6. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 11

Wind!!!

Gestern kurz nach 14:00 UTC gaben wir auf: Der Wind war auf unter vier Knoten gesunken, unsere Geschwindigkeit auf unter zwei, die Segel schlugen – wir packten alles ein und warfen den Motor an. Gegen Mitternacht sollte der Wind zurueckkommen.

Nach unserer Funkrunde um 21:00 UTC versuchten wir es mit dem Grosssegel. Mit Motor wollten wir nachts nicht fahren, da kann ja keiner schlafen! Doch das Schlagen machte uns beide halb verrueckt. Dann nur die halbe Genua, ausgebaumt – nun, die schlug wenigstens nicht, auch wenn sie sehr schlapp herunterhing. Der Wind war unter vier Knoten kam mal aus Suedost, dann wieder aus Nordwest, drehte also um mehr als 180 Grad – ich bemuehte mich Yemanja auf Kurs zu halten bei einem Knoten Geschwindigkeit.

Und wenn frau dann da sitzt, die See neben ihr glatter und glatter wird, das Schiff nicht mehr knarrt und knarzt, kein Segel schlaegt und auch das Plaetschern der Wellen verstummt, kurz: vollkommene Stille einritt, dann fragt sie sich:

“Was wenn der Wind jetzt tagelang nicht wieder kommt? Es waere nicht das erste Mal, dass die Gribfiles ungenau sind! Haben wir genug Diesel an Bord? Und wirklich genug Wasser?”

Und dann wurde das Plaetschern wieder lauter, das Segel fuellte sich immer oefter.

Um halb zwei Uhr nachts wehte der Wind wieder konstant mit 8 Knoten aus Nordosten.

Ich weckte Tomy, wir setzten das Grosssegel, warfen Sissi ins Wasser und seitdem ist Segeln von seiner schoensten Seite angesagt:
Wenig Welle, konstanter Wind, um die 10, 11 Knoten, mit nur 30 Grad schwankenden Einfallswinkel! Rund 4 Knoten Fahrt fast auf Kurs 180 Grad sind drinnen – wir rasen dem Äquator und unserem ersten Wegpunkt, etwa auf halber Stecke,  entgegen!

Dahinter liegen die Kalmen, die Intertropische Konvergenzzone, jene Zone in der Plus+Plus=Minus ist, die nordoestlichen Winde und die suedoestlichen sich gegenseitig aufheben. Die genaue Lage dieser Zone diskutieren wir staendig: Jimmy Cornell, der Guru der Weltumsegler, behauptet, die ITCZ liege immer noerdlich des Aequators. Die Gribfiles derzeit zeigen nordoestliche Winde bis kurz hinter dem Aequator, dann einen Streifen wenig Wind, dann, so ab 4 Grad Sued die suedoestlichen Winde.
Also fuer mich sieht das eindeutig nach suedlich des Aequators aus!

“Aber Jimmy Cornell sagt, die ITCZ ist immer noerdlich!”
“Ja genau, die ITCZ richtet sich auch nach dem, was der Herr Cornell ihr vorschreibt!”

Der South Atlantic Circuit stimmt Jimmy Cornell zu, sagt, die Suedostwinde koennen bis 8 Grad Nord reichen…

Und dann eine kleine Einteilung der Windzonen: ITCZ noerdlich von 5 Grad Sued!

Auch die Squalls, jene lokalen tropischen Schlechtwettergebiete von kurzer Dauer, angeblich mit heftigen Boen, Regenschauern und Blitzen, verwirren uns: Blitze ja, Troepfeln ja, kurz – hmm, Wind??? Extrem wenig, aber drehend! Zumindest dauerten unsere beiden seltsamen, blitzdurchzogenen Erfahrungen mit dem Wetter einige Stunden bei drehendem Leichtwind.
Und wieder ist es der South Atlantic Circuit der sagt, ja, Squalls kommen mit meist viel Wind, kann aber eben auch gar keiner sein!

