16. Oktober 2015
von Steffi
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Baleia

Stille.
Kein Glucksen und Blubbern, kein Surren und Säuseln
Kein Schaukeln und Schwojen.
Nichts.
Keine Bewegung.
Als ob wir auf Trockendock lägen.
Welch‘ ein Unterschied zu der Nacht zuvor!

Nachdem Montagmorgen die zweite Batterie kochte, blieb uns nichts anderes übrig, als in der Marina Centro Nautico den Feiertag abzuwarten. Um die Dinge ein wenig zu beschleunigen, ging Tomy am Dienstag gleich nach dem Frühstück rüber in die Bahia Marina zu Carlos. In Tomys Beisein organisierte er uns vier Batterien, die um ein Uhr geliefert und installiert wurden. Gut, Delphi sind es keine, die gibt es angeblich nicht mehr, zumindest nicht in Brasilien. Sind jetzt brasilianische. Auch gut – wir können weiter!

Lieferng und Installation waren übrigens im Preis inbegriffen (gleicher Preis wie in Deutschland) . Ich gab dem jungem Mann 30 Real Trinkgeld – in seinem Gesicht ging die Sonne auf! Und wir haben wohl einen neuen Freund…

Am Mittwoch um halb neun brachen wir endlich auf nach Camamu. Allerdings mussten wir bei Morro de São Paulo, dem beliebtesten Urlaubs- und Partyort Bahias, eine Nacht Pause einlegen. Wir wussten zwar, dass der Ankerplatz vor dem Iate Clube rollig sein kann, doch als wir ankamen, war es relativ ruhig.

Morro de Sao Paulo

Morro de Sao Paulo

Die Ruhe täuschte.

Nicht nur wir, auch andere Segler lagen mitten in der Einflugschneise der Taxiboote: Angefangen bei den traditionellen, langsamen Lanchas bis hin zu Schnellbooten mit 500PS nahmen alle Schiffe, die die Ortschaften auf der autolosen Insel miteinander verbinden, uns als Ansteuerung. Kurz vor dem Knall drehten sie ab, mit Vollgas natürlich. Wenn wir Glück hatten, rauschte einer links und einer rechts vorbei, dann glichen sich die Wellen in der Mitte aus. Sicher nachts fuhr keiner mehr, aber da setzte der Wind ein. Und die Wellen…

Einflugschneise

Einflugschneise

Gut, wir wollten ja früh weg. Um halb acht ging es weiter. Erst mal mit tadellos laufendem Motor raus, gegen 17 Knoten Wind und 2 bis 3 m Welle. Ich überlegte, ob ich seekrank werden sollte: Ich war mir nicht sicher, ob das seltsame Gefühl in der Magengrube Hunger – eine viertel Ananas zu Frühstück ist nicht viel – oder etwas Anderes war. Ich entschied mich für ein gekochtes Ei vom Vortag, die Wellen beruhigten sich, mein Magen auch und ab ging die Post. Höchstgeschwindigkeit 11,4 Knoten maß unser Plotter.

Wind und Wellen ließen weiter nach, doch wir kamen gut voran. Ich starrte ins Blaue. Immer wieder meinte ich ungewöhnliche Wellenberge oder etwas Schwarzes gesehen zu haben: ein Wal, das wäre ein Traum! Doch meine Einbildung spielte nur mit mir, obwohl ich wusste, dass es hier welche gibt: Tomy hatte am Tag zuvor ein Blas gesehen.

Und dann:

„Tomy, da ein Blas!“

Ich stand auf, um mehr zu sehen – Ein Buckelwal, ein wenig größer als unser Schiff, sprang gut 100 m seitlich von uns aus dem Wasser, drehte uns den Bauch zu, und platschte wieder hinein. Er zeigte uns noch ein paar Mal seine Flipper und sein Blas, genug für ein Beweisfoto.

Baleia! Unser erster Wal! Atemberaubend!

Buckelwal

Buckelwal

Schon damals, als wir noch hier wohnten, fuhren wir raus zu einer Walbeobachtungstour. Die Buckelwale, Baleias auf portugiesisch, kommen in den südlichen Wintermonaten vor die Küste Bahias, um hier ihre Jungen zu bekommen. Ende der 80er Jahre waren sie fast ausgerottet, heute soll es wieder um die 9000 geben. In Praia do Forte, nördlich von Salvador, ist eine Beobachtungsstation, wo man auch Touren buchen kann. Wir sahen damals keine: Es war Anfang November, die Wale waren schon nach Süden gezogen: Den südlichen Sommer verbringen sie in den antarktischen Gewässern.

