Kulturschock Grenada

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Tomy blickt durch das Fernglas: „Masten. Masten wohin ich schaue.“

Nun, dass es mit der Einsamkeit vorbei ist, sobald wir in die Karibik kommen, war uns schon klar. Trotzdem sind wir von den vielen Masten in der Spice Island Marina und dem Ankerfeld in der Prickley Bay überfordert. Schnell einklarieren, Wasser und Strom tanken und dann in eine weniger überlaufene Bucht verholen, ist der Plan.

Prickley Bay mit Spice Isle Marina -Grenada

Der Marineiro oder Dock Master verzieht keine Miene, als er uns die Mooring Leine reicht und beim Anlegen hilft.
Niemand grüßt am Steg, nicht mal die Leute auf den anderen Schiffen.
Auf meinen Gruß in der Marina ernte ich etwas zwischen nichts und erstaunten Blicken

Ich vermute mal, das ist wie beim Laufen: Je weiter du am Feld vom letzten Haus entfernt bist, desto freundlicher und selbstverständlicher wird gegrüßt. Hier sind wir vergleichswiese mitten auf der Hohestraße. Und da halten dich die Leute für bekloppt, wenn du sie unbekannterweise grüßt.

Obwohl – ich kann mich nicht erinnern irgendwo anders bei unserer bisherigen Fahrt auf so versteinerte Mienen gestoßen zu sein…

Der Beamte in der Immigration nimmt Nasenspray, als ich zwei Minuten vor Büroschluss verschwitzt in sein Büro komme.
„Ich weiß, ich stinke.“ Scherze ich.
Und siehe da: Er lacht!
Es gibt sie also, die freundlichen Menschen in der Karibik. Ich muss sie nur finden. Meine Segelfreundin Joanna, sagt, wenn die wer findet, dann die Steffi….

In der True Blue Bay gefällt es uns wesentlich besser. Ein paar Tage später verholen wir nach St. George, der Hauptstadt. Davor liegen zwei (!) riesige Kreuzfahrtschiffe und verstecken die kleinen Häuschen der Stadt. An diese schwimmenden Massenmenschenhaltung werde ich mich hier in der Karibik wohl gewöhnen müssen…

Kreuzfahrt Grenada Karibik

Menschenmassentransport vor St. George, Grenada

St. George, Grenada

Aber erst mal suchen wir einen Liegeplatz für unsere Yemanja in der Hurrikansaison und diverse Servicebetriebe: Motor, Lichtmaschine und der Wärmetauscher müssen überprüft werden, die zweite Vorderwant ist gerissen, wir brauchen eine neue Pumpe für die Toilette, eine neue Badeleiter und das Vorsegel muss nachgenäht werden.

Schnell fühlen wir uns wie lebende Bankomaten: Professionelle Höflichkeit rein, Geld raus. Viel Geld raus. Die Karibik wird sich anstrengen müssen, wenn sie mir das wert sein will!

Nein, willkommen fühlen wir uns hier nicht, weder bei den „Locals“, den Einheimischen, noch in der vielgepriesenen Community der Segler.

Liegt es an uns? Die Menschen und Umstände auf die man trifft, spiegeln ja auch immer den eigenen Anteil wieder. Und ja ich muss zugeben: Ich war skeptisch. Vieles, das wir im Vorfeld von der Karibik und Grenada gehört haben, entsprach nicht dem, was wir wollen: Einsame Strände, ein wenig belegtes Ankerfeld, ein sorglos am Strand geparktes Dinghi, mit offenen Luken schlafen…

Haben wir in Brasilien unter Dinghi nachts rausgeholt? Tagsüber irgendwo angekettet? Nachts etwas abgesperrt? Nie!
Waren wir in einsamen Buchten unterwegs, gemeinsam mit guten Segelfreunden oder auch ganz allein? War nicht jeder Gruß von einem hinreißenden Lächeln begleitet? Wurden wir nicht – hofiert? Oh, ja!
Und das war bisher im Grunde immer so.

