Segeln mit Yemanja

Wo Feen, Kühe und Geschichten wohnen

Fazenda

„Itamarati?“

Ungläubig blickt der Busfahrer, der unsere Fahrscheine kontrolliert, Tomy an. Was will dieser Gringo in diesem Nest inmitten der ehemaligen Kakaofazendas im Hinterland von Ilheus?

Itamarati

Nun, so genau weiß ich das auch nicht. Es könnte allerdings sein, dass er seine Frau – also mich – glücklich sehen will, und ich will eben unbedingt auf die Fazenda meiner Freundin Monika. Aber so stimmt das jetzt auch wieder nicht denn erstens ist er auch neugierig aufs Landleben und zweitens gehört die Fazenda nicht Monika, sondern ihrem… sagen wir: zukünftigen Mann Ricardo.

Die Häuschen der Fazenda

58 Real pro Person kostet die Reise in einem modernen, klimatisierten Bus über die BR 101, die Salvador mit Rio verbindet. Eine ganz normale Landstraße ist das, auf der Lastwägen die Container von Hamburg Süd, Vieh und Bananen befördern, Autos und Motorräder fahren. Wir fahren an Weiden, Bananen- und Orangenplantagen und schließlich an Regenwald vorbei. Ganz schön hügelig ist es hier! Vor keinem der fünf oder sechs Ortschaften die unterwegs groß genug sind, damit der Bus anhält, verrät uns ein Schild, wo wir sind. Itamarati, Ibirapitanga, Ibirataia, Ubaitaba oder Ubatã? Auch wenn diese Ort nicht alle auf der Strecke liegen, so doch um die Fazenda herum. Manche Orte haben einen beschrifteten Rodoviária, einen Busbahnhof, in anderen bleibt der Bus einfach an der Tankstelle stehen. Wir wissen nur, dass wir gegen vier Uhr, nach sechs Stunden Fahrt, aussteigen müssen.

Tomatinho

Monika kommt uns schon fröhlich entgegengelaufen. Ich lernte sie vor fünfzehn Jahren kennen, als wir nach Salvador zogen und etwas Unterstützung brauchten. Ricardo ist noch in der Bäckerei, wir holen ihn ab und steigen ins Auto. Es ist rot, ein Fiat, Tomatinho, kleine Tomate, mit Namen. Die Fenster sind offen, vielleicht weil sie nicht zugehen, vielleicht, weil sich die Türen nur von innen öffnen lassen, vielleicht einfach nur weil es warm ist. Die Fahrertür springt unterwegs immer wieder auf, Ricardo reißt sie energisch zu. Wenn er aussteigen will, lässt sich die Türe nicht von innen öffnen. Das Auto klapprig zu nennen, wäre völlig untertrieben. Doch hat es genau die richtige Straßenlage für die holprigen und steilen Lehmpisten, die zur und durch die Fazenda führen. Ein Jeep wäre natürlich ideal, aber solange, bis die Fazenda wieder Geld einbringt, erfüllt es seinen Zweck.

Die Piste zur Fazenda

Auf der Fahrt erfahren wir, dass das, was wir für Reste des Regenwaldes hielten, zum großen Teil Kakaowald ist: Der Kakaostrauch wächst im Schatten der mächtigen Bäume, manchmal auch im Schatten von Bananen. Ricardos Familie gehörte zu den legendären Kakaobaronen rund um Ilheus. Er und seine Brüder reisten nach Europa, der eine oder andere studierte, doch dann kam der Hexenbesen genannte Virus und zerstörte die Einkommensquelle. Auch konnte Kakao jetzt in Indonesien und Malaysia preiswerter hergestellt werden. Der Rest des Familienvermögens ging an das schwarze Schaf der Familie. Die Fazenda verfiel, wie so viele andere. Ricardo wurde Polizeichef, später Fremdenführer. Was immer schwieriger wurde.

Kakaofrucht

Monika wurde in Deutschland geboren und kam mit ihren Eltern nach Brasilien, als sie zwölf Jahre alt war. Sie wuchs in Rio auf, und folgte mit 18 das erste Mal der Liebe und bekam ihr erstes Kind. Von da an leitete sie ihr Herz, wobei sie vielleicht manchmal höchst unvernünftig handelte, doch nie verlor sie den Verstand soweit, dass sie ihre finanzielle Unabhängigkeit aufgegeben hätte. Sie arbeitete bei großen deutschen und internationalen Konzernen und im Tourismus, hatte gute Jobs, ohne Ausbildung, nur mit guten Sprachkenntnissen, Selbstvertrauen und Köpfchen. Drei Kinder von drei Vätern hat sie, und viele Geschichten von der Liebe, ihrer Süße und ihrer Bitterkeit, von Betrug, Leidenschaft und Rache.

