Das erste Flugzeug, das uns nach Amsterdam bringen soll, hat Verspätung. Der Adrenalinspiegel steigt also schon sehr früh auf dieser Reise, denn die Umsteigezeit ist relativ knapp bemessen. Werden wir den Anschlussflug nach Oslo und später nach Narvik und die Lofoten schaffen? Schiphol ist ja kein kleiner Flughafen.
Froh, fit zu sein und keine kleinen Kinder zu haben, erreichen wir etwas atemlos das Gate gerade rechtzeitig zum Boarding für den Flug nach Oslo.
Oslo empfängt uns an diesem 10. Februar 2025 verschneit mit minus 7 Grad, zwei Stunden später in Narvig hat es plus 5 Grad, es ist windig und es schüttet! Mein Traum von verschneiten Bergen über zugefrorenen Seen schwimmt langsam dahin…Doch das Abenteuer beginnt mit dem Auto: Wir hatten noch nie ein Elektroauto. Gut, fahren wird es auch nicht viel anders, aber wie geht das mit dem Laden? Noch dazu auf Norwegisch? Denn eines ist schnell klar: Englisch spricht hier jeder, aber beschriftet ist alles in der Landessprache.
Erst einmal müssen wir aber ein Auto haben: Unseres ist noch nicht verfügbar, was nach 12 Stunden Reisezeit Tomys Laune nicht gerade hebt. Der Provinzflughafen leert sich mehr und mehr. Ich lasse mir schon mal die App fürs Laden erklären. Endlich ist das Auto da, ein Upgrade bekommen wir auch. Weil kein anderes Auto zur Verfügung ist? Oder aus Wiedergutmachung? Keine Ahnung! Jedenfalls hat es Allradantrieb und Spikes.
Wie geht das Ding jetzt an? Es ist ja unser erstes E-Auto! Ich finde schließlich den Schalter, der sich – oh Wunder – dort befindet, wo er bei „normalen“ Autos auch ist: seitlich unter dem Lenkrad. Und wie schaltet man? Tomy findet zwar den Hebel, aber nicht die Funktion. Dass man ihn drehen oder kippen muss, finde ich heraus. Wir sind on the road, finden Harstad (es geht immer die Hauptstraße lang) und unser Hotel. Es schüttet immer noch, deshalb fallen wir ins Restaurant nebenan ein. Gut, hungrig sind wir auch, denn im Flugzeug bekamen wir nur süße oder salzige, ungesunde und grausliche Snacks, weitere hätten wir bezahlen müssen. Das hätte sie aber nicht besser gemacht. Die Wokpfanne und die Thainudeln im Asiarestaurant sind dafür köstlich! Das Bier schmeckt auch, etwa 70 Euro für zwei und leckeres Essen finden wir okay.
Eines der wenigen hübschen Häuser in Harstad
Harstad ist eine Hafenstadt
Hatte ich gestern Angst, dass es wenig Schnee geben würde? Der intensive Regen ist in der Nacht in dichtes Schneetreiben übergegangen und wir sind im Winterwonderland erwacht. Naja, nicht ganz, Harstad ist keine besonders schöne Stadt. Nach einem kurzen Rundgang (und einem längeren Aufenthalt im Wollgeschäft) fahren wir trotz Schneefalls zur einzigen Sehenswürdigkeit, dem Kircherl von Trondenes. Es schneit, die Sicht ist bescheiden, doch wir stapfen durch den Schnee zur Kirche. Die ist innen überraschend hübsch, schlicht, aber hübsch. Wir sind vielleicht 10 Minuten drinnen, doch werden wir draußen von Sonnenschein begrüßt!
Trondenes Kerke
Irgendwo hinter Harstad
Wir lassen uns treiben und fahren einfach weiter, sehen rechts einen kleinen Hafen mit Segelbooten. Klar biegen die Segler einmal nach rechts ab! Es ist jetzt nicht DAS Lofoten-Panorama, aber hübsch. Der Berg gegenüber wird mehr und mehr von der über die Berge hochkommenden Sonne beschienen: Ich bin schon erfüllt von dem Tag!