Es liegt also an meiner Einstellung. Ich muss etwas gegen meine Enttäuschung tun (Wieso eigentlich – ist doch alles so, wie ich dachte…). Also runter vom Schiff, rein in den Garten. Blüten helfen immer!
Ich geh auf Tour in den Hyde Park, Tomy bleibt am Schiff – ich sage nur: Dollar. Ist es ihm nicht wert. Die Gärtnerin bin ich.

Blick auf die Lagune von St. George, Grenada

Der Blick von da oben auf die Bucht ist grandios! Der tropische Garten ist hübsch, für mich allerdings nicht weiter überraschend: Ich kenne mehr Pflanzen mit lateinischem  Namen als der Besitzer, der uns herumführt. Interessant sind die Geschichten drumherum:

Der Grund war einst viel größer und diente als Weide. Der Großvater der Eigentümerin, die dort geboren wurde, zahlte noch Steuern für eine Kutsche, Pferd und Esel. Sie selbst kaufte den jetzigen,  kleinen Teil ihrem Bruder ab und begann 2000 mit der Anlage des Gartens nach den Plänen eines Gartenarchitekten. 2002 war sie damit fertig. Von den Pflanzen wusste sie nichts, das lernte sie erst später, als der grenadische Tourismusverband sie bat, den Garten für die Touristen zu öffnen.
2004 kam Ivan, von jetzt auf gleich, von Sonne auf Sturm brach er wie ein durchrauschender ICE auf der Insel ein. Er nahm viele Muskatnussbäume mit: Vor dem Hurrikan kam ein Viertel der Weltproduktion an Muskatnüssen und Muskatblüte aus Grenada, jetzt sind es noch 10%. Die Bäume erholen sich nur langsam, Muskat ist teuer geworden.

Aber nicht so teuer, wie früher: Als noch die Holländer den Muskathandel kontrollierten, konnte man mit einer guten Handvoll der Nüsse ein Haus kaufen! Deshalb wollten die Engländer auch Muskat anbauen. Sie brachten Spezialisten aus Grenada für den Zuckerrohranbau nach Malaysia und bekamen Muskatpflanzen bzw. Samen zurück, um auf der Insel anzubauen. Von da an war es vorbei mit dem Reichtum durch das Gewürz!
Im Hyde Park wachsen außerdem rund 150 Spinnen-Orchideen. Die werden jedes Jahr geschnitten, sorgsam verpackt und auf der Chelsea Flower Show in London ausgestellt.

Spinnen Orchidee

Wir trinken noch eine Zitronenlimo auf der Terrasse mit dem sagenhaften Blick, dann geht es weiter zum Palm Tree Garden. Das hübscheste ist die Fahrt, der Garten sagt mir nichts, dafür habe ich zu lange in den Tropen gelebt: Vieles dort wuchs auch in unserem Garten in Salvador, oder in den Nachbargärten. Besonders toll angelegt ist der Garten auch nicht.

Aber gut – der Fahrer war freundlich, auch die Leute im Hyde Park, die können ja nichts dafür, dass ich bezüglich Gärten verwöhnt bin! Vor allem die Sonnenuntergangstour im Hyde Park muss für weniger Anspruchsvolle sehr eindrucksvoll sein!

Ein paar Tage später kommen unsere Segelfreunde, die wir aus Jacare und Surinam kennen, Fiona und James aus England, Henk und Michelle aus Holland, in Grenada an. Gemeinsam feiern wir unseren Abschied im Dodgy Dock in der True Blue Bay, eine wirklich schöne Location. Je länger die Steelband spielt, umso mehr verfalle ich den Zauber der Karibik…

True Blue Bay Grenada

Dodgy Dock Restaurant und Hotel in der True Blue Bay, Grenada

Vielleicht wird es doch noch was, mit uns zweien, das werden wir sehen, wenn wir wieder zurück sind. Am 2. Februar geht der Flieger!

Und weg ist es!

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