Ja, ja der Mensch neigt dazu, alles zu klassifizieren, mit Namen, Beschreibung und genauen Erkennungsmerkmalen zu versehen und dann in eine Schublade zu tun: Das Leben selbst laesst sich aber nicht in einen Kaefig stecken, das Wetter schon gar nicht – es ist wie es ist, ganz egal wie wir es bennenen!

Gleich funken wir wieder mit Robusta – sie sind auf unserm Längengrad, etwa 13 Meilen vor uns, allerdings leicht oestlicher als wir unterwegs. Sehen koennnen wir sie nicht, aber UKW funktioniert.
Sailor Moon muss etwa 60 Meilen etwas nordwestlich hinter uns sein, Cariad etwa 90 Meilen oestlich von uns.

Die Crews der anderen Schiffe stoehnen unter der Hitze, doch unser Verdeck bietet auf diesem Kurs gut Schutz vor der Sonne, der Wind von achtern blaest uns Kuehlung zu.

Geben wir dem Leben mal ein Etikett: Schoen!

5. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 10

“Shit!”
Diesmal fluche ich laut und Tomy raunzt still vor sich hin: Wir haben die ActionPro geschrottet, 400 Euro buchstaeblich im Eimer. Im Wassereimer.

Wir wollten die Fische filmen, die hinter und unter Yemanja schwimmen, nur leider war das Unterwasergehaeuse der Kamera nicht dicht. Ich hab’ nicht auf meine innere Stimme gehoert, die mir sagte: “Pruefe, ob das Teil gut schliesst!” Andrerseits – vielleicht war einfach auch der Wasserdruck durch die Geschwindigkeit des Schiffes zu gross.

Ist jetzt auch egal, ist zu spaet!

Unsere Geschwindigkeit laesst nach wie vor Wuensche offen: Wir schaffen um die drei Knoten, bei 7 Knoten Wind, mit Grosssegel und auf die gleiche Seite ausgebaumter halber Genua, auch knapp Kurs ueber 180 Grad. Aber – es gibt einen Hoffnungsschimmer am fernen Horizont: Der eigentliche Kalmenguertel ist schmaeler geworden, der Wind soll tatsaechlich etwas auffrischen – auf etwas ueber 10 Knoten!

Meer macht bescheiden, demuetig und geduldig!

Vor diesem Hoffnungsschimmer liegt allerdings noch eine Flaute mit 2 Knoten Wind…

Und in der stecken wir jetzt, wo ich das sende: 2 Knoten Wind ginge ja noch, er kommt nur auch noch aus rundherum. Der Zeiger des Windeinfallmessers dreht sich wie ein Karussel.

Wir fahren mit Motor.

5. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 8 und 9

Mist! Posten per Email funktioniert nicht, das heisst, meine taeglichen Berichte kamen bis jetzt bei euch nicht an. Der Trost: Wenn ihr das lest, hat unsere liebste juengste Tochter alles in Ordnung gebracht, ob mit oder ohne Hilfe, weiss ich nicht.

Obwohl oder besser weil in den beiden letzten Tagen noch weniger Wind war – um die sieben Knoten – waren diese Tage unsere bisher aktivsten.

Gestern Morgen wollten wir den neuen Blister ausprobieren, also Gross runter, Blister nach vorne schleppen, auseinanderklauben, ein Leinengewirr vorfinden – und das, obwohl wir uns das Teil am Steg angesehen hatten. Also alles retour.

Nach dem Fruehstueck entwirrte ich erst mal die Leinen – ich haette nie gedacht, dass meine Faehigkeiten als Garn entwirrende Strickerin mal fuers Segeln nuetzlich sein wuerden! Dennoch entschieden wir uns fuer Schmetterling: Gross rechts, kleine Genua links ausgebaumt – das brachte immerhin rund 3 Knoten Richtung Sueden. Allerdings mussten wir per Hand steuern, Sissi, die Windsteueranlgae, schaffte das nicht so recht.

Irgendwann war uns die Unbeweglichkeit der Windpilotin doch suspekt – Tomy spruehte sie kraeftig mit Schmiermittel ein. Siehe da, jetzt tut sie wieder brav ihren Dienst.

Dieser feine Saharastaub verklebt und verschmiert so gut wie alles!

Der Windgenerator mag auch nicht mehr mit so viel Staub!

