auch diese kleinen Drachenbäume angetan, die im Osten über San Sebastian gemeinsam mit Agaven und Margeriten die fast kahlen Hänge bedecken. Sagen wir so: Sie sehen aus wie kleine Drachenbäume, sind aber keine, weil es keine strauchartigen Drachenbäume gibt. Sagt Wikipedia. Vermutlich sind es Kleinien.

Kleinie

Kleinie

Ist schon verrückt, diese menschliche Angewohnheit, vor Allem die der Naturwissenschaftler, alles mit einem Namen und einem Etikett zu versehen und dann in eine Schublade zu stecken. Frei davon bin ich auch nicht, ich will unbedingt wissen, wie diese farnartigen Löwenzahnsträucher heißen…

strauchartiger Löwenzahn  oder Gänsedistel

strauchartiger Löwenzahn oder Gänsedistel

Gänsedisteln sind es, wieder laut Wikipedia.

Ich tu beide in die Schublade „Schön“.

Das Wetter kommt in die Schublade: „Sehr windig“. Hier im Hafen weht es kräftig, der Wind heult und jault und pfeift, als wollte er uns etwas mitteilen. So etwas wie: „Hast du den Verstand, äh ein Schaf, verloren?“

Es gibt hier auf La Gomera tatsächlich eine alte Pfeiffsprache, El Silbo, mit der sich die Hirten früher über die Täler und den Wind hinweg über das Notwendigste unterhalten konnten. Die jungen Leute heue können das heute kaum mehr. Im Centro dos Visitantes wird das in einem Video vorgeführt. Eindrucksvoll, konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass man so viele Töne und Tonfolgen durch Pfeifen hervorbringen kann!

Heute hatten wir Glück. Nach dem eisigen und feuchten Wind am Mittwoch, der Sicht und Aufenthalt im Freien zumindest in den Höhen verleidete, hatten wir heute herrliche Weitsicht vom Gipfel des Garajonay aus: Die Insel selbst, El Hierro und La Palma in der Ferne, lagen uns zu Füßen, über uns drohnte der Teide…

In der Ferne El Hierro

In der Ferne El Hierro

La Gomera lohnt sich! Nicht von oben überflogen, sondern mit den Füßen erwandert und in die berühmten Zwiebelschalen gekleidet!

Diese Hippies bekamen geld fürs Aufhören...

Diese Hippies bekamen Geld fürs Aufhören…