An Barra Grande und wunderschönen Stränden vorbei fuhren wir in die Bucht von Camamu. Hübsche Barracas und Häuser säumen das Ufer, wechseln sich ab, mit langen einsamen Sandstränden. Vor den Siedlungen liegen hölzerne Stege, Lanchas, kleine Fischerboote, Einbäume, auch ein paar modernere Taxiboote. Doch hier ist alles langsam und gemütlich – hier überrollt uns kein Speedboot. Hier will niemand noch schnell zur Fähre oder zur Party.

Camamu 1 (11)

Wir ankern zwischen den Mangroven der Ilha do Goió und Saphinjo auf der Ilha do Campinho. Tomy rudert uns noch für ein Sundowner Bier zur kleinen Bar auf der Insel: Vor uns der Fluss, Palmen, Fischerboote, rechts ein paar Häuser und einfach nur ruhiges Sein. Ein Paradies. Hier bleiben. Am liebsten wochenlang.

Camamu 1 (18)

Braucht der Mensch denn mehr? Frisches Wasser, Strom, ein Dach übern Kopf, eine Hose, ein Hemd, Fische und Kokosnüsse.

Ja, ich weiß, wir brauchen mehr. Wir wollen wissen, was hinter der Biegung des Flusses liegt. Internet vielleicht. Morgen.

Mein Körper sagt mir um 7 Uhr abends: Es ist warm und seit einer Stunde dunkel: Es ist mindestens 11 Uhr nachts, Zeit schlafen zu gehen…

Camamu 1 (21)

13. Oktober 2015
von Steffi
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Einmal München – Antalya, bitte

Das Buch „Gewittersegeln“ hatte mir so gut gefallen, dass diesmal ich Susanne Guidera vom Verlag Millemari. fragte, ob ich eine Rezension von „Einmal München – Antalya, bitte“ von Thomas Käsbohrer schreiben sollte. Wieder dauerte es etwas länger, bis ich endlich die Muße dazu fand.

Autor und Buch

Nachdem Thomas Käsbohrer seinen Job verloren hat, erfüllt er sich seinen Traum und segelt ein halbes Jahr lang einhand auf den alten Handelsrouten des Mittelmeeres von Slowenien in die Türkei.

Meine Erwartung

Wer ein Buch kauft, erwartet sich etwas vom Lesen: Unterhaltung zum Beispiel, einen Wissenszuwachs oder auch eine veränderte, hilfreichere Perspektive beim Blick aufs eigene Leben. Ich wusste, dass der Autor, seinen Job verloren hatte und nun die Gelegenheit nutze, um sich seinen Traum zu erfüllen. Meine Erwartung war daher, neben Land, Leuten und Segelabenteuern auch an seinem inneren Wachstum oder der – vermuteten – Veränderung seines Blickes auf sein Leben teilnehmen zu können. Ich hoffte auf Reflexion angesichts der Natur und des Erlebten. Letztere Erwartung wurde im ersten Kapitel durchaus noch verstärkt, dann enttäuscht, und das machte es mir anfangs schwer, mich in das Buch einzulesen. Auch ging mir zu Beginn die gefühlte 100fache Wiederholung des groß geschriebenen Schiffsnamens LEVJE ziemlich auf den Wecker.

Ich glaube, hätte ich nicht ein Versprechen gegeben, so hätte ich das Buch nach wenigen Seiten weggelegt. So aber las ich weiter.

Und wurde belohnt: Inhalt

Zuerst lag das an Venedig, dann an den Menschen. Da meine Freundin in Venedig wohnt, konnten wir letztes Jahr vor dem Start unserer eigenen Reise, fast eine ganze Woche in dieser Stadt verbringen. So nahm Thomas Käsbohrer mich mit in meine Erinnerungen, an Plätze, die der Durchschnittstourist nicht kennt, in die wir uns dennoch verliebten. Und genau das macht auch den größten Zauber des Buches aus: Die Orte, von denen er erzählt, sind selten die, in die alle Welt reist. Doch oft sind sie Zeugen von vergangener Größe, von den Dauniern, den Vogelmenschen zum Beispiel, von denen wir fast nichts wissen, von den Venezianern und den Römern. Immer wieder nimmt Thomas Käsbohrer den Leser mit in die Geschichte – er ist vom Fach. Er schafft es, vergessenen Orten Erinnerung einzuhauchen.

