Segeln mit Yemanja

Berauschender Herbst

Rose

Letzte Rose in meinem Garten

Ich kann es nicht anders in Worte fassen: Der Herbst berauscht mich, die Farben, das Licht – mir ist, als hätte ich das alles noch nie gesehen!
Dabei hab ich schon einige Jahreszeiten auf dem Buckel!
Und es ist auch nicht so, dass ich den Herbst nicht immer schon schön gefunden hätte.

Doch dieses Jahr ist es anders, intensiver.

Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht mit Herbst gerechnet habe. Denn eigentlich sollten wir ja jetzt auf den Kap Verden, sozusagen im Sommer, sein, in Sal, mit unserer jüngsten Tochter. Die ist jetzt mit ein paar Kollegen dort. Und wir finden uns durch Tomys Leistenbruch unvermutet im nordrhein-westfälischem November wieder:

Wie aus puren Gold leuchten die Blätter des Gingko zwischen grünen Nadelbäumen, den Skeletten der schon kahlen Bäume und den kupferfarbenen Buchen. Die Landschaft wird klar, ihre Struktur deutlich erkennbar, Verborgenes sichtbar. Magischer Nebel verhüllt es manchmal, an einigen Tagen wird es kaum hell, dann ist der Himmel wieder satt blau. Eine letzte Rose blüht, die Sterne der Sonnenhüte strahlen im Morgentau, ebenso eine einsame Storchenschnabelblüte, der ganze Garten hat einen warmen, kupfergoldenen Grundton.

Alles ist intensiver als sonst: Weil ich es jetzt rar ist und ich es deshalb mehr schätze?

Ebenso wie das Licht des Herbstes berauscht mich das Licht meiner Kinder und meines Engelchens Lian. Fünfzehn Monate ist er jetzt alt, immer fröhlich, immer strahlend, immer neugierig, begeistert und beschäftigt. Fast immer – er kann auch weinen, oder sich scheu und schützend an der Mama festhalten, doch das ist selten.

Er räumt den Holzkorb aus, verteilt die Scheite als Geschenke an die Familie, er drückt alle Knöpfe an Fernbedienungen und anderen Geräten denen er habhaft werden kann, er schaltet Licht an und aus, er räumt die Bücher vom Couchtisch aufs Sofa und retour, und bei all dem jauchzt, brabbelt und quatscht er fröhlich und unverständlich vor sich hin.

Doch am meisten liebe ich es, ihm beim Essen zuzusehen. Er isst gerne, so gut wie alles, am liebsten Obst und Gemüse. Und er isst alleine, mit allen Sinnen, den Fingern, Gabel oder Löffel, er sperrt den Schnabel wie ein Vögelchen auf, wenn er doch mal gefüttert wird. Und dabei quietscht er immer wieder vor Freude.

Wirklich berauschend, das Kerlchen!

Doch kein Rausch ohne Kater! Bei uns kam der davor, oder auch gleichzeitig: Die ersten drei Tage hatten wir ja mit der Vorbereitung auf und mit der Operation von Tomys Leistenbruch genug zu tun. Doch dann überfiel uns eine Art klebriger Nebel, eine fast unerträgliche Enge. Das Vertraute, die Routine erstickt, wir fallen in alte Rollen, wir sind gefangen in Schienen, kommen nicht raus.
Kein Serendipity, nichts Neues zu entdecken, keine Grenzen, die es zu überwinden gibt … oder doch?

Ich muss aus der Trägheit erwachen, etwas tun, raus aus dem Vertrauten, mich bewusst etwas aussetzen, das mich nicht interessiert; wohin gehen, wo ich noch nie war; etwas tun, vor dem ich Angst habe; mich bewegen, auf Menschen zugehen, zu denen ich nicht sofort einen Draht habe, die mir vielleicht sogar unsympathisch sind, kochen, was ich sonst nicht koche…

Karottensuppe zum Beispiel. Also ich liebe Möhren: Frisch aus der Erde im elterlichen Garten gezogen, die Erde schnell abgerieben, waren sie eine der Köstlichkeiten meiner Kindheit. Nur gekocht mochte ich sie nie, und roh aus dem Supermarkt haben sie auch nicht viel mit den Karotten meiner Kindheit zu tun.
Aber: Wenn ich mit Tessa, unserm Hundchen durchs Feld gehe, komme ich auch an abgeernteten Feldern vorbei. Und wenn ich sehe, wieviel Nahrungsmittel da in und auf der Erde verkommen, wird mir schlecht wie nach einer durchzechten Nacht!

Was nach der Ernte übrig bleibt

Abgeerntetes Blumenkohlfeld

Etwas läuft in dieser Welt, konkret in Deutschland, total verkehrt!

Was zu klein, zu groß, zu dick, zu dünn oder sonst wie nicht dem Anspruch des Konsumenten genügt, bleibt liegen, oder wird der Entsorgung zugeführt. Und nein, das kann nicht an der EU liegen: Obst und Gemüse in Spanien und Portugal sieht lange nicht so makellos aus, wie das in Deutschland verkaufte…

In meiner fassungslosen Hilflosigkeit fällt mir nichts anderes ein, als für meinen Eigenverbrauch zu ernten. Rein rechtlich gesehen ist das Diebstahl – es sei denn, der Bauer erlaubt das ausdrücklich. Hat er nicht, zumindest weiß ich nichts davon.

Ich bin also ein Dieb.
Und doch hatte ich noch nie so ein reines Gewissen.

Was aber tun, mit Riesenkarotten? Dank Pinterest fand ich ein gutes Suppenrezept, und das teile ich jetzt hier, weil es Karotten fast überall gibt, sie mit Süßkartoffeln oder Kürbis ersetzt werden können. Und weil das Rezept nach exotischer Abwandlung ruft! Ich sage nur Kokosnussmilch, Limetten, Kreuzkümmel…

Karotten Linsen Suppe mit Orange für 2 Personen

300g Möhren (Süßkartoffeln, Kürbis)
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
100 g rote Linsen
0,75 Liter Gemüsebrühe
Saft von einer halben Orange (Limette)
50 ml Sahne (Kokosnussmilch)
Salz und frisch gemahlener Pfeffer
(Kreuzkümmel, frischer Koriander…)

Die Karotten schälen und in Scheiben schneiden. Zwiebel klein würfeln und den Knoblauch schälen.
Die Linsen, die Möhren, Zwiebeln und den Knoblauch in einen großen Topf geben und in der Gemüsebrühe ca. 20 Minuten kochen lassen. Anschließend mit Salz und Pfeffer würzen. Mit dem Pürierstab (oder der Spätzlepresse oder Ähnliches) pürieren. Orangensaft und Sahne dazu, kurz durchziehen lassen und fertig
Dazu gibt es Baguette mit Kräuterbutter, oder Fladenbrot oder…

Und vielleicht leckeren Rotwein? Nur wegen dem Rausch!

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