Segeln mit Yemanja

La Paz

Der Taxifahrer sieht uns zweifelnd an: Hier wollen wir austeigen? In dieser kleinen Gasse vor dem verrammelten Haus?

Sieht nicht einladend aus, ist einfach und nett und gut gelegen!

Damit sind wir quitt. Führt der Weg vom Flughafen El Alto runter durch La Paz doch erst mal so kreuz und quer durch Nebenstraßen voller Löcher und Indio-Frauen in bunten Tüchern, dass mir kurz Zweifel kommen, ob wir nicht doch entführt werden. Doch plötzlich tut sich die Gasse auf, vor uns liegt La Paz in einem Talkessel, Serpentinen führen hinunter.

Uns stockt der Atem.

Dieser Blick ist ein grandioser Traum mit ein wenig Alb darin.

Vor dem Haus ruft der Taxler die Telefonnummer auf unserer spanischen Wegbeschreibung an und schon winkt von oben ein Lockenschopf. „Ich komme“ ruft Ryck.

Wie?

Auch diesmal hatte ich über Airbnb gebucht, ich mochte Lage, Preis und Fotos des Angebots. Dass Ryck jahrelang in Köln, also quasi in der Nachbarschaft, gewohnt hat und fließend deutsch spricht, habe ich jetzt nicht erwartet.

Wir haben Hunger und machen uns auf den Weg in die Stadt. Von der Höhe merken wir erst mal nichts. Wir haben allerdings auch die hier erhältlichen Sorochi-Pills genommen. Beim Rückweg keuche ich dann doch etwas: Ich habe null Kondition und es geht ganz schön bergauf. Die Autos qualmen auch nicht schlecht!

Ich bin außer Atem, ja, ’s Herzerl klopft, aber oben angekommen ist alles wieder gut, ich merke nichts von der Höhe.

Tomy schon. Die erste Nacht kämpft er mit einem beklemmenden Gefühl, wie auf zu kleinem Raum eingesperrt sein. Doch die Tabletten helfen, den nächsten Tag ist er fit genug für eine ausgiebige Stadtbesichtigung:

Nein, La Paz ist nicht schön. Alte Minibusse blasen stinkende Abgase in die Luft, die Taxis nicht weniger. Beide zusammen beherrschen den Verkehr, die wenigen Privatautos sind japanischer Herkunft. An jeder Ecke sitzt eine Chola – eine Frau mit indianischen und spanischen Vorfahren – und verkauft etwas: Elektronik, Zeitungen, Hefte, Obst, Gemüse, Süßigkeiten, Bananenschips, Mützen… Alte Villen verkommen zwischen modernen Hochhäusern. Die Kaffeehäuser auf der Hauptstraße können es mit denen in Wien aufnehmen, die Restaurants mit denen in Berlin und die Schuhgeschäfte mit denen in Mailand. Die Kinder gehen in den englischen Kindergarten oder werden am Rücken in einem bunten Tuch getragen. Die Damen sind schick gekleidet wie in Paris oder sie tragen die Tracht der Cholas, weite Röcke, Schultertuch, Hütchen, Schühchen.

La Paz ist eine Weltstadt mit indigenen Flair.

Höher als dort, wo bei uns allenfalls noch ein paar Bakterien im ewigen Eis gerade so nicht erfrieren, wachsen hier Palmen und Kiefern. In gepflegten Parks blühen Löwenmäulchen und Stiefmütterchen. Hinter den Hochhäusern wachsen schroffe Felswände empor. Die Brötchen schmecken wie daheim, das Bier wird nach deutschem Reinheitsgebot gebraut, es gibt frisches Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Die Schuhputzer haben fast immer etwas zu tun, auch die Autowäscher, und die Polizisten gehen freundlich lächelnd Streife.

Nachts ist es kühl, vielleicht fünf, vielleicht acht Grad, doch mittags heizt eine gnadenlos brennende Sonne die von ihr beschienenen Stellen auf 20 bis 25 Grad. Nur im Schatten bleibt es kühl. Diese Stadt auf über 3200m Höhe, weiß einfach nicht, ob sie alpin oder mediterran sein soll!

Wir machen einen Stadtrundgang. Erst laufen wir den „Prado“, die Prachtstraße mit den teuren Geschäften und schönen Kaffeehäusern, entlang bis zur Kirche San Franciso, in die sich der gute alte Franz bestimmt nicht verirrt: Viel zu viel Gold innen drinnen. Hübsch ist sie.

Dahinter soll der Hexenmarkt sein, aber nur mehr zwei Stände und das schicke Cafe das Brujas erinnert daran: Mit Souvenirs lässt sich offensichtlich mehr verdienen. Außer den typischen bunten Tüchern, Püppchen und Kram, gibt es auch ein paar Geschäfte, die bei uns durchaus tragbare Kleidung aus Alpaka verkauft.