Gleich schneit es
Wir fahren weiter, beobachten die Wetterwand über dem Meer zwischen den Bergen rechts von uns. Dieses Lichtspiel, dieses Wetterspiel erlebt man nicht oft! Als die Wand uns erreicht, taucht sie uns in dichtes Schneetreiben, es wird fast dunkel. Die Wetterapp verheißt keine schnelle Besserung, wir drehen um.
Am Parkplatz des Hotels erwartet uns das nächste Abenteuer: Unser erstes Mal! Also das erste Mal laden eines E-Autos. Einstecken klappt, die App funktioniert auch, aber das Ding lädt nicht. Nach etlichen Malen Aus- und Einstecken, funktioniert es. Woran es lag? Keine Ahnung!
Nach einer kurzen Mittagspause machen wir uns wieder auf den Weg. Ich beende den Ladevorgang mit der App, bekomme die Rechnung – nur lässt sich das Kabel an keinem der beiden Enden ausstecken, die Ladesäule zeigt immer noch „Laden“ an, meine App nicht. Immerhin gibt es eine Telefonnummer auf der Ladesäule, die Frau auf der anderen Seite spricht Englisch, macht ein Reset, die Ladesäule schaltet aus, aber die Stecker sitzen fest. Tomy schließt und öffnet das Auto, oder öffnet und schließt – siehe da, die Stecker geben ihre unnachgiebige Haltung auf! Los geht es!
Wohin? Unter anderem in einem Supermarkt. Wir wollen nicht jeden Tag Essen gehen, also kaufen wir Polar- oder Pitabrot, Wurst, Rentierschinken und geräucherte Makrele und essen „zu Hause“ im Hotel. Dumm zwar, dass wir unser Besteck vergessen haben, aber die Finger tun es auch.
So gegen halb neun bekomme ich einen Alarm meiner Polarlicht App: Es könnte in der nächsten Stunde Polarlichter geben, zu sehen, wenn der Himmel klar ist. Das ist er nur in Teilen, mal schneit es, mal strahlt der Vollmond über der Stadt. Sich jetzt aufraffen ist gar nicht so einfach! Aber wer weiß, wie das Wetter morgen ist, also fahren wir zum unteren Parkplatz des Museums bei der Trondenes Kirche. Und genau als wir ankommen, erscheint der erste grüne Schleier am Himmel. Ziel der Reise erreicht, dieser Punkt meiner Löffelliste kann abgehakt werden!
Warten aufs Polarlicht
Polarlichter kommen und gehen, dieses geht und wir warten aufs Kommen. Tomy will nach einer halben Stunde aufgeben, ich geh noch ein wenig spazieren. Da kommt die Polizei auf den Parkplatz – und mit ihr das Polarlicht! Plötzlich ist es überall, vor uns, rechts, links, über uns! Sagenhaft! Ich bin überglücklich!
Am nächsten Tag fahren wir nach Svolvær, der Hauptstadt der Lofoten. (Ja, Auto laden war wieder mit einiger Spielerei verbunden)
Die Landschaft ist malerisch. Sagenhaft. Wunderschön. Ein Traum.
Das Wetter bietet alles, von dichtem Schneefall zu strahlendem Sonnenschein. Das wechselnde Licht macht alles noch beeindruckender. Dieses Lichtspiel, dieses winterliche, kalte Licht ist etwas ganz Besonderes, es verzaubert. So wie die Sonne Afrikas, nur halt ganz anders. Das Wasser in den Fjorden ist am Morgen von einem einzigartigen Eisblau, einem sanften Türkiston. Die schneebedeckten Berge strahlen in der aufsteigenden Sonne, dazu der Kontrast des dunklen Felsens und der rotbraunen oder senfgelben Häuser – die Farben der winterlichen Vesterålen und Lofoten sind ein Wintermärchen.
Als wir in Svolvær ankommen, ist es schon später Nachmittag, zumindest vom Sonnenstand her. Der Ort sieht auch nicht allzu hübsch aus, aber unser Zimmer haut uns um! Nein, kein großer Luxus, aber hat an zwei Seiten bodentiefe Fenster statt Wänden: Ein Bett mit Aussicht! Ich liebe es!