Millemari.

Foto:. Millemari.

Und er lässt Geschichte leben, indem er Geschichten erzählt, vor allen Dingen von den Menschen am Meer, von einem Leben, das oft hart, aber nie sinnlos ist. Immer ruhig, gegenwärtig. Er beherrscht die Kunst, langsam zu reisen und zu erzählen. Er schafft es, die Zeit still stehen zu lassen, die gegenwärtige Größe einzufangen, wenn er von Slobo mit der Poliermaschine, der Ausbildung der Gondolieri, dem einsamen Seemann, der in aller Ruhe ein Holzboot repariert, von Fischern und Verkäufern, von segelnden Katzen, Mönchen in Griechenland, einer hoffnungsschwangeren jungen Türkin und vielen anderen Menschen schreibt.

Eines ist dieses Buch jedoch nicht: Ein Buch vom Segeln. Sicher, vier, fünf Kapitel sind auch dem Segeln gewidmet, doch wer ein typisches Segelbuch erwartet wird eher enttäuscht sein.

Zu guter Letzt erzählt er doch noch ein wenig von sich, von seiner Angst und von dem was diese Auszeit mit ihm gemacht hat. Davon, welche Chancen eine lange Segelreise, eröffnet: Das Wichtigste zu finden – was das für ihn ist, müsst ihr schon selbst herausfinden!

Millemari.

Foto: Millemari.

Multimedia

Das Buch ist in der PDF-Version lesetechnisch gut durchdacht, und optisch ansprechend gestaltet. Wie das erste Buch, das ich aus dem Verlag Millemari. las, beeindruckt es durch seine Fotos und „Verlinkungen“:

Fotos und Text halten sich die Waage, so ist es gleichzeitig ein Fotobuch und ein Lesebuch. Die Fotos, oft über eine halbe oder ganze Seite, zeigen das Meer, oft die Menschen oder Orte der Erzählungen. Historisches ist auch dabei. Sie haschen nicht nach Applaus, sie erzählen unaufdringlich ihre eigene Geschichte: Die vom unendlichen Blau des Meeres, von seinen Küsten, der Arbeit der Menschen am Meer, vom Glauben und vom Seinlassen.

Wieder sind es diese Fotos, die ich gerne in Print gesehen hätte, auch wenn sie m Bildschirm schöner leuchten mögen. Da bin ich einfach altmodisch!

Von den Videos sind die URLs angegeben, und da bin ich jetzt im Zwiespalt: Diesen Artikel endlich veröffentlichen oder warten, bis ich wieder so gutes Internet habe und mir die Filme ansehen kann? Ich warte: Die Videos sind eine abwechslungsreiche Ergänzung, nicht zu lang. Vermissen würde ich persönlich sie allerdings nicht.

Der Wermutstropfen

Leider wird der Lesefluss durch eine irritierende Interpunktion (z.B. Doppelpunkt vor dass), mir fremder Schreibweise von Fremdwörtern (z.B. Quvarner für Kvarner), Hinweisen auf Fotos oder Videos, wechselnde Zeiten sowie Nichtvorstellen von gelegentlichen Mitreisenden (wenn sie das denn waren) unterbrochen. Auch die Themen – Segeln, Menschen, Orte, Dinge, Geschichte, Reflexion – sind nicht homogen. Mir kommt vor, Herr Käsbohrer hat seine liebsten Blogartikel einfach zu einem Buch zusammengestellt. Leider macht ein guter Blog nicht zwangsläufig ein gutes Buch: Ohne Überarbeitung wird das einfach nicht rund.

Auch wenn Sonne und Mond rund sind, lieben wir doch auch das zackige Funkeln der Sterne!

Fazit

Gerade jetzt, da ich das Buch abschließend durchblättere, erliege ich diesem Funkeln: Was auch immer mich beim Lesen störte: Ich mag Thomas Käsbohrers Erzählungen vom Leben am Meer. Es wohnt ihnen eine stille Liebe zum Leben inne. Und das macht dieses Buch so lesenswert.

Ausgaben:

Cover Millemari.

Cover: Millemari.

Einmal München – Antalya, bitte.
Von der Kunst, langsam zu reisen
322 Seiten, eBook in allen Formaten 9,99 €
322 Seiten Buch, 24,99 €
978-3-946014-27-0
Verlag Millemari. www.millemari.de (Werbung)

Wer „Meer“ haben will: In seinem Blog www.marepiu.blogspot.de gibt Thomas Käsbohrer der vergangenen und gegenwärtigen Geschichte im Mittelmeer Gesichter. Werbung für sein Buch und den dazugehörigen Film macht er auch.