Der Windgenerator mag auch nicht mehr mit so viel Staub!

Tomy schnappte sich die Puetz und schwappte das Deck mit Salzwasser ab. Jetzt kann frau wenigstens wieder die Leinen anfassen.

Heute Morgen dann das gleiche Spiel: Gross runter, Blister nach vorne schleppen – diesmal gelingt es Tomy ihn hochzuziehen. Nur leider scheuern die Leinen an Wanten und Vorsegel. Er muesste genau vor uns fliegen, da steht er aber nicht, etwas steuerbord scheuern die Leinen backbords – was machen wir verkehrt???

Also wieder runter, Gross rauf, Fock raus, der Wind kommt etwas oestlicher, also baumt Tomy die halbe Genua auch rechts aus: Rund drei Knoten Fahrt, halbwegs gegen Sueden sind drin.

Allerdings dreht der Wind ebenso wie gestern teilweise und 90 Grad, von Nord auf Ost, ja teilweise noch mehr. Oder das Schiff schaukelt sich in den Wellen auf. Immer wieder knallen die Segel, zittert das Rigg: Tomy flucht leise vor sich hin “Jessas!” und “Ghee!” oder “Fuck!”.
Letzteres dann laut.

3. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 4 bis 7

27.02.2015 Fr Atlantic Crossing Tag 4

“Von hier drei Tage Richtung Sueden!”  war Milans Antwort auf meine verzweifelte Frage, wann denn endlich die Barfussroute beginnt. Ich bin geneigt ihm zuzustimmen.

Tagsueber hat es so 25 bis 30 Grad, aber solange der Wind von achtern ins Cockpit blaest, bleibt der Bikini im Schapp! Pulli und lange duenne Hose, im Schatten eine Decke sind durchaus angebracht. Fuer  gestern Nacht ueberlegte ich ernsthaft, ob ich eine meiner sieben dicken Zwiebelschalen durch eine duennere ersetzen keonnte – vielleicht die duenne Segelunterwaesche oder die leichtere Segelhose?
Ich entschied mich fuer die Leichtvariante und fror nicht!

Der Wind blaest aus Nordost mit 13 bis 15 Knoten, auch heute weichen wir tagsueber etwas nach Westen aus. Morgen soll der Wind mehr aus oestlicher Richtung kommen, dann kaemen wir ganz gut Richtung 190 Grad.

Manchmal laest der Wind nach, oder dreht um 60 Grad, das ist laestig, aber bisher kommen wir ganz gut und relativ bequem weiter. Und mittlerweile auch warm!

Nach wie vor funken wir zweimal taeglich mit der Robusta und sind per Email in Kontakt mit den anderen: Die Robusta will weiter in den Westen, hofft dort auf besseren Wind, Sailor Moon und wir meinen, da ist er auch nicht viel anders…

28.02.15 Sa Atlantic Crossing Tag 5

Wir spielen Windfangen. Zwischen 9 und 13 Knoten bewegt er sich jetzt, meinst aus ENE – Ostnordost, manchmal konstant und oft von Nord auf Ost drehend. Das Grossegel ist weit ausgebaumt, mit Bullenstander gesichert. Tomy rollt mal ein wenig Vorsegel aus, dann schlaegt es wieder zu viel, dann rollt er es wieder ein. Fuer den Blister meint Tomy, ist zuviel Wind, fuer Schmetterling zu wenig: Unsere schwere Genua wuerde einfach nicht stehen bleiben. Sissi schafft es bei dem wenigen Wind einfach nicht immer auf Kurs zu bleiben – entweder sie luvt zu stark an, oder der Wind kommt ploetzlich von der falschen Seite.  Also korrigieren wir staendig den Kurs. Damit schaffen wir es im Moment die angestrebten 190 Grad zu fahren, manchmal sogar schneller als 4 Knoten. 100 Meilen betrug unser heutiges Etmal, bisher durchschnittlich 113 pro Tag. Streckenmaessig haben wir nach fuenf Tagen ein Viertel hinter uns.

Wir werden wohl einen Langsamkeitsrekord fuer die Ueberfahrt nach Salvador aufstellen.