Wir essen im Restaurant Bjorsen, das dem Hotel angegliedert ist. Ich suche meine Speisen ja meist nach den Beilagen aus, leider mag ich keine, die zu den verschiedenen Fischen angeboten wird, so richtig. Rentier mag ich auch keines, aber es gibt Ceviche! Das kennt in Deutschland kaum jemand, es sei denn, er oder sie ist Peruaner: Diese Art Fischtatar ist Perus Nationalgericht und ich liebe es! Es ist hier köstlich, ebenso die beiden Fische der Hauptspeise, sogar die Beilage schmeckt. Der Preis: hoch für Deutsche. Die Qualität: hoch für Deutsche! Passt!
Um zwanzig vor acht machen wir uns auf zum Treffpunkt für die extra dazu gebuchte Polarlicht Safari. Mit zwei Kleinbussen fahren wir zum Norden der Insel. Auf halben Weg halten wir in einem Feldweg, über uns: traumhafte Polarlichter!
Wir fahren weiter, halten an einer Ausweichstelle auf einem wenig befahrbaren Damm mit freien Blick nach Norden. Vor uns leuchtet der Polarstern, hinter uns der Mond und links von uns der Jupiter. Der Guide und Fotograf erklärt uns, was KP Wert bedeutet. Er gibt an, wie weit in den Süden, also von unserer Position aus wie hoch am Himmel sie erscheinen. Die tollen Lichter gestern waren KP 5 meint er, bei KP 9 können sie bis Norditalien reichen.
Hier reicht allerdings gar nichts. Ein kaum erahnbares Schimmern in der Ferne, aber nichts im Vergleich zu vorhin. Die anderen Teilnehmer setzen sich in den Bus, wir stapfen die Straße auf und ab, ich weiß aus Erfahrung, dass mich Bewegung wärmer hält, als Sitzen im beheizten Auto. Ich habe aber auch einige Zwiebelschalen an: Unterhemd, T-Shirt, Wollpulli, leichte Winterjacke darüber Tomys Winterjacke, mit der er Minus 32 Grad in St. Petersburg getrotzt hat. Er wird übrigens ungehalten, meint, er wäre besser selbst gefahren, dann könnte er jetzt heim – aber Polarlichter sind unberechenbar. Auch wenn alle Parameter gerade stimmen, es bleibt dunkel. Nach zwei Stunden Warten fahren wir zurück. Kurz vor Svolvær fahren wir rechts ran…
Der Himmel strahlt! Vor uns tanzen grüne Streifen über den Himmel, wabern grüne und magentafarbene Vorhänge. Hoch über unseren Köpfen winden sich Strahlenkronen, oder wie ich finde, tanzende Unterröcke einer Ballerina und ich bin der Fußrücken, der staunend nach oben schaut. Ein unbeschreibliches und magisches Erlebnis! Selbst der Fotograf, der bei klarem Himmel jede Nacht draußen ist, ist aus dem Häuschen!
Aurora borealis kann ich nun wirklich von meiner Löffelliste streichen: Dieses Erlebnis habe ich für immer in mir!
Der Schnee kommt!
Am nächsten Tag gönnen wir uns ein hervorragendes Frühstück mit geräuchertem Fisch in dem Restaurant, während unser Auto an der Schnellladestation lädt. Diesmal ging das Anschließen flott. Wir brauchen Strom, denn wir fahren ans Ende der Welt, oder auch an den Anfang, nach Å. Dort endet die Straße, die Lofoten allerdings nicht. Bis dorthin sind es 130 km, quer über die Inseln, entlang der Fjorde. Das Wetter ist übrigens nicht gut angesagt, doch mittlerweile wissen wir, dass die Wetterapp hier versagt. Heute soll es schneien, das tut es auch, aber der überwiegende Teil des Tages ist wieder ein Lichtspiel von Sonne und Wolken. Es ist zauberhaft.