12. Oktober 2015
von Steffi
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Wie wir fast das Schiff abfackeln

Erst hole ich mir einen Sonnenbrand, weil ich beim Kranen des Schiffes zu lange in der Sonne stehe, dann schmiere ich mir Chili auf den kleinen Finger und kann die halbe Nacht nicht schlafen. Und weil es immer dreimal brennt, fackeln wir auch noch fast das Schiff ab.

Das Gute daran ist, dass wir somit die „Aller guten Dinge sind drei“ hinter uns haben: Der Motor müsste jetzt wieder gekühlt bleiben.

Gut ist auch, dass wir an Bord waren und Tomy gerade Werkzeug wegräumen wollte. Welches er fallen ließ.

Mit einem „Verdammt“ stürmte er hinaus, um den Stecker aus der Steckdose zu ziehen: Eine der Batterien kochte. Die ist also hin. Kaputt.

Also brauchen wir vier neue. Die erstens nicht vorrätig, zweitens nicht billig sind. Was unsere Pläne etwas durcheinander bringt. Aber gut, wenigstens ist das Weihnachtsgeschenk für Tomy schon mal erledigt…

Wir wollten ja auch noch gar nicht weiter, denn Leentje feierte ihren 50. Geburtstag. Wir begannen den Abend bei der Jam Session im Solar d’Uniao, gleich neben der Bahia Marina gelegen: Sonnenuntergang mit Blick auf die Bucht und gute Musik! Kann es uns besser gehen? Nach dem Abendessen im DAS in der Bahia Marina waren wir auch noch rundum lecker satt (und ein wenig betrunken)! Danke, Leenje und Patrick, für den schönen Abend!

Solar (3)

Da am Montag der Tag des Kindes und somit Feiertag ist, wollten wir am Sonntag nicht nach Itaparica – es wird voll und laut sein. Wir erkundeten lieber die Graffitis beim Ferry Terminal, die im Frühling anlässlich des Stadtjubiläums entstanden.

 

9. Oktober 2015
von Steffi
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Auf dem Trockenen

Ein wenig unwillig quälen wir uns um sechs Uhr morgens aus dem Bett. Vor allem Tomy protestiert: „Um sieben arbeitet da doch noch keiner!“

Doch er irrte.

Schon Anfang September hatten wir mit Carlos, DEM Mann für alle Fälle in der Bahia Marina, völlig problemlos per Email einen Termin für Wartungsarbeiten an Yemanja ausgemacht.

Allerdings hatte die Mariana an unserem Wunschdatum keinen Krantermin mehr frei. Den haben wir dann schnell persönlich organisiert, nur Carlos war nun nicht aufzutreiben. Ihn fanden dann Leentje und Patrick. Wir, also Yemanja und Silmaril, sollten um sieben Uhr morgens in der Marina sein, damit ein Taucher schon mal die Muscheln abkratzen konnten, um acht könnten wir dann raus und Carlos hätte pro Schiff drei Leute abgestellt. So weit so gut – für baianische Verhältnisse wirklich gut gelaufen.

Tatsächlich war auch der Taucher um sieben Uhr morgens schon einsatzbereit. Carlos war ebenfalls da, hatte alles im Griff. Fast. Denn wie sich später herausstellte, war ihm doch nicht ganz klar, dass zwei Schiffe kommen würden. Um es kurz zu machen: Drei Mann pro Schiff waren es dann doch nicht.

Silmaril hing als erste in den Gurten, die sorgfältig von dem Taucher platziert wurden. Ebenso sorgfältig wurde sie auf dem Trockengerüst abgesetzt. Yemanja wurde gegen elf Uhr genauso sorgsam aus dem Wasser gehoben und auf Stützen abgesetzt. Da schabte schon ein Arbeiter die Muschelreste von Silmaril.

Unser Schiff sah recht gut aus. Die Schraube war gut gängig und praktisch ohne Bewuchs, die Opferanode in gutem Zustand, nur der Kiel ein wenig rostig, da sollen wir noch eine Opferanode dranmachen. Die heißen so, weil sie sich quasi für das Schiff aufopfern: Wenn man zwei verschiedene Metalle in Salzwasser tut, fließt Strom. Damit hätten wir im Chemieunterricht eine Glühbirne leuchten lassen. Sagt Tomy. Ich kann mich nicht erinnern. Jedenfalls wird das schwächere Metall zerstört und damit das weder die Schraube noch der Kiel ist, opfern sich die Anoden.