Gut, dass wir waehrend des Heimurlaubes unsere Ebook Reader vollgeladen haben!
Heute Morgen erwachten wir mit einer milchigen Sonne und komischen Dunst um uns herum: Der oestliche Wind weht feinen Sand uebers Meer. Alles ist mit einer feinen Schicht Sand bedeckt.

Wellen sind ja nicht viele, trotzdem wackelt staendig alles. Nichts geht ohne sich oder etwas festzuhalten. Ich koennte mein Familienbuch weiterschreiben, oder einen kleinen Salvadorfuehrer fuer die anderen drei Schiffe weit hinter und neben uns – wenn Schreiben und gleichzeitig Laptop festhalten etwas einfacher waeren!

Aber wisst ihr was mich am meisten nervt?

Ich spreche das jetzt aus, schwarz auf weiss, einer muss es tun: Auf einer winzigen Kloschuessel zu hocken und – mit beiden Armen und beiden Beinen irgendwie verkeilt und sich festkrallend – zu kacken. Ich sag’ euch, das ist echt besch…

01.03.15 So Atlantic Crossing Tag 6

Wo kommt nur dieses Kaeuzchen her? Huuut! Huuut macht es!
Ich liege im Cockpit, schaue hinauf in die Nacht: Im Norden liegt noch der Grosse Wagen, der Orion steht hoch ueber mir, doch das war es schon: Die  Sterne sind mir fremd. Der Mond steht wie eine Glasschuessel am Himmel, in die die Milch der Milchstraße fliesst.*

Ich lausche dem leisen Huuut Huuut, versuche herauszufinden woher es kommt. Es klingt genauso wie die Kaeuzchen in Kroatien:

Meine Gedanken reisen zurueck, sehen unsere drei kleinen blonden Maedchen mit den Schwimmfluege-ln am Strand von Mali Losinj – wie schoen ist doch der Blick nach Norden in der Cikat Bucht, mit dem azurblauen Meer und dem Televrina im Hintergrund! Immer noch ist das fuer mich einer der schoensten Flecken dieser Erde, viele Male  im Hier und Jetzt für die Ewigkeit festgehalten. Tomy schnitzt mit den Maedchen aus der Rinde der Pinien Boote und Delphine – und nachts singt mich das Kaeuzchen in den Schlaf. So wie frueher in Umag, als ich noch ein Kind war, oder spaeter, als Tomy und ich mit unserer kleinen Jemanja, einer Etap 21i, in Rovinj liegen.

Verrueckt – da stecke ich mitten im tollsten Abenteuer und habe Sehnsucht nach Kroatien! Oder nach Holland, dieses  schnucklige, schoene kleine Land! Ich werde immer Sehnsucht haben: Nach den Bergen der Ramsau, den Marillen meiner Kindheit, meiner Herkunftsfamilie, meinen Freunden, meinem Garten, meinem Hundchen, nach Salvador, nach St. Petersburg, nach Vancouver, nach Laos, nach meinen Kindern und meinem Engelchen, nach all den schoenen Zeiten, die ich einst erlebte und jetzt gestalte, hier und jetzt für immer – welch reiches Leben ich doch lebe! Dankbarkeit durchflutet mich, spuelt die Sehnsucht weg.

Und das Kaeuzchen?

Es reiht sich ein in die Geraeusche des Schiffes:
Das Klacken des Geraetetraegers
Das Klicken des Baumniederholers
Das Knarren und Knarzen der Schapps
Das Klirren des Bestecks
Das Klappern des Geschirrs
Das Rauschen der Wellen
Das Gurgeln und Glucksen des Wassers
Das Schwirren des Windgenerators
Das Pfeifen des Windes

Welche Leine, welches Reiben, welche Spannung, welches Schaben hier Huut! Huut macht – das finde ich nicht heraus!

Sicher ist nur, dass es uns schon seit Amsterdam begleitet.

*Das hab’ ich schon vor ein paar Tagen geschrieben. Mittlerweile ist die Mondschuessel voll mit einem Gupf Milchsternen – und der Wind auch nicht mehr als gestern!