Immer wieder schlägt sie die Hände lachend vor dem Gesicht zusammen und schüttelt den Kopf: „Soll ich das wirklich alles aufschreiben?“ fragt sie?

„Die Geschichten der Moni Sol“ sinniere ich laut und denke an Isabelle Allendes Geschichten der Eva Luna.

Eine Raupe – schön aber gefährlich wie eine Qualle

Nun ja, Monika verlor den Job, und da kam die Idee von Ricardos Bruder, die Fazenda wieder zu revitalisieren gerade recht. Urucum, einen natürlichen Farbstoff für die Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie, bauen sie jetzt an. Es dauert eine Weile, vier, fünf Jahre bis die Pflanzen, auf deutsch Anottastruach oder Lippenstiftbaum genannt, genug abwerfen, um die Investitionen wieder ein zu bringen. Soweit sind sie noch nicht.

Auch mussten erst die vernachlässigten Häuser der ehemaligen Arbeiter wieder hergerichtet werden. Monika putzte und strich die alten Wände und die Fensterläden bunt, ließ die Dachziegel säubern, legte einen Garten an, hängte bunte Tücher als Vorhänge auf, verzierte den Eingang und alte Möbel mit Wandmalereien und Mosaik.

Monikas Häuschen

Täglich geht sie durch die Pflanzungen, macht Fotos und dokumentiert das Wachstum der Ururcum-Sträucher. Unterwegs findet sie Hölzer und Steine, aus denen sie hübsche Feenhäuser bastelt. Oder Windspiele und Traumfänger.

Ein Feenhäuschen

Ihr Traum ist ein Häuschen mit Veranda oben auf dem Berg, dort wo man das Tal und die Fazenda überblickt. Und vielleicht ein paar Häuschen vermieten, Führungen durch die Plantagen anbieten, für Menschen die das einfache Leben in der Natur mögen. Oder Fische in den Teichen und Wasserbüffel in den Sümpfen züchten.

Monikas Traum

Einfach ist das Leben hier. Immer noch. Es gibt Strom – meistens, Fernsehen und Internet, auch Wasser. Das Trinkwasser kommt aus der Quelle. Die Dusche ist aus gemauerten Stein, alt und bröselig, das Wasser kalt. Die Toilette wird mit Wasser aus dem Eimer gespült, wenn es regnet werden Töpfe auf dem Fußboden im Haus verteilt. Die Fenster haben kein Glas, ist auch nicht nötig, ist ja warm. Wir schlafen gut auf einer harten Pritsche, mich stört das nicht, Rückenschmerzen bekomme ich nur in zu weichen Betten. Es gibt ja auch Betten mit dicken Matratzen, aber da müssten wir getrennt schlafen und das mag ich gar nicht.

Unser Bett

Das Gästehaus

Geweckt werden wir vom Krähen des Hahnes und den Vögeln, die jetzt im Frühling besonders eifrig schnattern.

Unser Wecker

Es sind keine Singvögel wie bei uns, trotzdem ist das schön. Tagsüber flattern die Kolibris die Blumen küssend um uns herum, nachts die Fledermäuse über unser Bett.

Beija-Flor, Küss-die-Blume oder Kolibri

Hie und da muss man einen dicken Frosch aus dem Badezimmer kehren.

Wer mag ihn küssen?

Gegenüber weiden die Kühe, manchmal traben Pferde vorbei. Abends geht der Vollmond über dem Hügel vor der Küche auf. Der Sternenhimmel ist ehrfurchtserregend. Die Grillen zirpen schrill und kreischend, die kleine schwarze Katze verkriecht sich in Monikas Schoß. Millie, die Pittbullmischlingsdame, folgt ihr auf Schritt und Tritt.

Pretinha, die kleine Schwarze

Millie

Ich bringe Monika nähen bei, sie kocht fürstlich für uns. Und unterhält uns mit ihren Geschichten…

Uns gefällt es hier!

Und Monika, die schicke, blonde Carioca auf Stöckelschuhen, ist in ihren Gummistiefeln auch angekommen. Sie hat die Liebe endlich gefunden.

Hast du Lust aufs Landleben in Bahia? Melde dich bei mir unter Kontakt und ich schicke dir Monikas Email-Adresse. Sie wird übrigens demnächst eine gute Matratze für das Bett im Gästehaus kaufen!

 

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