Gespräch unter Experten

Gespräch unter Experten

Nachdem Tomy die Schraube geschliffen, poliert und geschmiert hatte, legten Carlos Leute am frühen Nachmittag los, befreiten Yemanja von jeglichen Muschelresten und schliffen das Unterwasserschiff.

Eine Weile noch beobachtete ich die Arbeiten auf der Werft: Ununterbrochen werden Schiffe millimetergenau mit einem Traktor hin und her geschoben, gelenkt mit einer Stange an der Achse. Daneben wird ein Schiff blau gesprüht, im Wind, ohne Mundschutz. Es stinkt nach Farbe, Diesel und Epoxy. Auch Palmen werden hin und hergeschoben, wer weiß wohin. Die Gärtner stellen eine Leiter aufs Gerüst, lehnen es an die Palme und gut is‘ es. Wir kennen das, trotzdem fuhren wir kopfschüttelnd zu unseren Freunden, wo wir schliefen. Denn das Gelände wird nachts von Hunden bewacht. Die sind bestimmt nicht so zutraulich wie Nega!

Am nächsten Morgen war Tomy schon um 8 Uhr in der Marina, während ich flottes Internet bei Freunden genoss… Als ich um halb drei kam, glänzte unser Schiff obenrum schon cremeweiß poliert und untenrum zur Hälfte gestrichen.

Yemanja glänzt wieder

Yemanja glänzt wieder

Fabio, ein junger Mechaniker hatte gewissenhaft das Kühlsystem des Motors untersucht, die Schläuche freigeblasen und den Wärmetauscher gesäubert. Gefunden hat er, was wir erwartet haben: nichts. Jedenfalls keinen Impellerflügel oder sonstiges, das den Wärmetauscher hätte blockieren können und für das Heißlaufen des Motors verantwortlich sein könnte. Rausnehmen konnte er ihn nicht, dafür muss der ganze Motor ausgebaut werden. Und das ist nicht so einfach.

Noch einen Tag später schwimmt Yemanja wieder im Wasser, glänzend poliert, sauber gestrichen und der Motor schnurrt auch und ist dicht. Ob jetzt alles cool bleibt, werden wir sehen. Carlos fotografiert ununterbrochen unser Schiff. Er hat feuchte Augen:

„Mein erstes Schiff hieß Yemanja. Es kostete den Gegenwert von rund 1000 Dollar. Vor fast vierzig Jahren! Ein halbes Jahr bin ich ununterbrochen getaucht, hab Langusten hochgeholt, dann gehörte sie mir.“ Wenige Jahre später holte er mit einem anderem Schiff 8 bis 20 Tonnen Fisch aus dem Meer. Er heiratete und begann ein neues Leben. Er kommt aus der Favela neben dem Solar d’Uniao, gleich neben der Marina. Heute lebt er in Rio Vermelho. Aus Carlinhos wurde mit der Zeit Carlos, und auch Carlão, so etwas wie Karl, der Große – Er gilt als der Beste der Werkstättenchefs auf der Werft in der Bahia Marina, jeder kennt ihn, jeder spricht anerkennend von ihm. Seine Kontaktadresse findet ihr unter den Tipps Marinas in Salvador, oder auch auf Noonsite.

Wir fuhren zurück in die preiswertere Marina Centro Nautico: Wir müssen einkaufen, werden am Wochenende Leentjes großen Geburtstag feiern und dann geht es nach Morro de São Paulo und Camamu.

7. Oktober 2015
von Steffi
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Nega – Haut und Knochen Teil II

Nega, so heißt die Hündin auf Itaparica, die vor einigen Monaten unser Mitleid erregte, weil sie säugte und nur mehr aus Haut und Knochen bestand. Ja, sie hat einen Namen! Sie hat einen Gefährten namens Viero, der genauso sanft wie sie seine Streicheleinheiten einfordert. Wie vor vier Monaten schmiegt sie beharrlich ihren Kopf in meine Hände, hebt ihre Pfote zum „High Five“ Gruß, um sie dann in meinem Schoß abzulegen, damit ich ja nicht vergesse, sie zu streicheln, zu kraulen, zu liebkosen. Von der Tango of Sweden, die auch wieder hier ist, erfahre ich ihren Namen und dass sie und die anderen Straßenhunde gefüttert werden. Ihr Fell sieht gut aus, alle ihre Wunden sind verheilt. Ich freu mich!