Dann gehen wir hinauf in die Altstadt, in die Calle Jean Irgendwas, die unter Denkmalschutz steht. Immerhin gibt es ein überraschend liebevoll gestaltetes Museum für Musikinstrumente dort. Tomy wartet, ich sehe es mir an und spiele mit einem Flaschenxylophon und anderen Instrumenten. Danach gehe ich ins Folklore Museum und erwarte Trachten, doch Fehlanzeige. Die Masken in dem dunklen Raum sind beeindruckend, der Federschmuck hübsch, auch die Ausstellung über die verschiedenen Indigenen Gruppen wäre interessant, doch leider ist alles nur auf Spanisch.

Vor dem Regierungsviertel sind Straßensperren, die wohl kaum einen Wahnsinnigen abhalten können. Immerhin erinnern sie daran, dass das Land gepalten bleibt: In Oben und Unten, indigener und europäischer Abstammung, arm und reich, Si und No – und so ziemlich alles, was dazwischen liegt.

Die Häuser um den Plaza Murillo sind sehr hübsch, die Tauben ein Albtraum. Und die Irren füttern sie auch noch! Vor dem Regierungssitz stehen ein paar Colorados in roten Uniformen herum – und das war es mit den Sehenswürdigkeiten!

Doch täuscht euch nicht: Der Zauber dieser Stadt liegt in ihrem Flair! Oder in ihren Märkten.

Denn eigentlich ist das Zentrum von La Paz ein einziger riesiger Markt: Der Souvenirmarkt geht in den Blumenmarkt in der Calle Illampu über – in der sind übrigens auch jede Menge Hostels, Touranbieter und Trekkingausrüster mit Markenware. Auf der anderen Seite der San Franciso Kirche ist ebenfalls ein großer Markt, verbunden werden die beiden durch vereinzelte Kioske. Und das geht weiter bis zum Markt an der Calle Comacho. Dort gibt es alles, schön in Sektionen aufgeteilt.

Blumenmarkt am Beginn der Calle Illampu

Und überall gibt es etwas zu essen: köstliche Bananenchips und geröstete Bohnen, Nüsse, geschälte Kaktusfrüchte, Suppen, Fleisch mit Reis, weißes Popcorn (schmeckt nach Pappendeckel), Obstsalate und Säfte, Empanadas, Brot und gefüllte Teigtaschen.

Frau mit der typischen Haltung eines Menschen, der auf sein Handy starrt

La Paz kann man nicht besichtigen, La Paz muss man erleben!

INFO

LA PAZ

Im touristischen Zentrum rund um die Kathedrale San Francisco ist La Paz am wenigsten interessant. Dort sind die Hostels, Touranbieter, Ausrüster und Souvenierverkäufer, sprich Touristen, aber nicht La Paz.

TIPP Übernachten: Hostel in Sopocachi suchen, z.B. das A la Maison. Man bekommt sehr viel mehr von der Stadt mit, wenn man von dort ins Zentrum schlendert. Außerdem ist dort die Teleferico Amarello, mit der man nach El Alto fahren kann oder ins Vallee de la Luna.

Sehenswert:

Markt in EL Alto: Der große Markt ist sonntags, aber auch an den anderen Tagen ist bis mittags Gemüsemarkt

Markt Comache: In La Paz, riesiger Markt, auch morgens hingehen

Vallee de La Luna: bunten Microbus Nr 43 vor der Kathedrale nehmen, oder die Sicherheitskräfte nach den kleinen Bussen fragen; Fahrzeit eine gute Stunde; oder mit der Teleferico Amarello zur Talstation fahren und dort in den 43er einsteigen.

Fahrt mit der Teleferico (Amarello) nach El Alto: toller Blick, lässt sich mit dem Markt verbinden

Den Prado rauf und runterspazieren bis zum Plaza Avanca, um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Mutige können sich mit dem Mountainbike die Death Road hinunterstürzen, es gibt Angebote zum Paragliden, Bergsteigen oder man fährt ins ehemals höchste Schigebiet der Welt. Die

Touranbieter sind fast alle hinter der Kathedrale in der Calle Illampu. Dort gibt es auch Ausrüstung

Busse nach Copacabana: Diana Tours im Hotel Sagaranga in der Straße, die neben der Kathedrale hinauf geht (Calle Sagaranga). Abfahrt etwa 8 Uhr morgens, Fahrtzeit 4 Stunden, Ticket am Vortag kaufen

Busse nach Oruro: von 4:30 morgens an praktisch stündlich den ganzen Tag im Busterminal, Tickets am gleichen Tag kaufen

Zug von Oruro nach Uyuni/Tupiza/Villazon: Im Büro der FCA in der Sanchez Lima zwischen, Ticket im Voraus kaufen. Die Züge gehen viermal in der Woche, der Wara Wara Dienstag und Donnerstag, der Espreso del Sur Freitag und Sonntag. Info unter www.fca.com.bo

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