02.03.15 Mo Atlantic Crossing Tag 7

Rings herum nur Meer. Auf dem schwimmen ein paar Saragossa Algen, genauer jede Menge. Soviel, dass wir bisher keine Angel ausgeworfen haben – so einen Teppich wollen wir nicht fangen! Angeblich kann frau das Zeug auch essen, aber Anja meinte sie hätten es probiert und lieber sein lassen.

Statt dessen fangen wir weiterhin den Wind, gestern Morgen versuchten wir es mit einem Schmetterling als Köder: Grosssegel rechts mit Bullenstander raus, kleines Vorsegel links ausgebaumt – abgesehen davon, dass wir Sissi dazu nicht eingestellt bekamen, waren wir auch nicht schneller. Also liessen wir den Schmetterling wieder frei…
Der Wind drehte weiter auf oestlich, wir konnten auch so den Kurs ganz gut halten, nur Fahrt machten wir wenig: 92 Seemeilen war unser gestriges Etmal.

Ein wenig Sorgen bereitete uns nur der Windgenerator. Auch wenn er nicht immer laedt, so dreht er sich doch auch bei leichtem Wind etwas, doch gestern blieb er stehen. Tomy fürchtete schon, dass der Laderegler hinueber sei. Oder konnte es am Sand liegen? Immer noch lag dieser feine, rote Saharastaub in der Luft und klebte sich ueberall fest, wo er auch nur ein wenig Halt fand: Die Leinen sind rot, die Reelingsdraehte haben eine weisse und eine rote Seite, die  Wndschutzscheibe ist staubig. Auch auf den Rotorblaettern des Silentwind klebt ein feiner roter Streifen.
Tomy warf ihn immer wieder mit dem Bootshaken an, das half fuer fuenf Minuten, dann stand er wieder.

Abends dann spinnt wie immer der Wind: Wir haben beaobachtet, dass der Wind eine Stunde vor bis eine Stunde nach Sonnenuntergang und -aufgang, nicht nur nachlaesst sondern auch wie wild dreht. So auch diesmal und zu allem Ueberfluss beginnt es zu regnen.
Tomy, der seit ein paar Tagen auch waehrend meiner Wache im Cockpit schlaeft, weil er unten kein Auge zutut, fluechtet.
Regen? Etwa 150 Troepflein treffen die Windchutzscheibe, vielleicht fuenfeinhalb den Windgenerator, dann ist der Spuk vorbei.
Doch es reicht: Der Silentwind schwirrt wieder sanft vor sich hin.

Heute Morgen ueberholt uns ein riesiges Containerschiff in etwa vier Meilen Abstand. Vor ein paar Tagen hielt Tomy nachts eine schwimmende japanische Fischfangfabrik im Atem, beleuchtet wie eine Bohrinsel – auch diese fuhr im Abstand von vier Meilen um uns herum.

Ob mir mittlerweile warm genug ist, fragt Tom per Email: Ja, ich bin barfuss, aermellos und heute sogar mal für ein, zwei Stunden alleslos.

Noch friere ich...

Noch friere ich…

3. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 1 bis 3

Tag 1
Puenktlich um 11:04 stehen wir an der Startlinie zur MAR – der Mini Atlantik Ralley, ausgerufen von der Robusta und von Anja auch grosskotzig kommentiert: “Wer zu spaet an den Start kommt, zahlt eine Runde Caipirinha!” Tomy behauptet sogar, sie sprach vom Abendessen…

Abschied von Mindelo (Foto: Olaf Barthels)

Abschied von Mindelo (Foto: Olaf Barthels)

Zugegeben wir hatten Glueck: Die Tankstelle an der Marina schaltete hinter uns die Pumpe aus, wegen Reparatur. Wie warten dort noch ein wenig, bis wir sehen, dass die Sailor Moon ablegt, dann machen wir los: vollgetankt und mit gerefftem Grosssegel. Die “Ralleyleitung” rund um Milan macht Fotos vom Dinghi aus und wuenscht noch mal Gute Fahrt.