Nusfjord, ein Museumsdorf
Himnøy, die Brücke wirft schon lange Schatten
Wir bleiben an viel zu vielen Orten stehen, machen einen Abstecher nach Nusfjord. Dieses Fischerdorf ist mittlerweile ein Freilichtmuseum, von dem wir mehr erwartet haben. Es ist den Abstecher und den Eintritt durchaus wert, das Internet hat nur unsere Erwartungen zu hochgeschraubt. Jedenfalls sind wir dadurch erst gegen drei Uhr im fotogenen Himnøy. Die Sonne steht jetzt so tief, dass kaum mehr ein tolles Foto zu machen ist. Schade! Denn jetzt kommen noch einige schöne Orte, Reine zum Beispiel, aber die Fotos geben nicht mehr viel her. Und Å? Da muss man im Winter nicht hin. Der helle Tag ist zu kurz, um in die Museen zu gehen. Die Fahrt dorthin ist allerdings ein Muss.
Wir fahren dem Schnee davon
Am letzten Tag in Svolvær fahren wir zu dem berühmtesten Fußballplatz der Welt nach Henningsvær (Der Link führt zu einem Foto). Die Fahrt entlang des Fjordes bietet wieder eine atemberaubende Szenerie und wilde Lichtspiele: Vor uns scheint die Sonne, hinter uns kommt der Schnee. Den Fußballplatz, der nur von oben spektakulär aussieht, erreichen wir gleichzeitig mit dem Schnee. Die geplanten Fotos mit der Drohne werden also quasi eingeschneit. Schade, denn die Straße dorthin wäre schön von oben. Andrerseits wäre das auch eine Verfälschung der erlebten Eindrücke.
Nachmittags spazieren wir noch bis ans Ende der Inseln vor Svolvær. Endlich sehen wir nicht nur die riesigen leeren Gestelle aus Holz, die überall herumstehen. Diesmal hängen auch unzählige Fische zum Trocknen dran. Kein Anblick für zarte Gemüter und nach Fisch stinkt es auch! Trotzdem ist es ein erbaulicher Spaziergang mit einigen schönen Blicken auf den Ort.
Hier werden Fische auf traditionelle Weise getrocknet
Am Ende der Insel Swinoy
Svlovaer
Ein letzter atemberaubender Anblick
Nachts schneit es. Unsere Fahrt zurück nach Narvik führt durch tiefverschneites Winterwonderland. Bevor wir vollautomatisch ins neben der Alpinpiste gelegene Base Camp einchecken können, wollen wir noch das Auto laden. Die Schnellladestation befindet sich neben einem Einkaufszentrum, welches natürlich am Sonntag geschlossen ist. So wie alles andere auch. Wir hätten in der Ladezeit gerne etwas gegessen oder wenigstens einen Kaffee getrunken, doch am Sonntag ist in Narvik alles zu. Okay, die Bibliothek hat offen, dort gibt es Kaffee aus der Thermoskanne und frisch aufgegossenen Tee. Gut, dass wir noch Brot, Fisch und Käse fürs Abendessen und Frühstück haben!
Klar ist, wenn du nicht gerade Schi fahren willst oder am nächsten Tag zum Flughafen musst, kannst du Narvik im Winter getrost auslassen. Für den Sommer lasse ich mich gerne eines Besseren belehren.
Auf dem Weg zum Flughafen
Am letzten Tag fahren wir wieder durch den frischen Schnee – in Norwegen werden die Straßen zwar geräumt und auch mit Splitt gestreut, Schneefahrbahn gibt es trotzdem – zum Flughafen. Am zugefrorenen See neben der Straße kommen uns drei Rentiere entgegen. Ich sehe das letzte zwar nur mehr kurz, aber hei, ich hab‘ nicht nur Nordlichter vom Feinsten, eine einzigartige Landschaft aus Meer, Inselchen und verschneiten Bergen, sondern auch noch Rentiere gesehen!
Wie gesegnet bin ich!
Information:
Wir haben die Reise bei Journaway gebucht.
Ich nutze zwei Polarlicht Apps: Aurora und Polarlichtvorhersage. Eine Installation könnte sich lohnen, denn auch 2026 soll es nocht starke, bis nach Deutschland sichtbare Polarlichter geben.
