Segeln mit Yemanja

Wetterleuchten 6. Tag T-CV

So, nun dürfen alle Orien-Tiere wieder aus dem Käfig!

Ob es was genützt hätte, sie einzusperren? Also im Ernstfall? Keine Ahnung!

Der heutige Tag (Freitag) verlief erst mal faul: So untätig habe ich meinen Seemann noch nie gesehen!

Wer uns aus dem Leben vor dem Boot kennt, weiß dass Tomy ständig in Bewegung ist. Noch nie hat er sich hingesetzt oder ausgeruht, solange ich noch etwas in der Küche oder sonst wo zu tun hatte: Tomy half immer, hatte immer etwas zu reparieren oder sah einfach, was ich oder andere brauchten und erledigte es für uns. Selbst die Gartenarbeit, die er so sehr hasst, tat er immer, wenn auch nicht immer gut gelaunt, wenn ich Hilfe brauchte. Daran hat sich natürlich nichts geändert.

Nur gibt es hier am Schiff nichts zu tun:

Sissi, die Windpilotin und zuverlässigstes Crewmitglied steuert, sie hält uns brav vorm Wind. Solange der aus Ostnordost kommt, so um die 15 Knoten Windstärke, rauschen wir dahin. Wir beobachten den Plotter, lesen, bereiten Essen zu, verdauen, waschen uns und die benutzten Küchengeräte. Für all das braucht man selbst auf einem extrem wackeligen Schiff keine 24 Stunden.

Also liegt mein Lieblingsseemann auf Deck und döst oder schläft.

Tomy sleeping on deck

Versteh‘ ich auch gut, denn unter Deck schlafen, war ihm diese Nacht bei dem Geschaukle, Geknarre und Getöse nicht möglich. Er hielt freiwillig lange Nachtwache, weil er an Deck, wo es leise ist, am besten schläft: Alle 20 Minuten Rundumblick und Kurskontrolle reichen ja nachts völlig. Ich hingegen konnte recht gut in der Leekoje schlafen, obwohl ich hie und da hochschreckte: Würde Yemanja kippen oder zerreißen?

Steffi sleeping inside a noisy ship

Mittlerweile habe ich größte Hochachtung vor diesen Schiffskonstrukteuren: Die Kräfte, die an so einem Boot zerren, sind unglaublich! Noch unglaublicher ist, dass es das aushält!

Zurück zum faulen Nachmittag: Tomy schlief auf der Bank, ich döste am Cockpitboden. Aus einer Eingebung oder aus Bequemlichkeit heraus hatte ich keinen Brotteig fürs Abendessen vorbereitet. Da riss uns ein Windstoß aus unserer Lethargie: 30 Knoten! Voller Begeisterung stürzte Tomy zum Steuerrad: WIND!!!

Ein paar Tropfen Regen kamen hinzu. Wir rätselten:

 

„War das ein Squall? Hast du den kommen sehen?“

„Nein, der Himmel sieht wie immer dieser Tage aus! Nur links, siehst du das Wolkenband? Das gefällt mir nicht!“, antworte ich.

„Du meinst die Berge dort?“

„Also soweit im Osten sind wir nicht, dass da Berge sein könnten…!“

 

Der Himmel sah weiterhin in keinster Weise Besorgnis erregend aus, auch das Wolkenband war einfach nur ein etwas dünklerer Streifen in weiter Ferne. Es gab keine dunklen Wolkentürme, die Sonne schien, dazwischen ein paar grauere, größere Wolken. Der Wind schlief fast völlig ein.

Doch das Geräusch, das gelegentlich an unsere Ohren drang, war eindeutig Donner. Links, nicht oft. Blitze sahen wir gar keine. Wir legten das Segel auf den anderen Bug, um dem Wetter eher davonzufahren, sicher ist sicher.

Aber irgendwie war das Gewitter dann plötzlich um uns herum, immer noch ohne jegliche bedrohlich aussehenden Wolken. Nur vor uns war alles frei, dort schien die Sonne, eigentlich auch rechts von uns.

Der Donner, jetzt auch die Blitze kamen näher – nicht heftig, nicht oft, aber Grund genug, alle tragbaren Orien-Tier-ungshilfen, Handfunke, Yellow Brick, Garmin und mein iPhone, in den Faradayschen Käfig, den freien und kalten Backofen zu sperren!

Ob uns das im Falle eines Blitzeinschlags irgendwie geholfen hätte? GFK-Boote mögen das ja gar nicht!

Wir wissen es nicht. Wir haben das nur irgendwo als Tipp gelesen oder gehört, ich glaub’ beim Blauwasserseminar auf der BOOT von Sönke Röver.

Da! Ein Blitz, ein Kracher, rechts direkt neben uns, schwere Tropfen, wir flüchten ins Innere.

Und das war es dann mit diesem merkwürdigen Gewitter: Kein Wind, kein Regen, keine auffallend dunklen Wolken, über uns leuchtete blauer Himmel durchs Luk.

Das Gewitter zog in der Nacht gelegentlich blitzend nach Südosten ab, wir nahmen unseren alten Kurs wieder auf und warfen den Motor an. Der Wind ist seitdem weg. Und wir haben etwas zu tun: Steuern, denn Franz, der Autopilot, hat sich schon in den Kanaren in den Krankenstand begeben.

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