Segeln mit Yemanja

Von schweren Lasten

Von einem Moment zum anderen ist alles anders, jeder Plan Schall und Rauch. Tomy hat sich langsam und schleichend einen Leistenbruch zugezogen. Gemerkt hat er nichts, er weiß ja auch nie, wo seine schwarz-blauen Flecken und blutigen Schrammen her kommen. Er merkt einfach erst, wenn ich ihn nach dem Kopf unter seinem Arm frage, dass da eine Guillotine war. Er geht auch davon aus, dass „was von allein kommt, auch wieder von allein geht.“ Im Grunde stimme ich dem zu, doch als er mir endlich im Stehen die Beule in der Leiste zeigt, ist sie so groß wie eine Männerfaust.

„Ich hab da manchmal so eine Beule, was kann das sein? Es gluckst darin.“
„Ein Leistenbruch, was sonst!“

Die Fotos im Internet erhärten meinen Verdacht.
Was tun?

Wir rufen den Trans-Ocean Stützpunktleiter in Santa Cruz, Benno Maßmann, an, mit der Frage, ob er uns einen Arzt empfehlen kann. Wenig später steht Benno mit einer Adresse und zwei Chayotes aus seinem Garten bei uns am Schiff. Er nimmt Tomy kurzerhand im Auto mit, um ihm zu zeigen, wo der Arzt ordiniert, morgen ab halb Zwölf. Danke, Benno, wenn frau einen Menschen braucht, brauchen wir Stützpunktleiter wie dich!

Dr. Kapser bestätigt heute Morgen die Diagnose, verschreibt Weichmacher für den Stuhl und eine Bandage. Und er bestätigt unsere Befürchtung: Tomy muss operiert werden und die Wunde gut verheilt sein, vorher können wir nicht weiter.

Und jetzt? Soll ich schreien, toben, vor Enttäuschung heulen?

Seltsamerweise sind wir beide völlig ruhig. Et kütt, wie et kütt und et is wie et is. Kölsches Grundgesetz. Unser Leben von jetzt auf gleich von unten nach oben umgekrempelt, haben wir auch schon oft genug, also was soll’s. Hauptsache Tomy wird gesund.
Den Besuch der Kap Verden werden wir sehr einschränken müssen, Gambia fällt somit sicher raus, beides ist enttäuschend. Nur nach Brasilien wollen wir. Doch vor Ende Januar wollten wir sowieso nicht über den großen Teich, wenn das klappt ist es gut, wenn nicht, treiben wir uns eben eine Saison auf den Kanaren herum. Ist dann eben so.

Zwei Stunden später ist der Flug mit Condor gebucht, der Liegeplatz hier reserviert und ein OP-Termin dank guter Freunde anvisiert.

Diejenige, die unter den neuen Umständen am meisten leidet, ist unsere jüngste Tochter: Sie wollte uns in zwei Wochen auf den Kap Verden besuchen. Jetzt hat sie die Wahl zwischen teurem Stornieren oder zwei Wochen alleine auf Sal zu verbringen. Außerdem werden wir während unseres Heimaufenthaltes quasi bei ihr wohnen.

Doch die Freude aller drei Töchter darüber, dass wir Weihnachten zu Hause sind, ist deutlich spürbar!

Und ich bin bass erstaunt, über das, was da in den Tiefen meines Herzens wohnt: Grenzenlose Erleichterung! Und schiere, pure Freude darüber, zwei Monate bei meinen Kindern zu sein. Sicher, sie fehlen mir, die ursprüngliche Aussicht, sie womöglich erst im Mai wieder zu sehen, lastete auf mir. Das wusste ich schon. Aber nicht wie sehr! Das weiß ich erst, seit diese Last weg ist.

Und Tomy? Dem geht es genauso!

Bleibt uns treu, liebe Freunde und Leser, noch sind wir hier, noch erzähle ich vom schönen La Palma und von daheim werde ich berichten, wie es mit Tomys Genesung weitergeht! Außerdem kommen wir wieder! Denn so sehr ich mich auf zu Hause freue, so sehr weiß ich, dass ich da nicht bleiben kann – der Ruf des Abenteuers ist zu stark !

Alte Apotheke in La Palma

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