Recht schnell sind wir draussen im Kanal zwischen Santo Antao und Sao Vicente, etwas hinter uns die Sailor Moon. Doch schon wenige Minuten spaeter koennen wir sie nicht mehr ausmachen. Hinter Sao Vicente schauen wir noch mal zurueck, sehen die roten Segel der Cariad und erfahren ueber Funk, dass die Sailor Moon kurz dahinter ist. Dann sind wir allein.

Und die Robusta? Die zahlt den Caipi! Anja und Thomas waren um elf alles andere als startklar, dass die den Start verpassen stand schon morgens fest. Erst etwa fünf, sechs Stunden spaeter konnten sie los: Sie hatten weder in der Marina noch im Fischereihafen Diesel bekommen.

Bis zum spaeten Nachmittag haben wir Funkkontakt per UKW mit Tom auf der Cariad und Mischa auf der Sailor Moon. Es tut unheimlich gut, ihre Stimmen zu hören. Abends erreiche ich keinen mehr: Wir rauschen mit 6 Knoten Richtung 190 Grad nach Sueden, und sind damit recht schnell. Leider wird das so nicht bleiben: Der Kalmenguertel soll 600 Meilen breit sein – da bringt uns auch der Motor nicht durch!

Barbara, leg mal ein gutes Wort bei Iansa für uns ein!

Wir haben anfangs ein wenig Schwierigkeiten, das Ruder festzustellen: Festdrehen haelt diesmal nicht, die seitlichen Wellen schlagen es los. Die von Peter Foerthmann vorgeschlagene Loesung, das Ruder mit einem Holzklotz festzuklemmen funktioniert schon gar nicht: Unsere Steuersaeule ist rund, da klemmt nichts! Also spinnen wir ein Netz: Links und rechts eine Leine, jeweils festgezurrt an einer Curryklemme. Haelt!

Nachts verkrieche ich mich wieder in meine Zwiebelschalen, um die Nieren sind es sieben. Doch diese Nacht keimt Hoffnung auf: Ich brauche keine Handschuhe, meine Haende bleiben auch so warm!

Heute Morgen gelingt es Tomy mit Thomas auf der Robusta ueber Kurzwelle Kontakt aufzunehmen, daher wissen wir auch, dass sie nicht tanken konnten. Mischa, Anja und ich quatschen derweil auf UKW: Die beiden sind etwa 25 Meilen hinter uns. Und Tom? Von dem haben weder wir noch die anderen etwas gehoert oder gesehen. Na, vielleicht hat er unsere Anrufe immer verschlafen und ist bei der naechsten Runde dabei.

Tag 2

Heute Morgen finden wir den ersten Fliegenden Fisch an Bord. Tot. Fischetot. Und noch einen. Und noch einen. Ich dachte schon, die machen einen Bogen um uns!

Der erste fliegende Fliegende Fisch verwirrte mein Denkorgan voellig. Waehrend der Ansteuerung von Mindelo kreuzte etwas unseren Weg. Es dauerte eine Weile bis mein nach 8 Tagen auf See leeres Hirn aus ‘Schlaegt die Flügel wie ein Kolibri + hat einen langen Koerper + taucht ins Wasser = Fliegender Fisch’ errechnete. Na und spaetestens seitdem erwarte ich sie auch an Bord.

Gustav und die Fliegenden Fische

Gustav und die Fliegenden Fische

Erstaunlich viele Voegel treffen wir hier draußen an. Immer wieder kreist ein einsamer Wasservogel um uns herum. Dreimal tauchte bisher weit entfernt ein Schiff auf dem AIS auf. Aus dem Aether auf Kanal 16 toent schon mal sie Stimme einer “Station”, meist kurz English, dann unverstaendlich. Ist es ein Hafen in Festlandafrika, oder Praia auf den Kap Verden?

Ah, Dakar! Und es soll franzoesisch sein! Konnt ich noch nie gut!