Nega 3

Nega mit ihrem liebevollen Wesen und sanften Augen ist so eine Bereicherung für diese Welt!

Ich habe in der Marina in Ribeira nicht nach der anderen säugenden Hündin gefragt, zu groß war meine Angst vor der Antwort. Wohin sind ihre Jungen verschwunden? Wohin sie selbst? Ich will es gar nicht wissen…

So verließen wir Ribeira vor gut 10 Tagen, fuhren nach Aratu, um Leentje und Patrick zu treffen. Drei Tage können Mitglieder eines anderen Segellclubs dort frei an einer Boje liegen. Ich musste einiges an Überzeugungsarbeit leisten – wohlgemerkt auf Portugiesisch – bis die Dame an der Rezeption bereit war, die Mitgliedschaft im TransOcean anzuerkennen! Aber es klappte!

Nach dieser schweren Arbeit zogen wir das Großsegel hoch und legten ab nach Itaparica. Was dann folgte, war Segeln vom Feinsten. Mit katastrophalem Trimm – den untersten Mastrutscher konnten wir auf Grund der Windstärke immer noch nicht einfädeln – rauschten wir mit bis zu sieben Knoten dahin. Der Wind kam von hinten oder von der Seite, 15 Knoten, keine Welle, Sonne. Und Tomy steuerte zufrieden, ich kann dem einfach nichts abgewinnen. Mir tut nach zehn Minuten hinterm Steuer alles weh, von den Füßen bis zum Rücken.

Jetzt im September ist in Itaparica wochentags einfach gar nichts los. Die Sommersaison hat noch nicht begonnen, der Ausklang derselben mit all den ausländischen Seglern ist vorüber. Wir sind fast alleine da: Die Brasilianer bereiten sich auf die Saison vor, Lady Free wartet in Aratu auf die Capitana. Silmaril kommt einen Tag später, weil sie noch auf ein Ersatzteil wartet, Tango of Sweden trudelt im Laufe des Tages ein. Sie hatten Freunde vom Flughafen abgeholt. Jochen, unser alter Segelfreund, ist in Santo Andre, seine Frau in Deutschland.

Abends treffen wir Leentje und Patrick im Aguas da Marina auf einen Caipirinha und ein Bier. Und wir treffen Nega und Viero, freuen uns vor allem, dass es Nega so gut geht. Als wir uns von den Hunden verabschieden, wirft sie sich auf den Rücken, damit ich ihr den Bauch kraule.

Hoppla, was ist das? Da ist eine lange, vernähte Wunde, ein Faden zwischen ihren Zitzen: Nega ist kastriert!

Meine Neugierde ist geweckt: Wer kastriert einen Straßenhund? Wer versorgte Negas Wunden?

Nega hüpft freudig um einen stämmigen Brasilianer mit Goldkette, Typ Zuhälter (sagen meine Vorurteile, um die Nega sich nicht schert). Er bringt ihr Kunststücke bei, wirft ihr Leckerbissen zu. Er beantwortet meine Fragen:

Fatima!

Nein, nicht die Marienerscheinung in Portugal, die Veterinärin. Zufällig steht sie vor ihrem Haus, als wir am nächsten Abend daran vorbeigehen. Ich frage sie, wer denn bezahle, wenn sie sich um Straßenhunde kümmert? Denn eines ist mir schon klar: Auch sie muss essen…

Was ich verstehe ist: „Die Hunde haben alle jemanden, der sich um sie kümmert. Tagsüber leben sie auf der Straße, abends sind sie in den Häusern.“

Auffallend ist, dass sich abends wirklich viel weniger Hunde auf der Straße rumtreiben, drei oder vier aber doch. Mein Herz und meine Hand strecken sich einem kleinen süßen, aber ängstlichen Hund entgegen. Er zieht sofort den Schwanz ein und läuft weg, es dauert eine Weile, dann lässt er sich doch von Leentje streicheln. Negas Augen schenken Liebe, seine flehen danach.

Ich kann nicht alle Straßenhunde retten!

Nun gut, die Hunde haben jemand, der sich um sie kümmert, jemand wird wird sich auch seiner erbarmen. Nur haben diese Jemands noch lange nicht immer das Geld für eine Kastration. Fatima sagt, sie passt ihre Preise den Verhältnissen der Kümmerer und Besitzer an: Wer mehr hat, zahlt mehr. Manche spenden auch…

Danke!