Am Ziel und doch weit weg

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Schwimmwesten und Lifelines werden komplett ueberbewertet. Das sag ich jetzt nur, um die Seglergruppe auf Facebook ein wenig aufzumischen, aber nicht ohne Grund. Und nicht ohne hinzu zu fuegen: Wir tragen sie ausser bei extrem ruhigen Bedingungen immer, sind auch immer eingepickt. Denn auf diesem Schiff gibt es nur ein Gesetz: Alle Menschen bleiben an Bord.

Wie ich darauf komme? Gemach, gemach

(Verwendet ausser einem Buechernerd noch jemand dieses Wort?)

In dem Moment, in dem die Nacht am kaeltesten ist, der Moment, an dem ich hier in kurz vorm Aequator und unter Deck nach meiner Bettdecke greife, weckt mich Tomy. Wir sind kurz vor der Einfahrt in die Bucht von Lencois und muessen noch mal das Segel auf die andere Seite legen, dann haben wir freie Fahrt. Tomy kuppelt Sissi aus, holt das Ruderpendel auf, dankt ihr und laesst sie endlich ausruhen. Die restlichen Meilen will er selbst steuern.

Die steife Brise weht immer noch mit ueber 20 Knoten, geht auch schon mal auf 28 rauf, die Welle ist etwas ruhiger, nur mehr einen guten Meter, daf unruhig und kurz. Und da kommen uns die ersten Fischer entgegen. Weit muessen wir um ihr Netz herumfahren, nur wenige Meter trennen uns noch von der Brandung. Die Fischer winken freundlich und wenden sich wieder dem Einholen des Netzes zu.

Frei stehend, auf einer Nussschale, nicht viel groesser als unsere, ohne Schwimmweste, ohne Sicherung. All das wuerde sie nur bei der Arbeit behindern.

Sie haben wohl ein Gespuer fuer das Meer

Eines, das normal segelnde Menschen aus der Zivilisation nie bekommen werden, vielleicht auch gar nicht begreifen koennen. Ein Sinn f Wind, Welle und Wasser.

Wir streben dem ausgewiesenen Ankerplatz vor dem Leuchtturm zu, denn es ist zu frueh, um in den Kanal einzufahren – das ist erst ab halber einlaufender Tide moeglich. Wir muessen also weitere drei Stunden ueberbruecken.

Wer auf die Idee kam, diesen Platz als Ankerplatz auszuweisen, weiss ich nicht. Wir wissen nur: Auf 20 m Tiefe, bei 25 Knoten Wind und darauf stehender Welle von einem Meter, wollen wir da nicht liegen. Wir beschliessen, einfach davor auf und ab zu kreuzen und fahren recht tief in die dann doch ruhiger werdende Bucht ein.

Dabei hat uns einfach der Segel-Verstand verlassen. Denn wer vor dem Wind rein faehrt, muss zurueck kreuzen

Aber vielleicht war das auch Tomys Absicht. Denn jetzt ist er in seinem Element. Obwohl er schon seit vier Stunden hinterm Steuer steht, dreht er auf: Segeln heisst f ihn, hart an der Kante, schoen schraeg, gegenan zu brettern.

Ich hasse es.
Ich bin keine Seglerin. Und aus mir wird auch keine werden.

Nach einigen Haken sind wir doch puenktlich um 11 Uhr an der Einfahrt. Tomy uebergibt mir das Steuer und springt nach vorne ohne auf den Kurs oder den Plotter zu achten. Ich springe zum Plotter, um unser Schiff zu sehen – und kann gerade noch das Steuer vor der eingezeichneten erspuelten Sandbank herum reissen. Was folgt ist ein Anschiss von Tomy, ich solle gefaelligst Kurs halten

Nun gut, diese Sandbank habe ich umschifft, denke gerade, hier ist es doch eh tief, aber Moment, ich bin etwas weit rechts, lass mal lieber mehr in die Mitte

Der Tiefenmesser zeigt einen Meter, soviel sollten wir noch unterm Kiel haben. Nur leider stecken wir fest.
Mit Motor raus geht nicht, der schwitzt mal wieder und kreischt. Also wirft Tomy den Anker, das Wasser muesste ja noch mindestens einen Meter steigen.

In der naechsten halben Stunde tut sich gar nichts am Wasserstand. Aber der alte Schwede entspannt sich, holt uns rueckwaerts raus und bringt uns gut zum Ankerplatz vor dem Fischerdorf.

Mit uns kommt Comandante Roberth, ein Trimaran, beladen mit vollen Bierkaesten, Zementsaecken und allerlei anderen Notwendigkeiten und legt sich dahin, wo wir gerne liegen wollten. Na gut, dann eben weiter weg, obwohl wie angegeben, fuenf Meter Wassertiefe hat es hier nicht. Es sind 12, aber wir haben ja genug Kette. Und so liegen wir bald bombenfest, obwohl Tidenstrom und gut 20 Knoten Wind an Yemanja ziehen und zerren. Wir schlafen tief und gut in dieser Nacht.

Wir sind an einem Ort aus einer anderen Zeit, oder vielleicht zwischen den Zeiten, an einem verlorenen Ort in einer sich wandelnden Welt. Doch davon erzaehle ich dir, wenn ich wieder Internet habe und meine Worte mit Bildern illustrieren kann. Auch muss ich noch ein wenig recherchieren.

Dann wird auch dir klar, dass es sehr viel besser war, nicht beim Comandante zu ankern.

INFO: Genaueres zur Einfahrt und zum Ort folgt, wenn wir Internet haben. Also im nächsten Artikel

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