Morgens und abends funken wir per SSB mit Anja von der Robusta: Wo Tom geblieben ist, wissen sie auch nicht, nur, dass Joris seekrank ist. Auch Jaqueline scheint es ziemlich erwischt zu haben, doch seit heute Morgen geht es ihr besser. Die Sailor Moon hat Amateurfunk, mit der keonnten wir nur per UKW funken, doch Mischa koennen wir nicht hoeren, er war heute Morgen etwa 28 Meilen hinter uns, die Robusta nur 25. Anja vermittelte. Mit wenig Wind, der auch noch dreht und eher aus Norden kommt, kaempfen wir alle.
So war unser erstes Etmal 133 Seemeilen, das heutige nur mehr 104. Im Moment geht es gerade wieder ganz gut, auch wenn wir den angestrebten Kurs von 190 nicht ganz halten können – 185 geht.

Tag 3

Reifer Marillen-rot-orange-gelber Sonnenaufgang.

Nein, nicht aprikosenfarben.

Aprikosen, das sind jene gruen-blassgelblichen kleinen runden, geschmacksneutralen Dinger, die der Marillenbaumlose Mensch auf Maerkten und in Supermaerkten kaufen kann.

Marillen, das sind jene koestlich aromatischen Fruechte die im Garten meiner Kindheit wachsen. Reif sind sie an der sonnenzugewandt gewachsenen Seite rot, dunkelrot. So wie die Sonne, von dem Moment an, von dem an sie aus dem Meer emporsteigt. Drehst du die etwas, oder beisst du hinein, ist die Marille von einer unvergleichlich rosa-orangen Farbe – so wie die Sonne nach ein paar Minuten. Sie, die Sonne, taucht jetzt die kleinen Woelkchen am Himmel in dieses zauberhafte Licht. Nicht lange waehrt diese magische Stimmung, dann drehst du die Marille zur sonnenabgewandten Seite – dort ist sie eher blassgelb, so wie die Sonne wenn sie ein wenig ueber dem Horizont steht und ihre Kraft zu entfalten beginnt. Bald schon wird sie gleissend weiss – und der Geschmack der reifen Marillen ist nur Erinnerung!

Nicht jeden Tag geht die Sonne so auf, aber Dienstag reichte, um mich immer wieder kurz vor Sonnenaufgang aufstehen zu lassen – es koennt ja sein!

Wir richten uns nach UTC, früher Greenwich Meantime genannt, um Logbuch zu fuehren oder uns mit der Robusta zum Funken zu verabreden. Doch im Tagesablauf richten wir uns nach der Sonne – wer weiss schon wie spaet es hier ist? Nach Sonnenuntergang geht Tomy schlafen, ich schaue auf die Uhr und wecke ihn etwa fuenf Stunden spaeter fuer seine Wache. Die geht dann bis zum Sonnenaufgang. Den Rest des Tages verschlafen wir beide ;-)

Eigentlich schlaeft immer einer. Zu tun gibt es ja nicht viel. Mal ein Rundumblick, mal den Kurs etwas korrigieren, Zaehne putzen, Essen, Naschen, Grib-Files, also Wetter deuten, funken und ein paar Emails schreiben. Oder einen Bericht, den ich dann auch per Email und Funk poste.

Der Wind soll in den naechsten Tagen auf unserem geplanten Kurs noch weniger werden. Da wir diesen Kurs eh nicht ganz halten konnten und weiter oestlich sind, beschlossen wir heute Frueh eine groessere Korrektur vorzunehmen: Wir fuhren eine Wende und fahren jetzt etwa 230 Grad, um in den naechsten Tagen in etwas besseren Wind zu kommen. Ob diese Ueberlegung aufgehen wird? Heute Abend drehen wir erst mal wieder zurueck auf den alten Kurs, morgen sehen wir weiter.

Die Robusta konnte den Kurs noch schlechter halten, sie sind noch oestlicher, und wollten auch abdrehen. Sie sind etwa 40 Meilen von uns entfernt. Joris kocht wieder, und Tom macht sich Gedanken, wegen des nachlassenden Windes. Mischa und Jaqueline geht es ganz gut, je nach Wellen. Die waren heute ab Mitternacht weit und ruhig, aber doch auch hoch. Im Moment ist es wieder etwas unruhiger.
So, dann werde ich jetzt weiter von Marillen traeumen! Oder Erdaepfeln fuers Abendessen kochen.